Es ist ein Treppenwitz der Geschichte,
wenn sich die Regierungselite im politischen Kontext eines Synonyms bedient,
das scheinbar heiter, lebhaft und leichtfüßig daherkommt. Jamaika! Die
karibische Insel lädt zu beschwingten Assoziationen wie Südsee, Palmen, Urlaub,
verführerische Inselschönheiten und Reggae-Music ein. Die Verwendung eines
lockeren Verblödungsvokabulars, mit der eine der schwerwiegendsten
Zukunftsentscheidungen für die deutsche Politik umschrieben wird, lässt
vermuten, dass Politikerhirne an Schlichtheit kaum noch zu übertreffen sind. Selbst
in der Medienlandschaft, in der man noch den einen oder anderen klugen Kopf
vermuten könnte, plappert man munter die Idiotenformel „Jamaika“ nach.
Wenn Verhandlungen in Berlin, die im Ergebnis die Zukunft
eines ganzen Volkes bestimmen werden, der Wähler mit dämlichen Floskeln
eingelullt wird, um von eigenen Unvermögen abzulenken, dann kann man nur noch
resigniert die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Von Stil, gesellschaftlichen
Umgangsformen, Kleiderordnung, Konvention oder vorbildhafter Verhaltensnormen erwarte
ich von Politikern seit dem ersten Auftritt der Grünen im Bundestag ohnehin
nicht mehr viel.
Ein Sauhaufen als Aushängeschild der Nation. Schamgefühl? Man
fragt sich unwillkürlich, aus welchem Loch so mancher unserer Staatsvertreter
gekrochen ist. Bue Jeans, Hände in den Hosentaschen, Freizeithemd, so stehen
einige unserer Vorbilder vor Mikrofonen und berichten mit flapsig-coolem
Habitus, dass man zwar hart arbeite, aber keinen Schritt weitergekommen sei. Nun
ja, in Jamaika würden sie nicht weiter auffallen. Nichtsdestoweniger mimen
unsere Staatsvertreter in operettenhafter Manier Stärke, Überlegenheit und
Souveränität.
Özdemir macht plötzlich auf weltmännisch, Lindner auf
coole, angstfreie Socke und Hofreiter auf bockigen Mahner. Welch ein
lächerlicher Haufen, kommt mir in den Sinn. Wen haben wir nur gewählt? Wenn man
von Dobrindt, Hofreiter, Göring-Eckart und Konsorten Sätze sagen hört wie: „es
sind 7.000 Kilometer bis nach Jamaika“, oder „es ist noch das gegenseitige
Beschnuppern der Jamaika-Parteien“, dann drängt sich das Gefühl auf, dass diese
Politclowns via TV zu ihrem debilen Volk sprechen, denen man eben irgendetwas
zum Fraß vorwerfen muss.
Dummerweise sind bei diesen Herrschaften Arroganz und
Anmaßung eine vom Volk autorisierte Symbiose eingegangen und wie es scheint,
haben wir sie verdient. Hätten diese Nasen einen kurzen Blick in die offizielle
Web-Side des Auswärtigen Amtes geworfen, würden sie einen signifikanten
Erkenntniszugewinn gehabt haben. Ob sie sich deshalb mit größerer Verantwortung
den anstehenden Aufgaben stellen würden, wage ich zu bezweifeln, wenn man
hauseigene Warnungen für das Paradies der Kriminellen aus dem Auswärtigen Amt
geflissentlich übersieht. Nun ja, die Kriminellen haben unsere Staatslenker
inzwischen vor der eignen Haustür. Das nennt man wohl Gewohnheitseffekt.
Kingston, die Insel-Hauptstadt, gehört zu den Städten mit
der weltweit höchsten Kriminalitätsrate. Es bestehen für große, deklarierte
Gebiete strikte Ausgangsbeschränkungen, Armee-Einsätze gegen Kriminelle,
gewalttätige Überfälle im ganzen Land gehören dort zu Tagesordnung, Mord und
Totschlag zum gewöhnlichen Lebensunterhalt der Gauner. Touristen sind
angehalten, bei Einbruch der Dunkelheit im Hotel zu bleiben. Ausflüge auf
eigene Faust sind lebensgefährlich. In diesem Zusammenhang von
„Jamaika-Verhandlungen“ zu sprechen, beschert mir eine völlig andere, zynische
Assoziation, die mit Palmen, Strand und Reggae so gar nichts zu tun haben.
Der Leser darf sich nun angesichts des neu definierten
Begriffes „Jamaika“ selbst ausmalen, was sich hinter den Kulissen des „Hauses
der Parlamentarischen Gesellschaft“ abspielt. Ich befürchte, Deutschland wird
dort gerade verraten und verkauft. Es geht dort um Karriere-Deals, um Ministersessel,
Positionen, Funktionen und Ämter, nicht etwa um die Frage: Was ist das Beste
für unser Land?
Dennoch darf der Bürger hoffen, obwohl alle Parteiführer,
ganz nach dem Vorbild Niccolò Machiavellis, dem Volk nur gute Botschaften
übermitteln. Sie klingen so schön nach Erfolg, nach Kompetenz und
Durchsetzungsvermögen und nicht etwa nach heißer Luft. Nur noch 4 Tage...!
Licht ist am Ende des Tunnels, denn sobald es wieder hell in den Birnen der Politiker
wird, dürfen wir das Scheitern der Verhandlungen betrauern. Seehofer wird
abdanken, Merkel vom Wind in Orkanstärke vom Sessel gefegt und Söder als
Königsmörder beerdigt. Die Baustellen werden uns bleiben: Flüchtlinge, Klima,
Wohnen, Verkehr, Umwelt und Agrarwende. Applaus für die politische Kompetenz in
Berlin. Wir verneigen uns (...und wenden uns ab mit Grausen)!
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