Direkt zum Hauptbereich

Geht das gesamte VW-Management in Knast?

In Wolfsburg ist seit heute Feuer unter der Hütte. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat heute gegen die zwei Vorstände Herbert Diess und den Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sowie gegen den EX-Konzernchef Martin Winterkorn Anklage wegen vorsätzlicher Marktmanipulation erhoben.


Was gerade als relativ dünnlippige Nachricht über die Ticker rast, hat das Zeug, ein gewaltiges Beben in Wolfsburg auszulösen. Im Augenblick befindet sich der gesamte VW-Vorstand mitsamt dem Aufsichtsrat in einer Klausur. Dringlichkeitssitzung vom Allerfeinsten. Die Staatsanwälte werfen den Autobauern vor, den Kapitalmarkt vorsätzlich zu spät über die Zahlungsverpflichtungen des Konzerns informiert zu haben. Im Klartext, hinter der offiziellen Mitteilung der Ankläger steckt der VW-Dieselskandal. Anklagepunkte: Markmanipulation einschließlich Betrug, Insidergeschäfte und Untreue.

Gegen König Winterkorn wird deshalb schon seit zwei Jahren ermittelt. Doch nun geht es den Kollegen an den Kragen. Zurück zur Entwicklung: Die Geschäfte des VW-Konzern liefen blendend, indem man die Käufer mit vollmundigen Werbungkampagnen in watteweiches Umweltfeeling einwickelte. Dieselmotoren stoßen pro Kilometer weniger klimaschädliches Kohlenstoffdioxyd aus als ihre Benzinkumpels. Die Botschaft also lautete: braucht weniger Sprit, ist sauberer, hält länger. Und weil der Deutsche sich nun einmal gerne Empfehlungen seriöser Stimmen hält, kaufte er mit glaubensfreudigem Enthusiasmus neue Dreckschleudern.

Die Behauptung der VW-Manager allerdings stimmte – wie wir seit 2015 wissen – aber eben nur solange die Fahrzeuge auf dem Prüfstand getestet wurden. Ich fürchte, so ähnlich wird es uns auch mit dem Klima gehen, aber das ginge jetzt am Thema vorbei. Zurück zu Martin, dem Vorstand aller Vorstände. Bei Angela Merkel ging er ein und aus, gab die Richtung vor, wenn es um die Gestaltung unliebsamer Gesetze hinsichtlich fragwürdiger Technik ging. Winterkorn nutzte mit Verve, machtvollem Nachdruck und ohne Rücksicht auf Verwandte alle Privilegien, die ein Mann in seiner Position durchsetzen konnte. Knochenhart und rücksichtslos, wenngleich mit höflichem Umgangston. Wer wollte diesem Mann mit der Allmachts-Attitüde die Stirn bieten?

Der Einzige, der sich gegen den Vorstandsvorsitzenden stellte, war Ferdinand Piech. Im Jahr 2015 kam es zum Showdown, bei dem Winterkorn nur scheinbar die Oberhand behielt. Doch wer dem alten Haudegen Piech damals ans Bein pinkelt, hatte auf Sicht gesehen nichts zu lachen. Piech zog sich zwar aus dem aktiven Geschäft zurück, sicherte aber sein Vermögen und man darf davon ausgehen, dass die Trennung zwischen den beiden einen tieferen Grund hatte, nämlich den, worüber der Staatsanwalt mit Winterkorn bis auf weiteres im Gerichtssaal zu reden hat. Und nicht nur mit ihm.

Im Juli 2015 wurde, wie man heute weiß, bei einem Treffen in der Wolfsburger Konzernzentrale im Beisein von Winterkorn und seinen Vorstandskollegen über mögliche Konsequenzen beraten. Schließlich habe man vorgeschlagen, die Abschalteinrichtung in VW-Modellen nicht offenzulegen. Winterkorn hat diesem Vorgehen zugestimmt. Wer alles damals am Konferenztisch saß, ist der Staatsanwaltschaft nunmehr bekannt. Mich allerdings würde es nicht wundern, wenn auch der damalige Ministerpräsident Niedersachsens und Mitglied des Aufsichtsrates bei VW Stephan Weil ebenfalls bestens informiert war. In wie weit auch das Bundesministerium für Verkehr und Digitales eingebunden oder gar aktiv mitgewirkt hat, wird vermutlich niemals geklärt werden. Aber das kennt der deutsche Bürger zur Genüge.

