München entlässt den Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker Walerij Gergijew fristlos, weil er sich nicht „ordnungsgemäß“ von Wladimir Putin distanziert hat. Das berichtet das ZDF. Und weil man in Bayern immer gleich Nägel mit Köpfen macht, hat man auch gleich die russische Opernsängerin Anna Netrebko an die frische Luft gesetzt, wie gerade „ntv“ verlautbaren lässt.
Vielleicht sollte man diesem Herrn Söder vorschlagen, Fjodor Dostojewski, Alexander Puschkin, Leo Tolstoi und Anton Tschechow aus sämtlichen Buchhandlungen und Bibliotheken Deutschlands verbannen. Selbstredend könnte man über die gesamte singende Opernmischpoke wie Galina Wischnewskaja, Jelena Obraszowa, Igor Morosow und Dmitrij Chworostowskij ein weltweites Sing- und Auftrittsverbot verhängen. Darf ich ab sofort die Nussknackersuite von Tschaikowsky nicht mehr anhören? Und was ist mit Boris Godunow? Steht der jetzt auch auf dem Index?
Angesichts solcher Entwicklungen in Deutschland muss man sich ernsthaft fragen, ob diese überempörten Pseudo-Humanisten noch alle Kekse in der Dose haben. Ach, ich vergaß..., für moralische Überlegenheit gibt es ja neuerdings Applaus. Ausgerenzung ist die neue Solidarität. Da heißt es: Dabei sein ist alles.
Weshalb kommt eigentlich keiner auf die Idee, McDonalds, Burger King oder Kentucky Fried Chicken aus den deutschen Innenstädten zu verbannen, sind sie doch seit Jahrzenhnten für die Verfettung unserer Jugendlichen hauptverantwortlich? Abgesehen davon – nein, – ich weigere mich, diese Buden "Restaurants" zu nennen -, verursachen diese Nahrungsmittelvergewaltiger insofern einen dauerhaften, volkswirtschaftlichen Schaden, als dass unsere Krankenkassen für übergewichtige Vielfresser für spätere Behandlungskosten aufkommen müssen.
Wenn BMW oder Volvo erklären, ihre Produktion in Russland herunterzufahren, mag das auch dadurch zu erklären sein, weil die Zulieferbetriebe keine Teile mehr liefern. Das kann man glauben oder auch nicht. Aber wenn plötzlich die Supermärkte russischen Vodka aus den Regalen verbannen, ist das an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten. Der Bayerische Rundfunk – wer sonst – verkündete gerade, dass deutsche Händler russische Waren aus dem Sortiment nehmen. Selbst COOP, Netto, EDEKA, REWE und Aldi schließen sich dem Boykott an und verzichten auf russische Produkte.
Ich wills ja nicht auf die Spitze treiben, aber von nun an können die in Deutschland lebenden Russen, die ihren Präsidenten am liebsten hinterrücks meucheln würden, sich anschließend nicht einmal mehr richtig besaufen. Und weil unsere ach so humanen und lupenrein moralischen, deutschen Unternehmer und Verbände es diesem Putin alle mal so richtig zeigen wollen, wird nun die ukrainische Flagge gehisst. Sogar der Fußballverband FIFA lässt es sich nicht nehmen, Putin die rote Karte zu zeigen. Ein russischer Fußballer in einem deutschen Bundesligaverein hat zurzeit verdammt schlechte Karten, wenn er Putin nicht mindestens einen Verbrecher nennt und ihn öffentlich verurteilt.
Man kann es kaum glauben, dass ausgerechnet die FIFA mitsamt ihrem höchst fragwürdigen Chef Gianni Infantino aus „moralischen Gründen“ den Vereinen das Kicken mit russischen Fußballern verbieten will. Nun ja, ich will nicht hetzten, wenn sich der ehemalige Schalker Finanzchef eine eigene Meinung bildet und meint: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeiner derzeit ein Spiel gegen eine russische Mannschaft spielen kann.“ Ich wills mal so sagen: Können täten sie schon. Nur dürfen täten sie nicht.
Dass Schalke 04 die Trikots des Gasprom-Sponsors ausmustert, wundert nicht. Dann aber ist auch das schöne Geld futsch. Die FIFA jedoch hat kein Problem damit, die Fußballweltmeisterschaft in Quatar abzuhalten. Olympia in China war schließlich auch sehr schön. Man kriegt die Motten, wenn man hört, dass auch in England eine Art Solidaritätsseuche ausgebrochen ist. Dort ist die Diskussion darüber entbrannt, ob man angesichts des russischen Einmarsches in der Ukraine den Oligarchen wie den 55-Jährigen Abramowitsch enteignen sollte. Es ist geradezu faszinierend, wenn sich plötzlich alle Welt an eigene Werte erinnert, obwohl man sie jahrelang vorher der eigenen Geldvermehrung und Marktgewinnung geopfert hat.
All jene, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit ihre Solidarität mit „Je suis hebdo“ bekundet haben und heute mit „je suis Ukraine“ auf sich aufmerksam machen, bedienen sich lediglich einer völlig wertfreien Floskel, um auf sich aufmerksam zu machen. Und wer nicht die auf Stromlinie getunten Moralfloskeln bei jeder Gelegenheit öffentlich bekundet, wird genauso energisch niedergemacht, wie ein Maskenverweigerer und Covidkritiker.
Wer da alles auf einmal seine innere Moral entdeckt, und seine Solidarität werbewirksam in Mikrophone und Kameras blökt, überrascht nahezu jeden, der noch in der Lage ist, einigermaßen zu differenzieren. Es ist ja durchaus richtig, wenn Politiker sich klar äußern, ihre Standpunkte vertreten und Staatssanktionen als Druckmittel für die schnelle Beendigung eines menschenverachtenden Krieges einsetzen. Wenn aber ein Herr Vettel, ein mehr oder weniger erfolgreicher Rennfahrer erklärt, mit seinem Formel Eins-Bolliden keine Runden mehr in Sotschi drehen zu wollen, ist das sein ganz persönlich gewählter Gottesdienst. Nicht mehr, nicht weniger. Er könnte aber genau so gut die Klappe halten.
Würden all diese telegen und mediengeil auftretenden Persönlichkeiten mit ernst zu nehmenden und ganz praktisdchen Hilfsangeboten Kriegsflüchtlingen oder in Not geratenen Opfern unterstützen und weniger wohlfeile Statements abgeben, könnte man ihnen tatsächlich Respekt zollen. Doch wenn die Moral plötzlich zum geldwerten Image-Faktor wird, mit der man die Aufmerksamkeit auf sich und sein Unternehmen lenken will, ist das nicht nur kläglich, sondern auch arm. Hilfe und Beistand bedürfen weder der Presse, der Kameras und lautstarker Statements. Sie erfolgt im Stillen. Die Kameras und der Beifall kommen dann von ganz alleine.
Vielleicht sollte man diesen ach so solidarischen Menschen in Erinnerung bringen: Nicht Bürger sind für Kriege verantwortlich, sondern ausschließlich Politiker. Sie sind es auch, die für Ausgrenzungen werben und Sündenböcke stilisieren. Damit es auch klappt - das mit dem Ausgrenzen!
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