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Deutschland hat Schwaben, aber der Schwabe ist kein Deutscher

Auch wenn böse Zungen behaupten, der Schwabe sei in Wahrheit ein Schotte, der wegen seines Geizes des Landes verwiesen wurde, möchte ich dieses Vorurteil wenigstens zum Teil entkräften. Um es vorweg zu sagen, keinesfalls käme ich auf die Idee zu behaupten, Florenz sei schöner als Nellmersbach oder Unterbopfingen.

Ebenso wenig würde ich annehmen, Schwaben könnten nicht mit Geld umgehen, außer ein paar Großbanken in Stuttgart! Niemals fiele es mir ein, abfällige Bemerkungen über Württembergische Weine zu machen oder die obligatorische Kehrwoche in Frage zu stellen! Und nie, - wirklich niemals würde ich versuchen, auf schwäbisch zu schimpfen. Denn wie heißt es so treffend in Zentralschwaben? Mir Schwabe lasset uns net uff de Kopf scheiße, mir machet's Maul uff!

Alles begann mit Helga, die Schwäbischste aller meiner potentiellen Liebhaberinnen. Wie im richtigen Leben, so entwickelte sich auch unsere Bekanntschaft in liebevoller Übereinstimmung anregender Harmonie und wunderbarem Verständnis füreinander. Für mich, Italiener, weit gereist und kosmopolitisch, einer, der viel gesehen und erlebt hat, - für mich begann ein völlig neuer und unbekannter Lebensabschnitt.

So war die eigentliche Hürde, nicht die schwäbische Sprache, sondern viel mehr die Bedeutung der Worte und Betonungen. Denn schwäbisch ist nicht einfach nur ein Dialekt, nein, er hat auch seine eigene Dialektik, die dem Fremdling, und das sind alle, die außerhalb Württembergs leben, erhebliches Kopfzerbrechen bereiten.

Als multilingualer Fremdsprachler wurde mir alsbald deutlich, was es heißt, sich unter Schwaben zu mischen. Der moderne Dienstleistungsgedanke und die schwäbische Sprache bieten ein enormes Konfliktpotential, beim Bäcker beispielsweise. Ich betrat also einen Bäckerladen.

»Sie han'ne au nô net gsäha, sen Si neu zuzôga?«

Die Gefahr verbalen Ungemachs drohte, und ich reihte mich in die Schlange ein. Vor mir eine Kundin – offenkundig eine Einheimische.

»Was griagad Sie ?«

Der implizite Vorwurf, die Kundin verlasse wohl gerade den pietistisch entsagenden Weg und gebe sich dem hemmungslosen Konsum hin, schwang leise in der Frage mit.

»I hädd gern a Roggabrot..!« 

Ein Norddeutscher Bäcker hätte nun geantwortet: »Ja, dann kaufen Sie es doch. Aber er hätte dabei die relative Höflichkeit in dieser Formulierung verkannt. Denn der Schwabe will nicht etwas, „er hädd gern“ oder er sagt:

»I kriag a Roggabrot«.

»Soll ichs ei'schlaga?« 

Noch eine Besonderheit in Schwaben. Freiwillig geht da gar nichts! Übliches Verpacken der Ware wird nur nach Aufforderung durch den Käufer vorgenommen. Schließlich ist Verpackungsmaterial teuer und eigentlich bringt ein „anschdändiger“ Kunde sein Einwickelpapier vom letzten Einkauf sauber gefaltet wieder mit.

»Des wär nett« 

»Derf’s sonscht no was sei?« 

Eine gefährliche Frage, berücksichtigt man nicht den schwäbischen Unterton. Ist der Laden leer, drängt er dem Kunden ein schlechtes Gewissen auf, zu wenig zu kaufen. Ist das Geschäft dagegen überfüllt, suggeriert er dem Kunden ein noch schlechteres Gewissen, den Kaufvorgang nicht zügig abzuschließen.

