Um den Karriereweg in der Politik zu begreifen, bedarf es einer genaueren Betrachtung und eines
analytischen Blicks hinter die Kulissen. Die Mitgliedschaft in einer
Partei mit ihren privilegierten Rahmenbedingungen und außerordentlichen
Perspektiven bedingen bei jungen Polit-Aspiranten eine diffuse Motivlage, eine massive Aversion gegen ein geregeltes Arbeitsleben und flexible Charaktermerkmale.
Schauen wir uns zunächst die Parteien, ihre
Interessen und Ziele an, die frei von jeder politischen Ausrichtung im Großen
und Ganzen die gleichen sind. Faktisch und real sind sie ausschließlich auf
Machterwerb und Machterhalt ausgerichtet, genau wie deren neuen Parteianhänger,
die aus einer schlichten Mitgliedschaft eine ihr Leben beherrschende
Politikerrolle anstreben. Immerhin unterstelle ich dem unverdorbenen Partei-Eleven
keine niederen Motive, denn seine Hoffnung, politisch etwas verändern zu können,
ist noch jungfräulich.
Das Hineinwachsen in ein politisches Amt setzt weder
besondere Intelligenz oder Kompetenz noch solides Sachwissen oder gar
Berufserfahrung voraus. Die Partei ist vielmehr ein Sammelbecken von Menschen,
für die verantwortliche Funktionen, Titel und Karrieren im Berufsleben mangels lebhafter Synapsen gar nicht oder nur schwer erreichbar sind.
Im Prinzip finden sich „Gesinnungsmitglieder“ zusammen, die in der
Zugehörigkeit einer Gruppe Geborgenheit, Akzeptanz und auch Toleranz erfahren,
ohne gleichzeitig einer Leistungskontrolle unterworfen zu sein.
Dort fühlt man sich vordergründig aufgehoben und
verstanden. Die in Parteien vorherrschende, innere Kumpaneien-Systematik und
anbiedernde Netzwerkarbeit tut das ihre. Bar jeder Ethik oder Moral gilt das
Motto: Hilfst du mir, helfe ich dir. Es ist eine gängige Methode, sich beliebt
zu machen und dabei auf Unterstützung zu hoffen, die man selbst beim anderen
natürlich niemals einlösen wird. Hilfreich für jugendliche Polit-Hosenscheißer können auch übergroße Brillen und altkluges Geschwätz sein, wenngleich ein Wähler alles tun würde, solchen Figuren aus dem Weg zu gehen.
Man muss eine Menge Kreide fressen, bevor Aussicht
auf die Erlangung eines Listenplatzes besteht. Ab dann wird es ernst, denn bald
zeichnet sich ab, dass man ohne die Fähigkeiten wie Heimtücke, Hinterhältigkeit
und Verschlagenheit nicht weiterkommt. Sie sind notwendige Grundlagen, um den
Parteifreund beim Vorwärtskommen zu hindern und sich selbst in Stellung zu
bringen. Doch unethische Attribute und hinterhältiges Mobbing reichen bei
weitem nicht, um beim beschwerlichen Sprung in die Landesliste auch einen der
oberen Plätze zu erringen. Den Beweis haben für alle ambitionierten Nachrücker
schon vor Jahren Claudia Roth, Anton Hofreiter oder auch Frau Göring-Eckart
erbracht.
Schon während dieser Zeit werden die Aspiranten fürs
Karriere-Trampolin monatlich mit 200 bis 300 Euro zur Kasse gebeten. Und damit
die Parteien sich mit dieser Zwangsabgabe nicht in den Fallstricken der
Finanzbehörden verheddern, hat das Kind auch einen unverfänglichen Namen:
Aktiver Wahlkampfbeitrag. Da nimmt man auch mal ein gefälschtes Abiturzeugnis,
einen unzulässigen akademischen Grad oder einen getunten Lebenslauf in Kauf.
Eintrittsgelder dagegen sind willkommen. Und wenn so ein schlichter
Polit-Parvenu genügend Kollegen und Parteifreunde vor die Wand hat laufen
lassen, darf er dabei helfen, das Volk zu regieren. Essentiell ist die Berufung und der Mut, über Themen zu referieren, von denen man nie zuvor gehört und absolut keine Ahnung hat.
Ganz anders in der normalen Arbeitswelt, in der
entwickelte Fähigkeiten, Leistungsnachweise und Konkurrenz den Alltag
bestimmen. Die politische Gruppe bietet also Schutz und Gegenwehr und damit
auch Sicherheit. Der gemeinsame Feind ist die Welt außerhalb der Gruppe bzw.
der gegnerischen Partei. Den Blick nach oben gerichtet winkt ein
korrumpierendes Versorgungssystem für Spitzenpolitiker und übt naturgemäß eine
maximale Anziehungskraft aus, zumal immer wieder Mitglieder aus eigenen Reihen
in den parteiinternen Hierarchien aufsteigen.
