Wieder einmal hat Anne Will ihre eigene Überflüssigkeit und
die ihrer politischen Talkrunden eindrücklich bewiesen. „Merkel oder Merkel –
hat Deutschland nur diese Wahl?“, hieß das Motto von Anne Wills erster
Suggestiv-Sendung nach ihrer Sommerpause, denn eine rhetorische Frage
impliziert von vorne herein die „richtige“ Antwort. Das Dilemma ist
unübersehbar. Für militant-bockige Moderatoren mit Hang zur anmaßenden
Schulmeisterei sind selbst nicht anfechtbare Argumente ein Angriff auf die sich
selbst auferlegte Überlegenheit.
Thomas Oppermann (SPD), zweifellos
unangefochtener König nichtssagender Phrasen übertraf in gelöster Leichtigkeit
die standardisierten Worthülsen des Parteigegners Lindner, der sich seinerseits
in dämlicher Durchsichtigkeit bei Volker Kauder (CDU) als zukünftigen
Koalitionspartner anbiederte. Der quittierte den Antrag mit stoischer
Gelassenheit. Offenkundig genoss der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, bar
jeder Eloquenz und rhetorischer Finesse, gleichgesinnte Bundesgenossen gefunden zu haben, die zwar
mit Verve aber ohne Substanz auf die AFD eindroschen.
Anne Will hingegen, gab sich als
„stutenbissige“ Moderatorin, die ihrer Nachbarin Alice Weidel (AFD) deutlich zu
verstehen gab, was sie von der Politikerin hielt. Ton, Körperhaltung, Mimik und
Gestik ließen keinen Zweifel zu, dass sie ihre Sendung dafür
instrumentalisieren würde, ihre eigene Position und die ihrer Gäste klar zu
machen. Alles andere hätte mich auch gewundert. Sie weiß schließlich, von wem
sie bezahlt wird.
Gleich zu Beginn der Sendung nahm sie
Frau Weidel ins Visier, in der sie in aggressiv-süffisanten Ton die
AFD-Spitzenkandidatin mit einem Zitat konfrontierte, dass Frau Merkel eine
Extremismus-Kanzlerin sei. Die Vorwürfe gegen Merkel nimmt Frau Weidel hingegen
nicht zurück, begründete kurz und knapp ihre Meinung, wohl schon in der
vorauseilenden Annahme, nach wenigen Sätzen von der Moderatorin abgewürgt zu
werden. Drei Zuschauer wagten auf Weidels Einlassung zu klatschen und wurden sogleich
von Anne Will mit herablassendem Timbre in der Stimme verbal in ihre Schranken
verwiesen. „Sind wohl Ihre Anhänger“. Frau Weidel lächelte genüsslich und
schwieg. Sie kannte wohl das Konzept der Sendung, dass man stets einen
Prügelknaben einladen würde, um ihn – in diesem Falle „sie“ vorzuführen. Frau
Weidel zeigte moderat-überlegene Zurückhaltung, und das zeichnet sie wiederum
aus.
„Der Wahlkampf hat gerade erst
begonnen“, „Das Rennen ist offen“, tönte Oppermann, Martin Schulz sei „ein hoch
motivierter Kandidat.“ Nun ja, auch geistige Trauerfälle und intellektuell
Bedürftige können durchaus motiviert sein, wenngleich sie nur schwer einsehen,
dass es Wähler gibt, die mehr im Hirn haben und wissen, wen sie wählen werden.
Aber das war ja auch nicht das Thema. Allerdings bleibt erwähnenswert, dass
diese Anne, ob sie Will oder nicht, kaum in der Lage ist, eine Politsendung mit
Teilnehmen hinzukriegen, die ein TV-User noch ernst nimmt.
So klingen Oppermanns Durchhalteparolen
eher wie verzweifelte Vorstöße, um einem ausgewiesenen Looser wenigstens eine
gesichtswahrende Stellung in der SPD zu erhalten. Dann legte er mit einer
Botschaft ungeahnter Tragweite nach. 40% der Wähler seien noch nicht
entschieden, wohl in der Hoffnung, sie könnten alle SPD-Wähler sein. Hätte er
im Mathematikunterricht aufgepasst und sich in seinem Leben für die 4
Grundrechenarten interessiert, und verfügte er über eine einigermaßen
realistische Wahrnehmung, würde ihm aufgegangen sein, dass sich auch die 40%
auf 4 oder 5 Parteien verteilen. Anders ausgedrückt: Wenn ich allen Menschen 5
Zentimeter Absätze unter die Schuhe nagle, bleiben die Höhenunterschiede
gleich. Der Unterschied an Hirnmasse übrigens auch. Schon deshalb ist es
mühsam, einem Politiker heutzutage einen klaren Gedankengang abzuringen.
Und da weder Grüne noch Linke zu Wills
Werbesendung für die etablierten Parteien eingeladen waren, durfte Lindner den
bedeutsamen Satz formulieren: „Es ist noch nichts entschieden“. Dann beklagt er
noch einmal im Nebensatz, dass die Zustimmungswerte für Merkel den Wahlkampf
lähmen würden, vergisst aber hinzuzufügen, dass nicht etwa die Wähler schlafen,
sondern eher die Synapsen der Parteiführer paralysiert sind. Macht aber nichts,
solange der Oppermann nicht weiß, was er sagt, kann sich Schulz auf ihn
verlassen.
Und weil das Leitthema: Merkel oder
Merkel nichts hergibt, Frau Weidel implizit ein Redeverbot erteilt wurde und
Oppermann ohnehin nichts Substantielles beitragen kann, endete die Wills
Polit-Schwadronade im Abgas- und Eurostreit, der dazu angetan war, die
restlichen Zellen von Kauder, Oppermann und Lindner vollends einzunebeln. Hoch
lebe Anne Wills persönliche Fernsehdemokratie und Verblödung der TV-Konsumenten
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