Der herkömmliche Schwabe ist „schaffig“ und „hot ä Gschäft“, was immer das sein mag. Dass dieses „Gschäft“ sich zumeist als „Fabrikle“ erweist, sei nur am Rande vermerkt. Man hat auch mindestens ä Häusle. Hierbei handelt es sich in der Regel um eine 480 qm Villa mit zwölf Zimmern und vier Bädern. Man fährt »a alds Audo«, das sich bei näherer Betrachtung als neuzeitliches Modell aus Untertürkheimer Produktion entpuppt. Kehrt der Schwabe aus dem Urlaub zurück, war er „amôl wo andersch“. Fragt man nach, handelte es sich um eine Weltreise.

Erkundigt man sich, wie es ihm beruflich geht, wird er stets antworten:

»S’ gôôhds soo, mr muaß sich halt immer arg uffrega«“, auch wenn er gerade das beste Jahr seiner Firmengeschichte vor sich hat.

Selbst in der Liebe ist der Schwabe eigen. Die Begriffe Charme, Charisma und Esprit sind im Schwäbischen häufig verwendete Synonyme für Grundbesitz, Bauerwartungsland und Wertpapiere und machen einen solchen Junggesellen extrem sexy, bei der eine gestandene Schwäbin aus Nellmersbach oder Niederbopfingen dahinschmilzt wie Butter an der Sonne. Ä oigenes Häusle und a paar Äggerle sinn oifach des Mindeschde, was zom heirade brauschd….

Kein schwäbisches Haus ohne einen Zaun rings herum, auch der kleinste Vorgarten wird gesichert wie der Hochsicherheitstrakt in Stammheim zu besten RAF-Zeiten. Wo immer möglich, wird die stabile Stein- oder Betonmauer dem Maschendraht vorgezogen, auch wenn dadurch oft die Garageneinfahrt einer Schießscharte gleicht und man einen Mittelklassewagen nur noch mit Einweiser einparken kann. Vor und hinter dem Zaun wird dann noch eine Hecke angepflanzt, so dass Bollwerke bis zu zwei Metern Dicke zwischen den Nachbarn aufgebaut sind.

Eindrucksvoll sind die Villengebiete in den Vororten. Häuser werden mit Hecken von 2-3 Metern Höhe von der Außenwelt abschottet, so dass man vom Wohnzimmerfenster aus nur noch die grüne Hölle sieht. Oder eben auch nicht, weil der Schwabe zudem noch Vorhänge und Stores mit der Blickdichte einer qualitativ hochwertigen Stützstrumpfhose liebt. Auf meinem täglichen Spaziergang mit dem Hund gibt es einen Garten am Waldrand, der vorne mit einem riesigen Tor gesichert ist.

Links und rechts vom Tor ist aber weder ein Zaun noch eine Hecke. Trotzdem öffnet der Besitzer gewissenhaft sein Tor, wenn er mit dem Auto ankommt und fährt dann hindurch, auch wenn links und rechts genügend Gelegenheit dazu wäre, daran vorbeizufahren.

Zwar war mir die Kehrwoche durchaus nicht fremd, dennoch hat vermutlich die urschwäbische Erfindung rituellen Charakter, dem keiner entrinnen kann, ohne nachhaltig geächtet zu werden..

Ich möchte voranstellen, die Kehrwoche ist eine durchaus sinnvolle Einrichtung und wird von mir nach Kräften durchgeführt und bislang gab es auch keine Klagen. Aber eines fällt halt auf: Sinn der Kehrwoche scheint weniger der kollektive öffentliche Sauberkeitswahn zu sein, sondern vielmehr im Gesehen werden und zwar mit „Bäsa, Kuddrschauffl, Schrubbr und Oimer“. Notfalls auch mit dem Staubsauger.

Nicht das Ergebnis zählt, sondern der Beweis: Ein überfluteter Kellergang ist wichtiger als eine saubere Kellertreppe. Gängige Mittel sind das Verräumen sämtlicher Eingangsmatten, das absichtliche und mehrstündige Staubsaugen, um dem Nachbarn Reinlichkeit und Gründlichkeit vorzuspiegeln, und das möglichst bei geöffneter Haustür sichtbare Abstellen von Reinigungsgeräten oder stundenlanges Stöhnen auf dem Gehweg mit dem Besen in der Hand. Verbale Anerkennung für einen blitzsauberen Gehweg darf man von Nachbarn oder nahen Angehörigen nicht erwarten.

