Ach ja, es ist schon ein Kreuz mit diesen Sportlern,
der Sport-Gerichtsbarkeit, der Politik und der nationalen Ehre. Wieder einmal
werden Sportler und Offizielle wegen Doping und betrügerischen Methoden durchs
Fernsehdorf getrieben. Kein Wunder. Die olympischen Winterspiele in Pyeongchang
stehen vor der Tür.
Ich wills mal so sagen: Jahrelang schufteten hoch
ambitionierte, junge Menschen, um höher, schneller, weiter und besser zu
hüpfen, zu rennen, zu werfen oder carven zu können als der Gegner. In
Krafträumen wurden tonnenweise Gewichte bewegt, in Trainingscamps Kondition und
Koordination erworben, und die Athleten bis an den Rand menschlicher
Leistungsfähigkeit gedrillt. Was dann noch fehlte, besorgten die Trainer aus
der Hausapotheke. Wenn alles klappt, darf sich kommende Woche der Sieger den Lorbeerkranz aufs
Haupthaar stülpen und eine Medaille um den Hals hängen lassen. Frenetischer
Beifall des Publikums, Nationalhymne und dämliche Fragen der Sportreporter sind
ihm gewiss. „Haben Sie Ihre Goldmedaille schon realisiert?“ Antwort: „Nein,
erst nächste Woche.“ Alternativ: „Was macht der Sieg mit Ihnen?“ Antwort: „Äh…!
Ich grüß die Mama in Recklinghausen.“
Kaum hat der Held das Siegertreppchen verlassen, darf
er seinen Triumph an der Seite eines kamerageilen Politikers auskosten. Ein
feuchter Händedruck mit Foto, ein Schulterklopfen, ein paar euphorische Worte
und möglicherweise ein Scheck, aber erst, wenn es keiner sieht. Natürlich
lassen all diese Würdigungen die Brüste der Landsleute voller Stolz
millionenfach anschwellen und euphorisch stellen wir an der Mattscheibe fest: Wir haben gewonnen! Deutschland ist wieder wer. Wir sind
Olympiasieger.
Gemeinsam haben wir wieder einmal unsere genetische
Überlegenheit über die Sportler anderer Länder bewiesen. Mit uns muss man eben
jederzeit rechnen. Und nicht nur das. Die unglaubliche Leistung des
Skispringers mit der sagenhaften Weite von vierhundertsiebenundsiebzig Meter
macht uns so schnell keiner nach. Und was den Abfahrtslauf im Super-G mit
unserem Wastl Hinterhuber aus Lengries angeht, es war eh klar, dass er das
Rennen machen würde. Mit über dreihundertneunzig Sachen stürzte er den
Steilhang der Eiger Nordwand hinunter, ohne dass ihm auch nur ein einziger Meniskus
flöten ging. Unsere Nation ist sich einig. Das macht uns Deutschen so schnell
keiner nach, besonders weil wir auch mit Genickbrüchen und zerfetzenden
Muskelfasern mitkämpfender Matadoren rechnen mussten.
Kanzler, Präsidenten oder Bürgermeister, je nach
Bedeutung der Veranstaltung, sie huldigen zur Bestätigung der nationalen
Überlegenheit sich selbst, indem sie sich jovial und volksnah mit dem Sportler
zeigen, den Sieg aber der eigenen Politik und den großzügigen Zuwendungen bei
der Sporthilfe zurechnen. Nun ja, dass der eine oder andere Sportler sich beim
Dopen erwischen lässt, ist eine ärgerliche Nebenerscheinung, vor der man sich
natürlich empört distanziert, nichtsdestoweniger aber das nationale Bedürfnis
weiterer Siege nicht nur versteht, sondern auch einfordert. Schon der eignen
Beweihräucherung wegen. Das Argument der Unfairness und des Betruges aufgrund
der Einnahme verbotener Substanzen wird immer dann laut, wenn die anderen
gewinnen. Das ist zwar blöd, hilft aber auch nicht weiter.
Bestes Beispiel ist Putin, der reihenweise durch den
Geheimdienst Urinproben austauschen ließ, damit der Makel des Dopings keinen
Schatten über die überlegenen Cracks werfen konnte. Ein Whistleblower hat die
Sportwelt der Russen ins Wanken gebracht. Die haben nach dem Geschmack der
anderen zu oft gewonnen. Aber wo ein Wille ist, gibt es auch einen Weg,
selbstverständlich auch für uns. Wir sollten uns nicht nachsagen lassen, dass
unsere Sportmediziner und unser Pharmaindustrie Pfeifen sind.
Aber worin liegt eigentlich der Makel des
systematischen Dopings? An der schlechten Organisation oder der Methoden? An
der Uneinigkeit zwischen IOC oder den Antidopingbehörden? An der Dummheit der
Sportler oder gar an der mangelnden Entscheidungsklarheit des obersten
Sportgerichts CAS? Selbst unsere obersten Dopinghüter wissen nicht weiter.
Putin schon, nachdem gestern das Sportgericht die Sperrungen russischer
Sportler aufgehoben hatte.
Wie sagte Putin so schön? "Die überwältigende
Mehrheit unserer Athleten ist sauber.“ Zugleich warnte er vor übergroßer
Euphorie: "Es gibt noch jede Menge zu tun, das ist völlig klar, um bei uns
die Programme und die Politik gegen Doping zu verbessern." Moskau werde
dabei mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und der
Welt-Anti-Doping-Agentur WADA zusammenarbeiten.“ Klar..., mit wem denn sonst?
Ich befürchte allerdings, dass es sich hier um einen Übersetzungsfehler
handelt. Politik gegen Doping? Meinte er vielleicht „für“ besseres Doping? Nun
ja, man weiß es nicht, man forscht noch. Jedenfalls muss er in dieser Frage
auch mit uns rechnen.
Wenn man mich fragt, ich habe dazu eine klare Meinung.
Wir sollten alle Sportler verpflichten, zu dopen, um einerseits zukünftige
Irritationen zu vermeiden und endlich gleiche Bedingungen zu schaffen. Dann
kann niemand mehr behaupten, es ginge in unseren Arenen unfair zu. Sämtliche
Unklarheiten wären beseitigt. Und jene Sportler, die sich weigern, sich
pharmazeutisch aufpeppen zu lassen, sollten wegen Verstoßes gegen den
olympischen Geist und wegen Unterminierung staatlicher Interessen vom Wettkampf
ausgeschlossen werden. Immerhin gehen die Sportler bei der Tour de France schon
seit Jahren mit gutem Beispiel voran. Ab und zu fällt zwar einer von denen tot
vom Rad, aber daran haben sich selbst schon die Fernsehsender und die Zuschauer
gewöhnt.
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