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Der Grieche - aus dem Blickwinkel des deutschen Urlaubers

Um es gleich vorweg zu sagen: Athen ist wunderbar. Es ist die einzige Stadt, in der sich alles bewegt und nichts passiert. Und der Grieche? Im Prinzip ein freundlicher Geselle. Genauer gesagt, der misslungene Versuch, einen Türken zum Italiener zu machen. 

Stets trägt er sein Hemd offen und im Ausschnitt baumelt ein Kreuz aus Gold. Außerdem riecht er nach Knoblauch. Doch das stört nicht weiter, weil alle Griechen dasselbe Aroma ausstrahlen. Lediglich den Neuankömmling trifft im direkten Umgang mit Einheimischen der Schlag.

Allerdings beginnt die Immunisierung gleich nach der Einnahme von Mahlzeiten. Und weil Besucher nach der langen Reise einerseits hungrig, andererseits fremde Gerüche gewöhnungsbedürftig sind, eröffnete der Grieche an Hafenpromenaden, Stränden, vor Hotels und in überhaupt in jeder kleinen Gasse landestypische Restaurants und Tavernen, in denen es überall das Gleiche gibt.

Was den Griechen aber eigentlich ausmacht, sind die vielen Ruinen und verfallenen Überbleibsel hellenischer Baukunst, die überall in seinem Land herumstehen. Beschädigte dorische Säulen, geflickte attische Kapitelle, dazwischen ein paar ramponierte Götter aus Marmor, Tempel ohne Dach und  einige heruntergekommene Finanzämter – alles in Allem ein paar tausend Jahre alte Architektur, die entgegen allen Versprechungen damaliger Bauträger das zweite Jahrtausend nicht überstanden haben.

Auch die Griechin ist unverwechselbar. Speziell wenn sie etwas in die Jahre gekommen ist. Dann trägt sie nur noch schwarz, schlurft wie auf Schienen durch die verwinkelten Gassen, verschwindet irgendwann hinter einem Topf blühender Geranien und schleudert hinter sich die blau gestrichene Tür krachend ins Schloss. Solange sie unverheiratet ist, feiert sie ausgiebig und lacht gerne.

Spätestens nach der Hochzeit ist das schlagartig vorbei und wenn ihr nach Bewegung zumute ist, dann reckt sie die Arme nur noch, um die Wäsche aufzuhängen oder sie klöppelt ein paar Deckchen. Die verhökert sie in der Stadt, während der Ehemann Alexis Hepatitis mit seinem Fischkutter auf dem Meer ein paar Kisten Calamares fängt. Die sehen zwar nicht sehr appetitlich aus, aber mit viel Knoblauch schmecken sie gut. Dem Griechen und dem Fremden.

Zu später Stunde hocken sie dann alle zusammen, die Touristen und die Einwohner von Hellas. Auf eingeschrumpften Stühlen sitzend kauen sie Tintenfisch, reden in mehreren Sprachen aneinander vorbei, mögen sich aber und man prostet sich herzlich zu. Manchmal kommt ein bärtiger Pope auf einen Löffel Tsatsiki vorbei und trinkt alle Anwesenden unter den Tisch. Danach verschwindet er wieder im weiß getünchten Kloster und stimmt seine melancholischen Gesänge an.

Und die Stadt? Jede Menge Chaos in den Banken, noch mehr Chaos in der Regierung, und auf der Straße nichts davon zu sehen. Ich habe in keinem einzigen Stau gesteckt, was aber auch daran liegen kann, dass es in Athen selten Benzin gibt und es im August kaum Athener hat. Wer kann, der flüchtet der Hitze wegen ans Meer. Zurück bleiben genervte Restaurantbesitzer, etwa 100.000 schlecht gelaunte Taxifahrer und ebenso viele Kellner, die gefährlich lächelnd vor ihren Tavernen herumlungern und jedem Touristen auflauern, zumal sie wegen dem Eurosparkurs alle viel Geld brauchen.