Es gilt: Nix gsaggt ischt gnuag gelobt.

Wobei wir beim "schwäbischen Imperativ" angekommen sind, der vorzugsweise von Ehefrauen an Männer gerichtet ist. "Ma sott amol des aade Glomp wegschaffa...! oder auch: "Dätschd mer ned gschwind d'Zeitung hola...", - in freundlich-bestimmten Timbre intoniert -, duldet die Bitte keinen Aufschub. Aber aufgemerkt: Allzu perfekte Erledigung angewiesener Arbeiten führen schnell dazu, als Dipfelesscheisser diskreditiert zu werden.

Aus Sicht eines Nichtschwaben sind Bewohner Kleinstädtischer Siedlungen und Dörfer – sofern Ureinwohner -, in ihrem Wesen wunderlich. Außer Autos und Menschen darf ohne schlechtes Gewissen kaum etwas entsorgt werden. Man trennt sich prinzipiell von nichts, weil „dees duads nô“, oder „dees ko ma no braucha“! Egal, ob die Tischdecke schon dreißig Jahre aufgelegt worden ist oder ob der Hosengürtel bereits vom Opa getragen wurde, „Der duads nô“.

Helga, die blondeste aller meiner potentiellen Liebhaberinnen, frönte dieser schwäbischen Sammelleidenschaft in nahezu vollkommener Weise. Als ich in der Garage einen Geldbeutel fand, der aussah, als sei er schon auf den römischen Feldzügen unter Caligula im Einsatz gewesen, meinte sie ernsthaft: „Där duads nô“. Ein Gürtel, der aus Altersschwäche reißt, wird nicht entsorgt, sondern akurat „bäbbd“ und weitergetragen, weil „där duads nô“. In einem jähen Anfall von Entsorgungswut brachte ich „dees alde Glomb“ zum Müllcontainer und handelte mir prompt eine harsche Rüge ein. Eigentlich war es keine Rüge. Sie hat „bruddelt“.

Nichts macht der Schwabe lieber, als „rômzubruddla“, damit der Nachbar erst gar nicht auf die Idee kommt, dass es ihm saugut geht.

Der „Bruddler“ lässt seinem Ärger nie lauthals freien Lauf, er mault vielmehr leise vor sich hin, manchmal gerade noch laut genug, um verstanden zu werden, manchmal aber auch für andere unverständlich wie im Selbstgespräch.

Hier zeigt sich die melancholische Seite des Schwaben, seine verschämte Sentimentalität und sein verstecktes Selbstmitleid. Nichts und niemand könnte ihn in dieser Stimmung aufmuntern, er ist mit Gott und der Welt und besonders mit sich selbst uneins. Kürzlich habe ich einen Bauern bei meinem Spaziergang zu seiner hervorragenden Ernte beglückwünscht, worauf er antwortete:

»Gugget Se abbr, wia ausglaugt s' Erdreich isch.« 

»Umgraben und wässern«, werfe ich vorsichtig ein.

»Bei däm bockelharde Boda? Soll i mir mein neua Spate ruiniere?« 

Der Schwabe bruddelt sozusagen überall, unentwegt und „wegge ellem“. 

Stehen Bundestagswahlen an, da muckt er auf! »Mir Schwabe lasset uns net uff de Kopf scheiße, mir machet's Maul uff!«


Erhöht die Regierung die Steuern, jammert er allenthalben "Dia saugad ôns nô vollends aus"! Gibt es Steuerentlastungen, dann wird er unweigerlich die Worte sagen: »Vo was wellad dia denn die Schulda zaahle«.

Der Schwabe in seiner permanenten Ambivalenz, alle Dinge von zwei Seiten zu sehen und zu respektieren, kann nie zufrieden sein. Und will es auch gar nicht, »sonsch gääbs jô nex zôm bruddla !« Und bedenke, lieber Zugereister: Nicht alles ist Schwäbisch, was sich komisch anhört.

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Kommentare

  1. 😂 Ja, ja, die schwäbsch´e „Wachlappen“- Fraktion 😉 Grüße

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