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Wir haben jetzt einen Covid-Notschutzschalter

Unsere Minister sind so gut zu uns. Sie haben aufgrund der exponentiell anwachsenden Covid-Inzidenzen unter Geimpften, Ungeimpften, Genesenen und selbstredend auch für symptomlose Kranke eigens einen Notschutzschalter installiert. Den hat eine deutsche Expertengruppe erfunden und gestern montagefertig an die Regierenden übergeben.

 


Die wissenschaftliche Grundlagen der bahnbrechenden Neuerung, wie auch die Wissenschaftler selbst, wurden ausschließlich mit Bundesmitteln finanziert, um das Vertrauen in die Neuerung und auch die Seriosität der Wirkungsweise sicherzustellen. An dem Entwicklungsprogramm waren beteiligt: Die Virologinnen Sandra Ciesek und Ulrike Protzer, Epidemiologin Eva Grill, Immunologe Carsten Watzl, Intensivmediziner Christian Karagiannidis und der Soziologe Armin Nassehi.

Federführend für die Neuentwicklung – auch Notaus genannt – die Physikerin Viola Priesemann, deren mathematische Fachkompetenz von führenden Medizinern wie Karl Lauterbach oder Jens Spahn hochgeschätzt ist. Priesemann hat sich in vielen Talkshows mit ihren Covid-Modellrechnungen und den damit verbundenen Weltuntergangsprognosen und optimalen Durchseuchungsszenarien einen guten Namen gemacht. Vor allem bei den Sendungen wie Anne Will oder auch Markus Lanz war sie ein gern gesehener Gast.

Ähnlich wie bei der beliebten Fernsehsendung DSDS mit Dieter Bohlen hat nun in den Bundesländern jeder Ministerpräsident einen roten Botten auf dem Schreibtisch, den er im äußersten Corona-Notfall sofort betätigen kann. Selbst der tattrige US-Präsident Biden verfügt über einen solchen roten Knopf, den er bei einer eventuellen, atomaren Bedrohung sofort betätigen kann. Was einem Dieter Bohlen und einem amerikanischen Präsidenten recht ist, muss auch einem deutschen Minister billig sein.

Mit einem beherzten Schlag auf den Schalter kann nun auch er, sofern sein Bundeslandes betroffen ist, ein ganzes Maßnahmenbündel auslösen. Home-Office und engmaschige Testpflicht am Arbeitsplatz, verkleinerte Gruppen in Kindergärten und Schulen, Schließung von Geschäften, Restaurants, Dienstleistungen und Veranstaltungen, generell deutliches Reduzieren von Kontakten in der Arbeitswelt, der Öffentlichkeit und im Privaten.

Noch vor wenigen Tagen hieß der Notschutzschalter „Lockdown“, der bei den Verantwortlichen in den Staatskanzleien immer unbeliebter wurde. Betroffene Bürger haben den Begriff mental zu sehr mit persönlichen Einschränkungen und Nachteilen verbunden. Der Notschutzschalter soll den Bürgern jetzt das positive Gefühl der Sicherheit vermitteln, im Fall einer maximalen Gefährdung vom Ministerpräsidenten persönlich gerettet zu werden. Glücklicherweise ist dieser Fall trotz der höchsten Inzidenz, die Deutschland bislang je verzeichnet hat, noch nicht eingetreten, wie wir gestern in Köln zum Beginn des Karnevals beobachten konnten.

Man habe die Massen unter Corona-Gesichtspunkten im Griff, so versicherten die Veranstalter. ZITAT: „Die Bereiche in der Altstadt, dem Zülpicher Viertel und an den Uniwiesen bieten Schutz gegen das Virus.“ Dafür sorgten auch augenscheinlich hohe Zäune, Absperrgitter und Kontrollen durch Sicherheitsdienste. Um sie zu betreten, mussten die Feiernden am Eingang nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind. Nicht nur die Viren, auch Gesunde hatten keinen Zutritt, was die Risiken deutlich verminderte. Damit wollte die Stadt in der Pandemie zumindest für ein gewisses Maß an Sicherheit für die Jecken sorgen.

Ich wills mal so sagen: Hätte am 11. 11. auf dem Heumarkt eine Demo gegen die Einschränkung von Grundrechten in ähnlicher Form stattgefunden, würde die Polizei mit 12 Hundertschaften, Wasserwerfer, Hundestaffeln und Pfefferspray dem Treiben sofort ein Ende gesetzt haben. Nun ja, nicht nur ein Virus kann genau unterscheiden, wann es ernst wird, sondern auch die Regierung, ein Minister und sogar ein Oberbürgermeister.