Taxifahrer, durchweg raffinierte Banditen, die jeden Ausländer berumsen, erkennt man an ihren tiefbraunen linken Unterarmen, die obligatorisch aus dem linken Seitenfenster ihrer Gefährte ragen. Mit den rechten Händen lenken, hupen, drohen und schalten sie. 

Der gemeine Kellner dagegen ist an seiner devoten Körperhaltung nebst einer elegant ausladenden Handbewegung zu erkennen, die arglose Gäste an wacklige Tische zwingen soll. Und wer erst einmal sitzt, hat verloren. Man hockt bei Korinthos Kakis an einem einfachen Holztisch und bestellt in völliger Verkennung der Tatsachen eine Flasche Retsina, in der Annahme, es sei Weißwein. Er schmeckt trotzdem.

Der Inland-Grieche stand bis kurz vor der Finanzkrise noch sehr hoch in der Gunst der Gäste aus dem Ausland – auch deshalb, weil bei ihm –, anders als beim Exilgriechen, fast alles echt ist. Immerhin -, die Weinreben an der Restaurantwand stammen nicht aus der Chemieküche der BASF. Auch die antiken Götter in den Mauernischen sind getöpfert und nicht aus Kunststoff. Sogar seine Taverna atmet den Hauch von Perikles oder Poseidon. Seit der Grieche weiß, wie viel Bewunderung der Fremde den griechischen Göttern und Helden entgegenbringt, ist er stolz auf die Hinterlassenschaften seiner Ahnen, besonders auf deren Tempel.

Manchmal kopiert er sie sogar. Für sein Fertighaus bestellt er beim örtlichen Bauunternehmer ein paar dorische Fertigsöller oder einen sandfarbenen Dreieckvorsprung aus Beton und klebt ihn über seine Haustür. Zur Finanzierung der Baumaßnahmen greift er auf die Renten seiner vor 12 Jahren verstorbenen Eltern und seiner vor Jahrzehnten entschlafenen Großmutter zurück.

Athen ist tatsächlich eine Reise wert, wenn man von den vielen Besuchern aus Afrika einmal absieht. Ich habe es getestet. Das empfohlene Touristenprogramm für den jungfräulichen Griechenland-Besucher. Einmal durch die Plaka – Athens Altstadt – hinauf zur Akropolis. Ich besteige die nagelneue Metro. An der Station Monastiraki verlasse ich den Untergrund. Die Mittagshitze trifft mich wie eine Keule. Ich schaue mich um.

         »Wo ist die Akropolis«, frage ich meine Fremdenführerin. Sie deutet auf eine Felswand, auf dessen Plateau ich ein Gerüst entdecke. Einer der Gründe, warum die alten Griechen an die Existenz der Götter auf dem Olymp glaubten, ist der, dass der Alpinismus damals noch nicht so weit entwickelt war.

         »This is the Akropolis!«, sagt sie und deutet auf die Stahlrohre. Sie führt eine Gruppe japanischer Olympiatouristen an, in deren Mitte ich mir ein wenig fremd vorkomme. Sie interessieren sich nur am Rande für die mit grauem Tuch verhüllten Säulen.

Die Asiaten stehen begeistert vor einem Souvenirstand, befingern hektisch eine grüne Priapos-Statue, biegen sich vor Lachen und stoßen Laute aus, die wie Wollo-Wollo klingen. Der Sohn von Dionysos und Aphrodite wird schon seit Jahrtausenden von einer gewaltigen Erektion geplagt, die er in Athen in Form einer Statue öffentlich präsentiert. Auch auf Postkarten, Plakaten und Bierdeckeln ist er allgegenwärtig. Nur die Japaner kennen den Kerl noch nicht und freuen sich kichernd über Wollo-Wollo.


Nun geht’s hinein in die Plaka: Enge Gassen, eine dichte Folge von Souvenirständen und Tavernen. Dazu alle zwanzig Meter ein winziger Kiosk, in dem schwarzgekleidete Frauen bei sechzig Grad Stauhitze sitzen und telefonieren. Alle führen das Sortiment eines mittelgroßen Tankstellenshops und alle haben das Gleiche. Es riecht nach Fritteuse, Anis und Kaffee.

