Oft genug nötigt mir
die deutsche Polit-Elite ein mitleidiges Lächeln ab, manchmal auch
fassungsloses Staunen, häufig ungläubiges Kopfschütteln. Doch gestern hätte ich
empört aus meinem Fernsehsessel springen mögen. Wie lautete doch gleich die
Eingangsmeldung der Tagesschau? Gabriel fordert den „kulturellen Kampf“ gegen
Islamisten. Urplötzlich, als habe ihn jäh der Geistesblitz getroffen, wirbt er
für ein hartes Durchgreifen gegen islamistische Strömungen in Deutschland.
"Salafistische Moscheen müssen verboten, die Gemeinden aufgelöst und die
Prediger ausgewiesen werden, und zwar so bald wie möglich." Ist er
Mitglied bei der CSU oder gar bei der AFD geworden und ich habe es nicht
bemerkt?
Derselbe Mann, der sich mit einem „Refugees welcome“-Button
auf die Regierungsbank setzte, wirft der Kanzlerin anderthalb Jahre später vor,
eine Million Flüchtlinge eingeladen zu haben. Erinnern wir uns an den 22.
August 2015 – das ist gerade mal 15 Monate her, da erfand dieser fettleibige
Gabriel den Satz: „Wir schaffen das!“ Nein, der Satz stammt nicht von Merkel.
Zwar ist er historisch verknüpft mit der Flüchtlingskrise und unserer
Kanzlerin, sie aber hat ihn nur vom Pirouetten-Sigmar übernommen.
Ein Jahr später äußert sich Gabriel angesichts zigtausender
SPD-Austritte kritisch über Merkels öffentlicher Äußerung: „Wir schaffen das“
löse keine Probleme. Am 7. August 2016 meinte er vollmundig in einem Interview
mit der Funke-Mediengruppe, man könne so nicht weitermachen. Angesichts der
Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Flüchtlingspolitik dürfe man auch
den Satz nicht einfach wiederholen. Klar…, er hat vorgestern die letzte
Prognose einer Wählerumfrage im 3 Januar 2017 gelesen und sieht seine roten
Felle davon schwimmen, denn die SPD überspringt nach neuesten Umfragen nicht
einmal mehr die 20 Prozent. Die AFD ist den Sozen mit 15,4 Prozent scharf auf
den Fersen.
Der Stern von Gabriel hätte schon damals dringend eine
Generalpolitur benötigt. Denn nicht nur in seiner Partei, in der er mit wenig
schmeichelhaften Attributen bedacht wurde, sondern auch von Seiten der
christlichen Ministerkollegen. Man hielt ihn für disziplin- und konzeptlos,
illoyal und ungeduldig. Viele Parteifreunde hätten ihn am liebsten "auf
die Vogelschutzinsel Mellum im Wattenmeer verbannt", räumte Gabriel einmal
selbst ein, als er seine Genossen mit Alleingängen und einsamen Entscheidungen
verärgerte.
Ist dieser Mann einfach vergesslich? Oder ist er nur dumm,
unverfroren oder rotzfrech? Hält er seine Wähler für verblödet oder
geistesabwesend? Abermals nein – für mich ist er nichts weiter als ein
politischer Drecksack, der seine Meinung nicht nur öfter wechselt als
unsereiner die Socken, sondern mit Wählerstimmen jongliert, als seien sie sein
verbrieftes Eigentum.
Gestern noch ein beherztes „JA“ für den Islam in
Deutschland, heute ein entschlossenes „NEIN“ gegen alles, was sich wie
irgendwie Islamistisch anfühlt, wobei ich mir noch nicht einmal sicher bin, ob
er bei dem Wort Islam mit dem Suffix "ismus" etwas anfangen kann. Ich
will nicht missverstanden werden, mir ist die gesamte Flüchtlingspolitik in
Berlin mit all den damit verbundenen Gefahren ein Graus. Vielmehr kritisiere
ich sein schamloses Taktieren, das ausschließlich seinem Machterhalt dient. Er
bedient sich bei den CSU-Argumenten ebenso leicht wie bei den gängigen
Forderungen der AFD, ganz so, als habe er sie persönlich erfunden. Wer sich auf
ihn und seine Politik verlässt, der ist verlassen. Schlimmstenfalls schon zwei
Tage nach der Wahl.
Als die Zeiten noch andere waren, sagte Gabriel einst, wäre
es sicher nicht klug für die SPD, Merkels Flüchtlingspolitik zu kritisieren.
Diese Bemerkung zielte darauf ab, dass die Kanzlerin äußerst beliebt war und zu
großes Vertrauen genoss. Und jetzt kommt er wie Phoenix aus der Asche und blökt
seine populistischen Parolen mit der Unschuldsmiene eines Viertklässlers einer
Hauptschule in die TV-Sender. Heute also hält er seine Strategie für klüger?
Das nennt man in der Psychologie „pathologischer Narzissmus“. Klare Linie
dieses Mannes? Fehlanzeige.
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