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Leverkusen, neuer Sitz unseres Agrarministeriums?

Am Montag hatte die EU-Kommission die Verwendung des weltweit umstrittenen Glyphosat für weitere fünf Jahre erlaubt. Anders als bisher stimmte diesmal auch Deutschland dafür. Die Bundesregierung, die seit der Bundestagswahl nur noch geschäftsführend im Amt ist, ist sich in dieser Frage nicht einig. Und weil das so ist, hat CSU-Agrarminister Schmidt die Sache mal selbst in die Hand genommen und bei der EU seine verbindliche Zustimmung abgegeben.


Wenn man einmal davon absieht, dass im Kontext der anstehenden Groko-Sondierung für eine Regierungsbildung Schmidts Alleingang bei der SPD zum allgemeinen Aufschrei der Empörung geführt hat, ist der Vorgang für sich gesehen wieder einmal ein schöner Beitrag für die alles überragende Dämlichkeit mancher Minister. Dank Schmidts Entscheidung für Glyphosat wächst nun auf bäuerlichen Wiesen und politischen Feldern meilenweit kein Gras mehr.

Man kann zu den GroKo-Ideen von Frau Merkel und Bundespräsident Steinmeier stehen wie man will, klar ist, dass sich der Agrarminister, - durch Bayer Leverkusens Sponsoring optimal motiviert -, nicht nur seiner eigenen Partei, sondern auch dem wahrscheinlich zukünftigen politischen Partner SDP mit selten erreichter Hohlköpfigkeit ins Kontor gepisst hat. Was scheren den bayerischen Agrarminister Krebsrisiken, Bienensterben, Insektenvernichtung oder gar schwerwiegende Unterbrechungen des biologischen Kreislaufes. Ob unsere Vögel in Zukunft Nahrung finden oder die Lebensgrundlagen für die Umwelt wichtiger Tiere entzogen werden, scheint sich bis zum Minister Schmidt noch nicht herumgesprochen zu haben.

Glyphosat wird ebenso mit Klauen und Zähnen verteidigt wie viele anderen Pestizide oder Insektizide. Wer aber mit semantischem Unfug, fragwürdigen Argumenten, mit verschleierndem Formulierungsduktus oder rhetorischem Trapezakt vernünftige Argumente außer Kraft setzt, um eine Rechtfertigung für die Herstellung scheinbar hilfreicher Substanzen zu liefern, muss sich zwingend ethischen und moralischen Fragen stellen. Cui bono ... Wem nutzt der massive Einsatz von Chemie? Doch erheblich mehr dem Hersteller und Verkäufer als dem Landwirt. Letztendlich bestimmt der Vorteil des eigenen Einkommens fast immer über die Frage von ethischen, sinnvollen, nützlichen oder moralischen Erwägungen. Denn höherer Ertrag steht auch immer der Entlassung von Arbeitern gegenüber.

"Ein Fachminister, der federführend in dieser Frage ist, muss im Laufe von Beratungen in Brüssel in der Lage sein, an der Sache orientierte Entscheidungen zu treffen", das hat er schön gesagt, der Herr Schmidt. Auf welcher „Sachgrundlage“ er entschieden hat, das bleibt im Dunkeln. Beruhte seine Sachgrundlage etwa auf zukünftigen Apanagen aus noch nicht geklärten Quellen? Nein, ich bin kein Schelm, der sich dummerweise etwas Böses denkt, ich denke böse, wenn Entscheidungen zu Lasten der Allgemeinheit und zum Vorteil Einzelner getroffen werden.




Wenn sogar die FDP die Kanzlerin auffordert, den Agrarhasardeur aus Niederbayern wegen „vorsätzlicher Verletzung der gemeinsamen Geschäftsordnung“ zu entlassen, lässt sich der hohe Wellenschlag im politischen Berlin leicht ablesen. Nichtsdestoweniger ist davon auszugehen, dass unsere zukünftige Ex-Kanzlerin auch diese Petitesse schon der hohen Leverkusener Steuereinahmen wegen auf ihrem gepolsterten Sessel aussitzen wird. Außerdem gilt es auch, Missstimmungen mit der Schwesterpartei zu vermeiden, wenn man dort sitzen bleiben will, wo man bereits sitzt.

Man hat immer öfter das Gefühl, dass für unsere Top-Politiker eine feststehende Regel angewendet werden kann. Je höher das Amt, desto schlichter das Hirn. Schmidts marginal ausgeprägte soziale Kompetenz und sein unterirdischer Sachverstand führte beinahe zwangsläufig in den vorauseilenden Vertrauensbruch, den er mit einem tatkräftigen Beweis nun untermauern konnte. In bajuwarischer Manier hat ein Beamter mal so richtig kernig hingelangt. Ich will ja nicht frotzeln, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Schmidt irgendwann man einen Vorstandsposten bei dem Leverkusener Unternehmen anstrebt.

Wie sagte Christian Schmidt im Interview so schlüssig: „Ich habe die Glyphosat-Entscheidung für mich getroffen.“ Die geschäftsführende Kanzlerin habe er nicht vorher informiert. Besonders interessant ist sein Argument für die Zulassung des Pflanzengiftes. „Das EU-Gremium hätte auch ohne seine Zustimmung die Genehmigung für Glyphosat erteilt.“ Alle Wetter, denke ich mir. Dann hätte er ja auch „Nein“ sagen oder sich seiner Stimme enthalten können, zumal die SPD vorher eine Zulassung klar abgelehnt und auch die Grünen den Einsatz jenes höchst fragwürdigen Giftes verhindern wollte.

Jeder weiß, dass der Bayer-Konzern letztes Jahr den Pflanzenschutzhersteller Monsanto für knapp 70 Milliarden Dollar übernommen hat, um sich den größten Umsatzträger Glyphosat unter den Nagel zu reißen. Für Bayer ist die Zulassung in Europa essentiell. Da macht es sich besonders gut, wenn seit Juni 2015 ein führender Mitarbeiter des Bayerkonzerns (Bayer Crop Science) ein wichtiges Kommissions-Mitglied im Bundesamt für Risikobewertung mitentscheidet, ob Pflanzenschutzmittel für Mensch und Tier gefährlich sind oder nicht.

Laut dem Lobbyregister der EU hat Bayer im Geschäftsjahr 2015 knapp 2 Mio. € in direkte Lobbyarbeit bei den EU-Organen investiert. Gut angelegtes Geld, wie mir scheint. Wer von uns braucht schon die Umwelt…


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