Der Begriff stammt aus dem altgriechischen „τὸ ὀξύμωρον“ – zweier sich gegenseitig ausschließender Sachverhalte oder Termini. Bezieht man diese „rhetorische Figur“ auf die Politik und die Moral, muss man konsequenterweise den derzeit agierenden Politiker jegliche Moral absprechen.
Selbst der in der hintersten Bank sitzende Abgeordnete stimmt einer amoralisch handelnden Regierung zu, wenn er dazu schweigt und deren Handeln oder Entscheiden achselzuckend einen demokratischen Prozess nennt.
Zu keinem Zeitpunkt kann man diese These besser erleben, als gerade in diesen Tagen. Während der Coronakrise gaukeln uns unsere Politiker vor, jedes Leben retten zu wollen, indem sie den Bürgern die Freiheit nehmen. Die gleichen Politiker suggerieren uns, die Freiheit retten zu wollen, indem sie Leben opfern. Damit wird die Rechtmäßigkeit eines Krieges in der Ukraine erklärt und man legitimiert sich selbst, noch mehr Waffen zu liefern, die eine weit gefährlichere Situation für das eigene Volk heraufbeschören kann.
Politiker nennen beide Tatsachen moralisch, indem sie im gleichen Atemzug allen Andersdenkenden oder Kritikern die Moral absprechen und sie im schlimmsten Fall kriminalisieren. Es ist für unsere "Realpolitiker" moralisch, einen Aggressor und Menschenrechtsverletzer in Moskau mit Gas- und Öl-Sanktionen zu überziehen, während unser ach so moralisch denkender Vizekanzler im selben Augenblick beim nächsten, menschenverachtenden Potentaten in Riad Gaslieferverträge abschließen will.
Und damit jene Anmaßung, als Regierungsmitglied rechtmäßiger Besitzer der einzig, gültigen Moral zu sein, seine Meinung entsprechendes Gewicht erwirbt, intensivieren unsere staatsgeführten Medien die Rechtmäßigkeit des Krieges und der Sanktionen als notwendige humanitäre Verpflichtung. Die Strategie der staatlichen Vereinnahmung der Moral unter gleichzeitiger Entmündigung der Bürger ist in den letzten Jahren zum politisch hilfreichen Standard auch in den Medien geworden. Die Perversion, mit einer beliebig teilbaren und flexibel gestaltbaren Moral, einen Staat zum Wohle des Bürgers in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, wird ad absurdum geführt.
In politischen Talkshows werden ethische und moralische Grundlagen einer Gesellschaft zur Bekämpfung reflektierter Menschen eingesetzt und auf die Spitze getrieben: Man lädt einen Menschen mit abweichender Meinung ein, fährt dann aber eine Breitseite von Gegnern auf, die diesem Gast kollektiv und unmissverständlich klar machen, dass und warum er sich irrt. Darin liegt natürlich auch die erzieherische Belehrung des Publikums: Schau, so ergeht es auch dir, wenn du eine andere Meinung öffentlich äußerst.
Bei keinen Themen wird es deutlicher als bei der Pandemie, beim Klima und beim Ukraine-Krieg, bei denen es kaum noch möglich ist, kontrovers zu diskutieren. Die Bereitschaft, dem andersdenkenden Gegenüber gute Absichten und fundiertes Wissen zu unterstellen ist der offenen Aggression gewichen, vielfach auch verbunden mit der impliziten Unterstellung, der Gegner sei dumm, ungebildet, unwissend oder ein hoffnungsloser Spinner.
Vokabeln und Wortschöpfungen wie Aluhut-Träger, Querdenker, Verschwörungstheoretiker, Rechtradikaler oder Gesellschaftsschädling sind inwichen gängige, und zumeist von Regierungspolitikern in Umlauf gebrachte Bezeichnungen, die nicht nur von der eigenen, intellektuellen Erbärmlichkeit ablenken wollen, ja, diese sich ihrer bejammernswerten Schlichtheit nicht einmal schämen. Es reicht den Berufsschwätzern völlig - und damit meine ich auch die gesamte Medienlandschaft, auf das eigene, überlegene moralische Handeln zu verweisen, während sie ganz nebenbei mit der "persönlichen" Moral gute Geschäfte abwickeln. Corona seis gedankt.