Dem Vernehmen nach hatte der Porsche-Erbe Piech gekocht, als er die Konzernzentrale verließ. Vermutlich ging es am „runden Tisch“ im Konferenzsaal um die Abgasabschaltungen, die Piech nicht mittragen wollte. Es wurde es ruhig um ihn, ein sicheres Zeichen, dass in Piechs Villa die Telefondrähte glühten. Kurz nach dem spektakulären Ausscheiden von Ferdinand, dem Unnachgiebigen, begannen in den USA die Ermittlungen in Sachen Diesel und der massenhafte Betrug flog auf. Ein Schelm, der etwas Böses denkt. Doch wenn man die Geschichte heute aufrollt, dürfte ziemlich sicher sein, dass Ferdinand Piech an Winterkorns Schafott bastelte. Dass nun auch Herbert Diess und der Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch in den Strudel gerissen werden, klingt wie eine Rache aus drei Meter tiefe heraus.

Geständige Zungen ehemaliger Manager, die in den USA zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, berichteten hinter vorgehaltener Hand, dass Ferdinand ein paar unschöne Details der amerikanischen Justiz hat zukommen lassen. Seine exzellenten Kontakte zu hochrangigen Politikern in den USA sprechen für sich. Ein Telefonat hier, ein Gespräch unter Freunden in einer Hotellobby dort, und schon begann das Räderwerk zu laufen.

Erst machte die US-Justiz dem Allmächtigen Vorstand Martin den Garaus und beantragte Haftbefehl gegen diverse VW-Manager. Während sich alle Medien mit der Sensationsnachricht geradezu überschlugen, dass Winterkorn nur noch in Deutschland „urlauben“ durfte, weil er ansonsten Gefahr gelaufen wäre, am Strand von Waikiki oder auf den Seychellen verhaftet und ausgeliefert zu werden, ist der Blick auf Ursache und Wirkung besonders heute weitaus interessanter.

Für den ausgebufften Techniker Winterkorn, der, wie Insider wissen, jedes Schräubchen und jede Schweißnaht seiner Autos kannte, für ihn wird es genauso eng, wie jetzt für seine Kollegen, Denn sie saßen damals mit am Tisch, als man Piech entsorgte. Kurze Zeit später warf die amerikanische Staatsanwaltschaft Winterkorn Verschwörung zur Täuschung der Behörden bei den Diesel-Abgasen vor und leitete entsprechende Beweise an die Braunschweiger Staatsanwaltschaft weiter. Man darf mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass die Herren am Tisch allesamt genau Bescheid wussten, was es mit ihren hochgelobten Dieselmotoren auf sich hatte.

Zurück zu Piech und Winterkorn. Der Zeitpunkt des Elefantentreffens September 2015, an dem Piech seinem Vorstandsvorsitzenden den Mittelfinger zeigte, markiert auch das Datum, zu dem Ferdinand Piech mit Mehrheitsbeschluss und vor allem auf Betreiben Martin Winterkorns aus dem Konzern gedrängt wurde. Es ist aber auch genau das Datum, um das es in der Anklageschrift gehen wird. Denn auch die Herren Diess und Pötsch beteiligten sich damals am Rauswurf des Patriarchen.

Dass der Vorgänge von Diess, Matthias Müller das Handtuch nach zwei Jahren aufgrund eines völlig zerrüttenden Verhältnisses zwischen ihm und dem Aufsichtsrat, so die offizielle Version. Wollte Müller die Machenschaften seiner Kollegen nicht weiter decken? Oder gar die Karten auf den Tisch legen? Die Gründe für dessen Abschied bei VW liegen bis heute im Dunkeln. Haben die Staatsanwaltschaft späte Infos erhalten, nachdem sich die Wellen gelegt hatten? Immerhin war Müller in Intimus von Piech. Rache ist bekanntlich ein Gericht, was am besten kalt serviert wird.