Doch zurück zum Notschutzschalter. Priesemann erläuterte am Donnerstag seine Funktion. Überlastungen der Krankenhäuser und Kollateralschäden könne man präventiv auch dadurch eindämmen, indem man für Kinder und Jugendliche zusätzlich 2 Wochen Schulferien festlege. Sie würden den Intensivstationen wieder Luft verschaffen, obwohl man während der seit 2 Jahren andauernden Pandemie etwa 6.000 Intensivbetten abgebaut und Tausende Pflegekräfte wegen zu geringer Löhne und Arbeitsanforderungen vergrault habe.

Wie Statista errechnete, fehlen in Deutschlands medizinischen Einrichtungen und Altenheimen derzeit etwa 300.000 ausgebildete Pfleger. Dennoch sorgte sich die Regierung um einige Tausend rumänische Corona-Intensiv-Patienten, die man aus humanitären Erwägungen eingeflogen und jetzt in unsere überlasteten Krankenhäuser verlegt hat. Das RKI hat spontan die damit importierten Covid-Zahlen an eigene Statitiken angepasst und die rumänischen Notfälle in die neuesten Inzidenzwerte der Genauigkeit wegen einbezogen. Damit werden natürlich für Deutschland höhere Todesfälle und schwere Verläufe ausgewiesen, aber damit wird man leben können. Doch der neue Notfallplan hat eine weitere, nicht unwesentliche Komponente, die uns Hoffnung geben soll.

Priesemann sagte, sie hoffe, dass die Impf- und Boosterkampagne ausreichend Fahrt aufnehme, um die vierte Welle in den Griff zu bekommen. Sinnvoll wäre dem Papier zufolge ein Tempo wie im Frühsommer, als circa sieben Prozent der Bevölkerung pro Woche zweitgeimpft worden seien. Simulationen zeigten, dass eine Auffrisch-Impfkampagne mit dieser Geschwindigkeit nach einem Monat erste Wirkung zeigen werde. Wir dürfen also hoffnungsvoll in die Zukunft blicken, weil nach diesem Plan für Impfdurchbrüche, ein höherer Verbreitungsgrad gesorgt ist.

Nun ist der Terminus Impfdurchbruch ein wenig verzerrend, klingt er doch er nach einem massiven Angriff von Flüchtlingen an einer Schwachstelle eines Grenzzaunes in Polen. In Wahrheit handelt es sich um ein Impfversagen, also um eine ungeeignete Abwehrmaßnahme, ganz so, als wolle man Fußpilz mit Vitamin C behandeln.

Auch der Virologe Christian Drosten meldete sich zu Wort. Die Verhaltensregeln und die 2G/3G-Beschränkungen werden nicht ausreichen. Er sagte am Donnerstag in einem Interview bei der Wochenzeitung „Die Zeit“: „Ich halte es für sicher, dass man kontakteinschränkende Maßnahmen braucht.“ Ob damit Isolationshaft, Einzelhaft, Wohnhaft in den eignen vier Wänden oder Sippenhaft gemeint ist, darauf wollte er nicht näher eingehen.

Bei den Corona-Fallzahlen werden derzeit Höchstwerte erreicht: Am Donnerstag wurden binnen eines Tages rund 50.000 Neuinfektionen gemeldet, die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 263. Der Anstieg der Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen setzte sich auf mehr als 2800 fort, ausgelöst von einer renitenten Kleingruppe unbelehrbarer Impfverweigerer. 

Karl Lauterbach findet für die dynamische Zunahme der Inzidenen klare Worte und eine plausible Erklärung. Er habe schon immer davor gewarnt, sich in Innenräumen aufzuhalten, weil dort die Gefahr der Ansteckung besonders groß sei. Aber viel zu Viele seien einfach nach der Arbeit, Dienstschluss oder dem Kneipenbesuch nach Hause in ihre Wohnungen gegangen. Da müsse man sich nicht wundern, wenn es zu solchen Enwicklungen käme.

Nichtsdestoweniger ist es logisch, dass sich Regierung und Gesundheitsministerien weiterhin strikt weigern, die Anzahl der Intensivbetten wieder auf den Vor-Corona-Stand zu bringen und die 400 Krankenhäuser, die man in den letzten zwei Jahren geschlossen hat, wieder zu aktivieren. Auch eine die bessere Bezahlung von Pflegekräften stößt auf massiven Widerstand der Verantwortlichen. Kostet ja auch alles ein Haufen Geld.

 

 

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