Nur wer raffiniert genug ist, und nur, wer mit
größter Scheinheiligkeit missliebigen Mitbewerbern das gewetzte Messer in den Rücken rammt, wird es weit bringen, das begreift selbst der unterirdischste
Geist im Umgang mit Parteifreunden. Auch beim schlichtesten Gemüt werden
hinterfotzige Diffamierungen und intrigante Heuchelei zur zweiten Natur und er
begreift, dass damit die Wege nach oben frei werden, solange man sich den
kollektiven Parteiinteressen unterordnet. Moderne Parteien ähneln also
Franchise-Unternehmen, in denen die entsprechende Programmatik übernommen wird,
weil sie notwendigerweise vorgegeben ist. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob
sie mit den eigenen Überzeugungen tatsächlich übereinstimmt. Parteiintern nennt
man solche unsicheren Partei-Kandidaten linke oder rechte Flügel. Hört sich gut
an und entschuldigt gleichzeitig Widersprüche. Trotzdem, kostenlos ist das
alles nicht.
Übersetzt heißt das: Hat man sich im Spiel
innerparteilicher Täuschungsmanöver und des gegenseitigen Ausbremsens bewiesen
und mit seinem „diplomatischen“ Geschick das Sprungbrett in eine gesicherte
Rentenzukunft erreicht, wird’s teuer. Dann heißt es, das Sparkonto plündern
oder im Zweifelsfall die liquide Verwandtschaft anzupumpen. Um für den Landtag
aufgestellt zu werden, werden zwischen 3.000 und 5.000 Euro fällig,
gleichgültig welche Partei. Ein Grüner könnte sofort zu den Schwarzen wechseln,
die Bedingungen sind die gleichen und er müsste sich kaum umstellen.
Dabei spielt es keine Rolle, ob das angestrebte Ziel
in den Landtag gewählt zu werden, auch erwünschten Erfolg hat. Selbst wenn, gibt es zwischen einem Karriereschritt in den Landtag und dem
Teppichhandel in Izmir kaum einen Unterschied und ist mit einem Deal unter guten
Freunden zu vergleichen. Denn mit dem Mandat sind mit einem gewissen
Automatismus lukrative Aufsichtsratsmandate verbunden, deren Einkünfte mit
mindestens 10% an die Partei dauerhaft zurückgeführt werden müssen. Jeder, der
sich für eine Mitgliedschaft in einer Partei interessiert, weiß das. Insofern
spielt es auch keine Rolle, wie hoch der Grad eigener Verblödung ist oder
welche innere gesellschaftliche oder parteipolitische Haltung man einnimmt. Im
Zweifelsfall keine.
Jetzt, da einer der wichtigen Schritte getan ist,
will der ehrgeizige Pateizögling auf dem halben Weg zur Glückseligkeit nicht
einfach seine Bemühungen einstellen. Verständlicherweise. Die Verlockung hat
einen Namen. MDB! Mitglied des Bundestages. Auch diese Mitgliedschaft muss man
erwerben. Möglicherweise kann der Aspirant, - ob Genosse oder Christ - sofern
er denn auf der Leiter der Listenplätze die Letzte Sprosse erklommen hat, auf
die reiche Erbtante zurückgreifen.
Ab 15.000 Euro Wahlkampfbeitrag kommt ein eloquenter
Worthülsen-Artist in den Genuss, in Zukunft mit den großen Hunden pinkeln gehen
zu dürfen, auch wenn er das Bein noch nicht so hochheben kann wie ein
etablierter Leitwolf. Der nämlich hat bereits seine Lobbyisten, die ihm den
Betrag ersetzen. Dem politischen Newcomer dagegen winken mit einer solchen
Eintrittskarte stämmige Eichen – genannt Diäten und Rentenansprüche. Massive
Aufsichtsratspfosten am Wegesrand nicht mitgerechnet. Deutsche Gerichte haben
diese Art von Deals zwar längst verboten. Nutzt aber nichts, denn wer nicht
zahlt, wird auch nicht aufgestellt.
Der Run auf Rente und Versorgung hat begonnen. 7.500
Euro monatliche Zuwendungen winken für Büro für Arbeitsaufwendungen. Dieser
Betrag wird als Basis für zukünftige Rentenansprüche einbezogen und sorgt somit
für eine sorglose Zukunftsperspektive, egal wie schlicht der neue Politik-Dödel
gestrickt ist. Kein deutscher Unternehmer könnte seine Bürokosten für seine
Geschäftstätigkeit in die Rentenberechnung einbeziehen. Nun ja, ich kann‘s ja
verstehen, ich würde die Investition in meinen Schreibtisch auch gerne
verrentet sehen. Was tut man nicht alles für ein Wassergrundstück in bester
Lage und eine sichere Zukunft. So dumm kann niemand sein, allerlei
Unwägbarkeiten im Zuge seiner Karriere in Kauf zu nehmen, auch wenn es mit
eigener politischer Überzeugung nichts mehr zu tun hat.
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