Kommentare

  1. Wo hat VW eigentlich wirklich betrogen? Das bischen Software ist doch kein echter Betrug. Wenn man so will hat die Autoindustrie, weltweit, schon immer betrogen.

    Dieses ist ein einziger Angriff auf die Deutsche Industrie. Besonders auf VW, denn wer hat den Käfer erfunden!

    Unsere sauberen VW-Diesel könnte man in Shanghai zur Luftreinhaltung einsetzen.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

ich freue mich auf jeden Kommentar

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Duell – Höcke auf der medialen Schlachtbank

Wenn bis jetzt den weniger politisch interessierten TV-Konsumenten noch nicht klar war, mit welchen pervertierten Formaten unliebsame Persönlichkeiten auf die Schlachtbank geführt werden, um sie mit Hilfe halbgarer Haltungsmoderatoren zu filetieren, durfte gestern um 20 Uhr 15 sein „deja vue“ erlebt haben. Das Ziel seines politischen Gegenspielers Mario Voigt, den Vorsitzenden des Thüringer Landtages Björn Höcke noch rechtzeitig vor den Landtagswahlen vollkommen zu diskreditieren, scheiterte kläglich. Schließlich schwebt das "35 Prozent-Damoklesschwert" der AfD wie die Hiob'sche Heimsuchung über den Köpfen der Medienmacher und der Altparteien.  Da vermochten auch die beiden auf Krawall gebürsteten konformistischen TV-Ideologen Tatjana Ohm und Jan Philipp Burgard dem Ganzen nicht einmal ansatzweise ein angemessenes Niveau verleihen. Faire und unparteiische Moderation sieht anders aus. Ohm und Burgard legten sich mit ambitioniertem Engagement ins Zeug, dem nichtssagenen B

Baerbocks Tagesthemen-Interviews in Zukunft nur noch mit Untertitel?

Nein, wir haben keine Außenministerin, Deutschland hat einen kosmetisch optimierten Bundessprachfehler. Wenn Annalena nicht nur zum TV-affinen Publikum spricht, sondern auch qualifizierten Pressevertretern Fragen kompetent und fachkundig beantwortet, können selbst hartgesottene Zuschauer intellektuell kaum noch folgen. In ihrem gestrigen „Tagesthemen“-Interview sorgte unsere Sprach-Influencerin in den Netzwerken für maximale Irritationen. Da jagte eine unverständliche Wortschöpfung die nächste, gefolgt von aufsehenerregenden Neologismen, eingebettet in verquaste Sätze, deren Sinn sich allenfalls eingeweihten Linguistikern oder erfahrenen Logipäden erschloss.  So mancher politikbeflissene Zuschauer auf dem heimischen Sofa musste nach der Sendung ratlos zurückbleiben, betrat Annalena doch beherzt und entschlossen linguistisches Neuland. Selbst in den sozialen Netzwerken herrschte in weiten Teilen Verwirrung, die sich in Tausenden Kommentaren bei "X", "Facebook" und

…und immer lockt das Weib! Was man bei Statistiken beachten sollte.

Gerade bin ich auf eine Erhebung der Universität of California in Berkeley gestoßen, die meine ungeteilte Aufmerksamkeit fand. Eine Professorin am Lehrstuhl für vergleichende Sexualforschung hat ihre neuesten Ergebnisse präsentiert.  Die Dame hat offenkundig länderübergreifende Untersuchungen hinsichtlich des Balzverhaltens und die erzielten Erfolge, insbesondere bei den Männern und deren Vorlieben angestellt.   Nun will ich nicht jedes Detail der Ergebnisse aufgreifen, nichtsdestoweniger scheinen mir ein paar bemerkenswerte Passagen doch ein wenig fragwürdig. Ich wills kurz machen: Nach den statistischen Erhebungen von Professorin Ann McCormick haben Italiener im Schnitt 146-mal im Jahr Sex, also umgerechnet knapp 3-mal pro Woche.  Damit stehen die Südländer im internationalen Vergleich an Platz eins. Eine durchaus akzeptable Quote, wie ich meine und die ich jederzeit bestätigen kann. Demgegenüber steht das erschütternde Resultat eines Landes jenseits der Alpenkette, was mich dazu