Ein Kellner nimmt mich ins Visier, tritt auf mich zu. Seine Hand in meinem Rücken geleitet mich freundlich aber bestimmt an einen Tisch. Außer mir sitzt hier keiner.

Um meinen guten Willen zu zeigen, bestelle ich ein Souflaki.

         »You like greek salad?«, fragt mein öliger Adonis.

Ich nicke müde und habe damit eine Zusatzbestellung aufgegeben. Dann verleitet mich der Dunkelhaarige noch dazu, einen Berg Tsatsiki zu bestellen. Den hat man, anders als den Sirtaki sogar selber erfunden. Letzteres hat sich ein amerikanischer Choreograph aus Hollywood ausgedacht. Aber weil es den Touristen gefällt und er es erwartet, tanzt der entgegenkommende Grieche inzwischen allerorten Sirtaki. Als wenn ich es geahnt hätte...! Drei junge Männer stehen plötzlich um meinen Tisch und beginnen unter zu Hilfenahme von Gitarre und Ziehharmonika jammervoll zu singen. Ich hoffe inständig, dass sie aufs Tanzen verzichten.

Ein Insider hat mir erzählt, immer wenn ein Grieche mit einem Saiteninstrument herumläuft, muss das Hemd noch zwei Knöpfe weiter offen sein, als bei seinen weniger musikalischen Landsleuten. Und sie haben keine Ausdauer! Damit hat er Recht. Nach weniger als einer Minute hält mir einer der Musikanten ein Bastkörbchen unter die Nase. Ich starre auf den buschigen Wildwuchs der Männerbrust, zahle erfreut und das Jammern erstirbt.

Der Kellner naht mit zwei Tellern. Auf dem türmt sich vor Fett triefendes Fleisch mit durchtränktem Fladenbrot, auf dem anderen häufen sich achtlos zerhackte Tomaten, massakrierte Zwiebel und ein paar grüne Blättchen von irgendwas. Der Käse oben drauf schmeckt gut, das Bier heißt Mythos. Zwischen meinen Beinen prügeln sich Tauben um Brotkrümel. Der Kellner lacht ein bisschen zu laut und bringt ungefragt einen Kaffee, der mir sandig durch die Zähne rinnt.

Dann die Rechnung. Neunundzwanzig Euro, da darf man nicht meckern, trotz des Fettes.

         »Akropolis?«, frage ich ihn, der trotz des Trinkgeldes schlagartig das Lächeln eingestellt hat.

         »Gerade aus und dann den Schildern nach«, antwortet er deutsch mit rheinländischem Akzent. »Aber bei der Hitze ist das kein Spaß«, fügt er hinzu. Stimmt! Es geht bergan, durch Haine mit knorrigen Olivenbäumen, spärlichem Schatten und brüllenden Zikaden. Unten dampft die Stadt in der Hitze, ein Meer von Apartmenthäusern, die alle aussehen, als seien sie nicht ganz fertig geworden. Aber das ist der Grieche ja schon seit zweitausend Jahren gewöhnt.

Endlich oben, vor den himmelragenden Säulen. Im Kassenhäuschen sitzt zu meiner Überraschung wieder Korinthos Kakis, dem ich schon zuvor im Lokal begegnet bin. Er nimmt es mit dem Eintrittsgeld ganz genau. Zwölf Euro, abzüglich 10% Rabatt beim Erwerb eines Sammeltickets für alle Museen der Stadt. Auf dem Hügel weht ein leichter Wind. Von den Säulen des Pantheon Tempels ist nur wenig zu sehen, sie sind völlig eingerüstet. Die Japaner sind auch schon da, fotografieren sich gegenseitig mit Handys und Fotoapparaten. Wollo-Wollo sagt einer und deutet auf einen abseitsstehenden Touristen, der hinter einer umgefallenen Säule seine Notdurft verrichtet.

Ich kehre um. Rücksturz in die U-Bahn. Kühl, bequem, modern. Priapos lächelt von einem Plakat auf die wartenden Fahrgäste herunter. Manchmal ist auch ein Gott ein armes Schwein. Sogar in Athen.

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