Manchen Themen kann man nur noch mit beißender Ironie oder
mit ätzendem Sarkasmus begegnen. Paradise Papers. Jährlich grüßt das Murmeltier
– wieder einmal wurde ein Steuerskandal aufgedeckt, ähnlich spektakulär und
ähnlich umfangreich wie die Panama Papers der Kanzlei Mossack Fonseca im
letzten Jahr. Es ging um Korruption, Geldwäsche, illegale Finanzkonstrukte,
Steuerhinterziehung, 300.000 Briefkastenfirmen, schwere Kapitalverbrechen und
Hunderte von Milliarden Doller nicht gezahlter Steuern.
Wellen der Empörung, ach, was sag ich…, Tsunamies
überschwemmten im April 2016 im Bundestag alle politischen Parteien,
überfluteten Medien und sogar der Bürger wurde in den Berichterstattungen
ersäuft. Trotz größter Skandalisierungsbemühungen von Seiten des Journalisten
Bastian Obermayer von der Süddeutschen Zeitung (SZ) mit anschließender
Auswertung der Papiere durch das „International Consortium of Inverstigative
Journalists“ passierte nicht viel bis gar nichts.
Kaum sickerte nämlich durch, dass auch Staatspräsidenten finanzstarker
Länder, internationale Großbanken, afrikanische Despoten und gekrönte Häupter bis
Oberkante Unterlippe im Geldsumpf steckten, glättete der Herr im Himmel in
seiner unendlichen Güte die kapitalen Wogen. Die Schuldigen und Superreichen
aber entstiegen wie frisch gereinigt den Fluten der Verdammung. Heute spricht
kein Schwein mehr darüber. Wundert uns das, wenn beispielsweise auch Carsten
Maschmeyer noch frei herumläuft und sich gar als Opfer darstellt? Der nämlich
steckte sieben Millionen Euro eigenes Geld und weitere 33 Millionen Euro für
seine Kinder, seine Frau Veronica Ferres, seine Ex-Frau und den Fußballtrainer Mirco Slomka in einen "Cum-Ex-Fonds", den die
Schweizer Bank Sarasin vertrieb. Legal hin, legitim her, Moral, Ethik oder Anstand, Gier kennt keine Werte, sie kennt nur Befriedigung.
Und wieder macht die SZ von sich reden. Die Paradise
Papers. Nur dieses Mal von der auf den Bermudas ansässigen Anwaltskanzlei
Appleby. Hinzu kommen Daten aus dem Treuhand-Unternehmens Asiaciti Trust mit
Sitz in Singapur sowie Unternehmensregister aus 19 Steueroasen wie der Isle of
Man, Malta und den Bermudas. Wie sich doch die Dinge immer wieder gleichen. Die
SZ darf sich erneut im Schlaglicht maximaler Aufmerksamkeit sonnen und die
beteiligten Journalisten erneut mit einem investigativen Schmöker bei einem der
renommierten Buchverlage einen Bestseller landen. Zu irgendetwas müssen ja
Enthüllungen gut sein.
Gestern Abend lief gleich nach dem TV-Tatort die paradiesische
Enthüllungs-Story über das Netzwerk der Börsen-Tycoons, Großkapitalisten und
Wirtschaftsmagnaten, aufgemacht wie ein Agententhriller. Ja, sogar die
englische Queen soll ihren Sparstrumpf auf den Bahamas unter eine Palme
vergraben haben. Unterhaltungs-Kakophonie für den kleinen Mann, nenne ich das.
Kein Politiker, kein Staatsmann, keine Regierung und schon gar kein
Superreicher hat Interesse daran, dass gehortetes und vor dem Fiskus
verstecktes Kapital in „falsche Hände“ gerät oder gar dem Wohle eines Volkes
zugeführt wird. Kapitalverbrecher haben nur in Ausnahmefällen etwas zu
befürchten. Sie kommen ins Steuerparadies, während einem Bürger wegen eines
nicht bezahlten Strafzettels von 20 Euro die Erzwingungshaft droht.
Wie bemerkte unser ehemaliger Finanzminister Schäuble nach
der Sendung so elegant? Steuervermeider und Off-Shore-Verstecke sind wie die
Hydra. Schlägt man einen Kopf ab, wachsen zwei Köpfe nach. Was er vornehm
verschweigt: Deutschland gehört selbst zu den ganz großen Playern in Sachen
Steuervermeidung. Im weltweit tobenden Steuerkrieg zeigt Deutschland gern mit
dem Finger auf andere. In Wirklichkeit ist das vermeintlich deutsche Musterland
eine gern besuchte Steueroase. Immerhin stehen wir weltweit auf Rang 7 der
beliebtesten Paradiese für anonyme Geldanlagen, Immobiliengeschäfte und
Großinvestitionen. Nebenbei bemerkt: Jeder Ausländer darf in unserem Lande ohne
Herkunftsnachweis Millionensummen in Immobilien oder Kapitalanlagen investieren
– auch über Briefkastenfirmen – ohne, dass irgendein Finanzamt sich dafür
interessieren würde.
Steueroasen sind gewollt, auch hierzulande. Als
Gegenleistung sprudeln Pateispenden und Privilegien. Als Paradeeispiel könnte
man viele karibische Inseln aufführen, die entweder unter amerikanischem,
holländischem oder englischen Protektorat stehen. Gerade jene Nationen, die
sich auf die Fahne schreiben, Steuervergehen gnadenlos zu verfolgen, könnten
von heute auf Morgen, wenn sie nur wollten, auf ihren Inseln Steuersysteme
einführen. Tun sie aber nicht. Die eigentliche und viel lukrativere Frage, die
sich jeder Politiker seines Landes stell, ist: Was muss ich tun, damit reiche
Menschen in meinem Land ihr Geld lassen.
Selbst innerhalb der europäischen Union tummeln sich die
Finanzverbrecher zuhauf. Sie nennen sich eigentlich Wirtschaftsminister, hüten
landeseigene Steuersäckel wie einen Gral und verteidigen mit Klauen und Zähnen eigene
Finanzsysteme, mit denen sie Nachbarländer übers Ohr hauen. Sie sorgen auch
dafür, dass sich die Finanzhaie dieses Kontinentes ganz sicher sein dürfen,
wenn es darum geht, einheitliche Steuergesetze zu verhindern. Wo kämen wir hin,
wenn Staaten wie Deutschland oder Holland plötzlich die Steuerschlupflöcher
verschlössen oder Trusts verböten? Dann ließen sich ja beim Bürger neue Steuererhöhungen
nicht mehr durchsetzen.
Der Sturm im Wasserglas kommt jetzt unseren Politikern wie
gerufen, lenkt er doch ab vom Geschehen in Berlin. Ich bin allerdings guter
Hoffnung. Das Ablenkungs-Stürmchen und die künstlich aufgeblasene Empörung wird
nicht lange anhalten. Spätestens übermorgen wird das unwürdige Gezerre um
Pfründe, Ministerstühle, weltfremde Forderungen und Verteidigung eigener
Positionen wieder Tagesgespräch werden. Wir dürfen also aufatmen. Die Reichen
bleiben weiter reich, die Bürger wird nach wie vor kurz gehalten und Politiker
dürfen im Bundestag wieder ihre Plätze einnehmen. Wie schön…, dass die Welt
bleibt in Ordnung bleibt.
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