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"Mangiare in Sicilia" oder mein Ratgeber für hungrige Touristen und deutsche Hausfrauen. Mein Rezept ist gratis!

Wenn sich der deutsche Urlauber in den Touristenmetropolen nach dem 12-stündigem Sonnenbad am Strand und hungrig wie ein Wolf seinem leiblichen Notstand widmet und wie von überirdischen Kräften fremdgesteuert in beschallte Pizzerien, Pastabuden und in „Ristoranti Tipici“ stolpert, muss er mit vier unabänderlichen Tatsachen rechnen.


Sowohl die optische Wahrnehmung als auch die Geschmacksnerven sind von der intensiven Sonneneinstrahlung gehandicapt. Erschwerend kommt hinzu, dass das Hochgefühl des Urlaubs und das mediterrane Urlaubsambiente die noch lebenden Synapsen grundsätzlich vernebeln und den Geldbeutel mehr oder weniger unbemerkt strapazieren.

Was soll ich sagen? Der Touri aus Bottrop oder Wanne-Eickel wird bei seiner Einkehr zwar nudelsatt, aber es kommt ihn teuer zu stehen, weil er den Hinweis auf die Kostenpauschale für das „Coperto“ übersehen hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Pizza Margherita, die Spaghetti alla Mafia und der Nero D‘Avolo zwischen Juni und September klima- und erholungsbedingte Aufschläge erfährt. Es empfiehlt sich daher, sich mit dem Einheimischen seines Vertrauens anzufreunden, noch bevor man den ersten Sonnenschirm und eine Strandliege bei Luigi angemietet hat. Denn ein Essensratgeber ist auf der Insel unerlässlich.

Glaubt mir, liebe Freunde: Weder der gaumenverwöhnte Sizilianer, noch dessen Hund würden sich jemals in ein Restaurant an der Strandpromenade verirren, das sich überdies mit dem verlockenden Zusatz „typische sizilianische Küche“ schmückt. Um diese beliebten Spots schlagen wir Sizilianer grundsätzlich große Bögen, mögen sie noch so einladend aussehen. Wir setzen uns stattdessen in unser klappriges Mobil, holpern über schlaglochaffine Sträßchen ins Hinterland oder in ein abgelegenes Borgho (Dorf). Wir tun das deshalb, weil uns der Freund eines Freundes – ein ausgewiesener Gourmet, in einer düsteren Seitenstraße von Castelbuono oder Mistretta ein unscheinbares Lokal empfohlen hat.

Um meine einschlägigen Erfahrungen mit Lukullus weiterzugeben und gleichzeitig deutschen Ehefrauen - zumeist glühende Anhängerinnen sättigender Hausmannskost – schmackhafte Orientierungshilfen für den sizilianischen Urlaub und auch für den heimischen Herd zu geben, hier ein typisches Gesprächs-Szenario eines hungrigen Sizilianers mit dem Küchenchef Salvatore in Camporeale.  

Gibt es nicht so etwas, wie eine Spezialität des Hauses?«, erkundigt sich Massimo - ein Sizilianer, der sich auskennt und nicht einfach nur irgendwo essen geht.

         »Aber ja doch! Naturalmente!«, erwidert der Hausherr und beschreibt mit der geöffneten Handfläche mehrere bestätigende Parabeln. 

In Salvatores Miene zeigt sich der Anflug geheimnisvollen Genusses. Dann nagelt er mit seinen Augen den Hungernden am Tisch fest, als wolle er sagen: Hier kommst du ungeschoren nicht mehr hinaus. Dann lüftet er mit Inbrunst und sonorer Stimme das Geheimnis. »Agnello con Finocchietto Siciliano...!« Gespannt wartet er auf die Reaktion seines sizilianischen Gastes.

         »Wie bereiten sie es zu?«, fragt Massimo und in seiner Stimme schwingt leise Skepsis.  

