Am 4. März wird in Italien gewählt und viele erwarten
einen Erdrutsch. Es kann durchaus sein, dass das Ergebnis zur Ohrfeige für
Europa wird. Wie von vielen Italienern befürchtet, von noch mehr Bürgern erwartet
und von der überwiegenden Anzahl Einheimischer im Mezzogiorno, Sizilien aber
auch in Mittelitalien erhofft: Berlusconi mischt im Wahlkampf ordentlich mit,
auch ohne Amt. Gestern zeigte er sich auf dem berühmten Markt in Palermo, dem
Ballarò. Dort wurde er gefeiert wie ein Heilsbringer, wie ein auferstandener
Erlöser.
Foto: Claudio Michele Mancini |
Italien ist gespalten und wie es scheint, gibt es in
der Bevölkerung derzeit kein anderes Thema als die Flüchtlingskrise. Sie
dominiert die Gespräche auf den Straßen, in den Bars, Ristoranti und die
Titelseiten der Presse. Der Tonfall im laufenden Wahlkampf hat sich dramatisch
verändert, zumal Silvio Berlusconi die Finger in eine klaffende Wunde legt.
Sizilien, die Hauptleidenden jener Entwicklung sind für seinen Slogan
empfänglich, ja dankbar: Migranten sind eine soziale Zeitbombe“. Er trifft
damit die Volksseele.
Wer da glaubt, Berlusconis Bemerkungen seien rassistischer Natur, der darf unserem ehemaligen Bundeskanzler Schmidt (SPD) Gleiches unterstellen. In seiner Rede zur Ausländerpolitik am 04.02.1982, also vor genau 36 Jahren, tickte bei uns nach seinen Worten eine "soziale Zeitbombe". Heute würde man hierzulande für diesen Hinweis von den Medien gesteinigt werden. Niemand sprach damals von einer Spaltung der Deutschen. Zwei Monate später setzte Schmidt in einer Debatte noch einen drauf, indem er massiv die Integrationsfähigkeit der Türken anzweifelte.
Die Gewalt in Macerata, bei der vor drei Wochen ein
Italiener auf Menschen mit dunkler Haut geschossen und dabei sechs Einwanderer
teils schwer verletzt hatte, kann man von sozialem Frieden nicht mehr reden. Dieser
Angriff glich dem berühmten Tropfen ins volle Fass. Spontan versprach
Berlusconi, 600.000 Migranten abzuschieben, sollte seine Wahlallianz aus
rechten Parteien an die Macht kommen. Das Bündnis, dem neben der konservativen
"Forza Italia" auch die rechtsextreme "Lega" und die
"Brüder Italiens" angehören, konnte daraufhin in den Umfragen seinen
Vorsprung leicht ausbauen.
Foto: Claudio Michele Mancini |
Doch zurück zum Mercato Ballarò, der exemplarisch für
die Stimmung in der ganzen Region steht. Bunte Markisen überspannen den Markt
und die Gassen wie Zeltdächer. Wie auf einem farbenfrohen Basar sind die
Straßenzüge mit Ständen und Geschäften durchzogen, die schon Goethe einst auf
seiner Reise nach Palermo beschrieben hatte. Hier im alten arabisch-jüdischen
Viertel, zwischen arabischen Viertel Albergheria, der Piazza Carmine und der
Piazza Ballarò drängen sich hunderte von Gemüseständen.
Jeder Winkel, jede noch so kleine Nische,
Kirchenportale, Ruinen, Treppenaufgänge und Hinterhöfe werden als
Verkaufsplätze genutzt. Es gibt Astratto di pomodoro, wilden Fenchel, Rosinen,
Pinoli, Chili und Olivenöl zu kaufen. An den Ständen bereiten Händler frischen
Polpo zu und servieren den Passanten würzigen Tintenfisch mit Zitrone. Für
Besucher oder Touristen wirkt der Ort pittoresk, lebendig und farbenfroh, sie
fühlen sich in eine fremde Welt versetzt. Die Sizilianer auch, nur auf eine
andere Weise. Die Massen an Flüchtlingen haben das Leben dort verändert.
Foto: Claudio Michele Mancini |
Doch nachts sollte sich dort niemand auf die Straße
wagen. Wenn die Gemüse- und Fischverkäufer ihre Marktstände abgebaut haben,
wird das Ballarò-Viertel zum Schauplatz krimineller Geschäfte. Drogen, Waffenhandel, Raubüberfälle und sogar Morde sind an der Tagesordnung. Markenfälschungen und Hehlerware werden hier en gros verkauft. Die
sizilianische Mafia mischt dabei kräftig mit. Und wehe, es mischt sich einer
der Fremden in ihre Geschäfte ein. Maghrebiner haben sich inzwischen zu gefährlichen
Banden und Clans zusammengeschlossen und machen auch den normalen Palermitern
das Leben schwer, zumal in den Häfen immer noch täglich mehr als 1.000 Menschen
aus Afrika anlanden.
Foto: Claudio Michele Mancini |
»Chi vive di speranza muore cantando«, so tönen die
zynischen Refrains der Mafia – „wer voller Hoffnung lebt, stirbt singend.“ Denn in Palermo, Siracua, Agrigento oder Catania hofft niemand mehr. Niemand will hier noch etwas von Europa wissen, keiner hat für Frau Merkel etwas übrig und selbst der Bürgermeister kann der Entwicklung in seiner Stadt kaum etwas entgegensetzen. Silvio
Berlusconi, Medienmogul und viermaliger Premierminister des Landes, darf zwar nach
einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung nicht wieder kandidieren. Trotzdem
blieb er der Vorsitzende der von ihm gegründeten Partei "Forza
Italia", für die er aktuell die Werbetrommel rührt. Und die Süditaliener
setzen auf ihn, sie werden am 4. März Berlusconis Partei wählen, die „Forza
Italia“.
Foto: Claudio Michele Mancini |
Unter den Verkäufern des Ballarò-Marktes kommt Silvio
Berlusconis Rückkehr und dessen Ankündigungen gut an. "Als Silvio an der
Macht war, lief es besser.“, so die einhellige Meinung auf der Straße. „Da gab
es mehr Arbeit", sagt einer der Verkäufer. "Berlusconi wird uns
retten. Ich stimme sicher für ihn. Wer schon genug hat, der stiehlt weniger,
wenn Sie verstehen, was ich meine."
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