In nahezu jeder kontroversen Diskussion wird die Logik standardmäßig mit moralischer Empörung ersetzt, insbesondere bei der Grünen und Roten Spezies. „Da sterben Menschen“, ein weinerlich-provokant vorgetragener Hinweis, mit dem man jedes Argument abzuwürgt versucht. Mit anderen Worten: Wie kann man ernsthaft solche Fragen erörtern, wenn es doch jeden Tag Tote gebe. Die permanente Dringlichkeit, die jedes grundsätzliche, tiefergehende Nachdenken und Zweifeln verbietet und zum sofortigen Handeln zwingt, ist uns aus der Corona-Krise bereits bestens bekannt. Denken nicht erlaubt! Notfalls muss man aus Sicht von vielen Politikern dabei betreut, schlimmstenfalls hospitalisiert werden.
Bonhoeffers Theorie der Dummheit ist aktueller denn je, anschaulich im Bundestag auf Regierungs- und Abgeordnetenbänken zu beobachten. Schwamm drüber. Aus lahmen Gäulen kann man keine Rennpferde machen. Und aus evolutionären Unfällen, aus denen häufig genug politische Spitzenkräfte erwachsen, keine integren, weitsichtigen und klugen Staatsführer. Schlimm genug, dass genau jene politischen Marginalhirne unter Androhung von Sanktionen, Arbeitsplatzverlust und Diskreditierung eine Phalanx willfähriger Sprachrohre bei den Medien befehligen.
Neben den bekannten Regimepropagandisten wie Lanz, Will, Maischberger und Plasberg, leisten auch Maybritt Illner und einige Nachrichtensprecher ganze Arbeit. Mit welch massivem Staatsengagement Bürger und Wähler indoktriniert, manipuliert und auch umerzogen werden, zeigen einige Zahlen. Das Rennen um die Talkshowkrone gleicht täglich einem Titelkampf und das "moralisch-besorgte Lobeerblatt": Karl Lauterbach (SPD) und Peter Altmaier (CDU) hatten jeweils 14 Auftritte bei Illner, Will und Plasberg. Dahinter lagen Olaf Scholz (SPD) und Markus Söder (CSU) mit jeweils 11 Besuchen. Annalena Baerbock (Grüne) gilt als bestplatzierte Frau mit ihrer Teilnahme an insgesamt 10 Talkrunden. In 137 Shows in den letzten 12 Monaten wurde 52-mal über das Klima, 66-mal über das Corona-Virus und 72-mal über den Umgang mit Putin, der Ukraine und dem Covid-Virus diskutiert. Gehirnwäsche übelster Couleur.
Zumeist sind die moralisierenden Argumente dämlich, dünn, fadenscheinig, halten keiner einzigen, kritischen Prüfung stand. Und je weiter die Felle der zumeist unterbelichteten Protagonisten bei unangenehmen Wahrheiten oder kritischem Hinterfragen davonschwimmen, umso skurriler werden die dargebotenen Theateraufführungen: Realsatire statt Realpolitik. Franz Joseph Strauß hätte diese profilneurotischen Politkasper völlig zu Recht als Pinscher bezeichnet. Erwartbar ist nach den Erfahrungen der letzten Jahre, dass der Bodensatz journalistischer Entartung nur ein vorübergehender Tiefpunkt ist, dem weitere Widerwärtigkeiten im "besten Deutschland aller Zeiten" noch folgen werden.
Oder
anders: Wenn Lanz und seine Groupies "ad hominem" gehen, spielt die Zeit
"für Putin". Dass es in der Ukraine gar nicht um ein Putin-Problem, sondern
um ein Russland-China-Problem samt westlicher Containment-Komplexe geht, scheint völlig egal zu sein. Die Shows enden zumeist mit dem Satz: "Da sterben Menschen." Ersatzweise Alte, Mütter und Kinder, vulnerable Mitmenschen, Eisbären, Bäume, Kängeruhs oder ganze Kontinente, egal ob Klima, Virus oder Ukraine.
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