         »Ah...Signore...!« Salvatore macht eine weit ausholende Geste. »Ich verwende dazu nur beste Zutaten! Es muss die Fenchelknolle aus den Bergen von Agrigento sein. Nur sie hat das ganz außerordentliche Aroma! Die kleinen Schultern vom jungen Lamm besorge ich in Messina, natürlich in der Vuccirìa bei Vittorio. Madonna...!« Er macht eine kleine Kunstpause und wie es scheint, läuft ihm bei seiner Offenbarung das Wasser im Mund zusammen. Dann fährt er euphorisch fort. »Nirgends bekommt man besseres Fleisch«, schwärmt er weiter, verdreht genüsslich die Augen und blickt zum Himmel, als würde es von dort augenblicklich Ambrosia regnen.

Ich unterbreche hier das Gespräch und möchte darauf hinweisen. Essen ist in Sizilien nichts Profanes. „Mangiare“ ist Lust und Erfüllung zugleich und ist eine verdammt ernste Sache. Schon deshalb bedarf es eines ausführlichen Dialogs zwischen Gast und Koch. Ein festes, sizilianisches Ritual, das den Aperitif ersetzt und den Gaumen anspitzt.

     »Den Fenchel darf man nur drei Minuten in leicht gesalzenem, sprudelnd kochendem Wasser blanchieren«, erklärt Salvatore mit gesenkter Stimme, als verriete er ein mehrere Jahrhunderte altes und gut gehütetes Mysterium. »Danach gieße ich ihn ab und verfeinere die Kochflüssigkeit mit einem Spritzer Limone und Muskat.«

      »Und das Lamm?«, entgegnet Massimo und unterstreicht seine Frage mit einer hochgezogenen Augenbraue. Jetzt wird es sich weisen, was der Maestro zu bieten hat.

       »Die Schülterchen werden nur acht Minuten leicht gebräunt! Keine Minute mehr, keine weniger. Dann werden sie butterzart! Ich verwende nur Olio extra vergine von handgezupften Oliven meines Onkels – nichts anderes. Dann gebe ich eine ganze Cipolla rossa dazu! Sie wird angebraten, bis sie zusammenfällt und leicht bräunt. Im Anschluss bestäube ich die Schultern mit einem Hauch Knoblauch, in den Sud kommt eine Prise Salz, schwarzer Pfeffer und ein Quäntchen Basilikum dazu.«

Die Augen des Küchenchefs sprühen bei der Beschreibung der Zubereitung vor Begeisterung. Mit der Attitüde eines begnadeten Künstlers fährt er fort. »Anschließend lösche ich das Lamm mit einem guten Barolo bianco ab. Das alles lasse ich bei kleiner Flamme auf dem Herd, bis der Wein eingekocht ist. Und nun kommt das Besondere, Signore...! Ich gebe den Fenchel und Kochflüssigkeit hinzu, verschließe den Topf mit dem Deckel und lasse ihn verschlossen eine Stunde auf kleiner Flamme, bis die Flüssigkeit eingekocht ist. Dazu serviere ich knackige Böhnchen! Na...? Ist das nicht ein Gedicht...?« Er formt seine drei Finger zu einer Knospe und küsste die Kuppen mit verzückter Miene.

Massimo nickt zustimmend und sein Hund wedelt voller Vorfreude mit dem Schwanz.

    »Als Nachspeise biete ich Ihnen Latte Fritto an! Ich bereite unseren frittierten Pudding mit Zimt, Lavendel, Vanille und Zitronenschalen zu.« Die Augen des Küchenchefs liegen erwartungsvoll auf Massimo, der ohne dessen Redefluss zu unterbrechen hingebungsvoll zugehört hat.

      »Proviamo«, erwidert er zustimmend, wirft seinem Begleiter unterm Tisch einen kurzen Blick zu und murmelt. »Forza Cucina! Andiamo Maestro...!«

Hier schließe ich meinen sizilianischen Küchenausflug mit der Hoffnung, dass sich der eine oder andere Reisende aus Deutschland von der sizilianischen Küche im bergigen Hinterland verwöhnen lassen und satt und glücklich werden möge. Alles andere ist vertane Lebenszeit und Pizza ist etwas für zu Hause beim Italiener um die Ecke. Und wehe, irgendein Leser kommentiert die kulinarische Erfüllung mit "lecker"! Wir Sizilianer würden diesen Begriff als Affront begreifen. Gaumenorgasmus käme der Sache näher.

                                          

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