Wollen wir mal nicht päpstlicher sein als der Papst, wenn es um die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit von Statements geht. Aus Geheimhaltungsgründen werde ich hier die Kontrahenten allerdings nicht beim Namen nennen, schon der Fairness und der Ausgewogenheit wegen.
Zunächst ist es mir ein Anliegen, Folgendes festzustellen: Wenn ein Politiker von roten Linien und klaren Kanten spricht, will er seinen Anhängern, Mitläufern und Wählern sowie dem politischen Gegner unmissverständlich sagen: Bis hier hin, und nicht weiter. Da macht er keine Kompromisse. Ein geflügeltes Wort sagt: Ein Mann - ein Wort! Eine Frau - ein Wörterbuch! Ein Politiker - eine 24-bändige Enzyclopädie - selbstredend mit der Option, den kompletten Inhalt jederzeit und nach Gutdünken zu ändern.
Und dass mit dem herkömmlichen Politiker nicht zu spaßen ist, wenn er klare Positionen bezieht und eine deutliche Stellung einnimmt, dann meint er es verdammt ernst. Da gibt es auch keine Diskussionen. Die Wähler sollen wissen, dass mit ihm – und nur mit ihm und seiner apodiktischen Leitlinie zu rechnen ist, sollte die rote Demarkationslinie vom Gegner überschritten werden.
Politische Statements darf man getrost in die Kategorie "anspruchsvolle Sprach-Flatulenzen" einordnen. Von martialischen Phrasen-Blähungen bis hin zu knallharten Verbal-Fürzen ist für jeden etwas dabei. Sie wehen uns tagtäglich um die Ohren und sollen uns deutlich machen: Seht her, hoer spricht euer Heilsbringer! Ich bin ein integrer, verlässlicher, ehrlicher und weitsichtiger Charakter, einer, der immer für euch da ist.
In jeder TV-Show können wir sie bewundern, unsere indolenten Macher, mit einem Overkill-Vokabular, das jeden politischen Gegner in die Knie zwingt. Wenn da nur nicht dieser infernalische Geruch wäre. Nun gut, unsere staatlichen Propagandabateilungen versuchen die Politbotschaften mit Expertenmeinungen und Hintergrundinformationen zu untermauern.
Neuerdings gibt es eine Steigerung beim Aufbau verbaler Grenzlinien, die für Parteigegner und Falschwähler ein warnendes Signal darstellen. Es handelt sich dabei um die Brandmauer. Sie ist sozusagen die ultimative Schutzwand, ein unüberwindlicher, titanisch anmutender Wortkoloss, vor dem selbst der schlimmste Feind zurückschreckt. Immerhin wissen die Kämpfer für das Gute, Schöne, Edle und Wahre, dass die Gefahr ausschließlich rechts kommt, was die Verteidigungsstrategie anscheinend erleichtert. Rechtsradikal, rechtsextrem, rechtsnational sind die Kampfbegriffe, mit denen man reechten Nazis, und rechten Faschisten Herr werden will. Sie sind das politische Mantra aufrechter Politiker und Demokraten, das die Widerstandskraft erhöhen soll.
deutsche Brandmauer |
Das beweist auch die Tatsache, dass man sich inzwischen dermaßen eingebunkert, Schutzwälle und semantische Verteidigungsbollwerke errichtet hat, die im Falle eines Sturmlaufes des Gegners sogar eigene Fluchtversuche unmöglich machen würden. Man hat sich sozusagen selbst eingemauert.
Doch selbst der konzessionslose Begriff Brandmauer ist -, ganz ähnlich wie unser schöner Euro -, einem massiven, ja sogar inflationären Sturmlauf des verhassten Widersachers ausgesetzt, und jetzt schon weniger wert als 15 Cent. Soweit das Auge reicht, stehen bröckelnde, rissige und poröse Mauern herum, hinter die man sich teils ängstlich, teils panisch verschanzt.
Gut, gut, ein paar Hardcore-Schwätzer haben noch ihre gewetzten Messer zwischen den Zähnen, aber man kann es ihnen trotz der kämpferischen Mienen ansehen, dass ihnen die Furcht in die Hose gefahren ist. Massive Wählerverluste und inkompetente Anführer haben die Verteidigungsanlagen an einigen Stellen so durchlässig gemacht, dass einige Meinungsbildner an der vordersten Front bereits auf die andere Seite schielen.
Unsere todesmutigen Verteidiger unserer Werte und unserer lupenreinen Demokratie wagten sogar schon einen interessierten Blick durch die Ritzen und Fugen, nur um zu sehen, was der Feind auf der anderen Seite so alles macht. Zwar warnen die ausgelagerten Staatspropagandisten der ARD und des ZDF unermüdlich und mit angsterfülltem Vokabular vor rechtsradikalen Offensiven und aggressiven Vorstößen hinterfotziger Antagonisten, können aber das Vorrücken auch nicht verhindern. Prozent für Prozent rücken sie näher heran. Was die selbstlos kämpfenden Verteidiger von Recht und Ordnung, die Beschützer unserer Gesundheit, des Klimas und unserer Energie hinter den Linien entdecken, sorgt für nicht für Unruhe.
Mittlerweile sind bei den Partei-Strategen lebhafte Diskussionen entbrannt und sorgen für Misstimmung und Demotivation. Schon ist die Rede von „Weißer Flagge“ und „Kooperationsbereitschaft“, sollte man dem Ansturm auf die Bastion der freiheitlichen Grundordnung nicht standhalten können. Verpönte Vokabeln wie Zusammenarbeit oder gar Duldung machen klammheimlich die Runde, angesichts der Erkenntnis, dass die unüberwindlichen Brandmauern nicht mehr sehr lange halten könnten. Jericho lässt grüßen.
Und während man in den grünen und schwarzen Verteidigungsreihen die erste Tuchfühlung zum Feind aufgenommen und die Parlamentärin Ricarda mit weißer Flagge auch schon mal ein Bier mit dem Belagerer getrunken hat, toben jene, die ihre Stellungen bis zur letzten Diät und bis zum letzten Dienstwagen halten wollen – koste es, was es wolle. Der Terminus „Gesichtswahrung“ als letzter Ausweg wird semantisch schon einmal vorbereitet, um nicht als Verlierer bei den eigenen Leuten dazustehen, sollte es zur unvermeidlichen Kooperation oder gar Koalition kommen.
Die Wehranlagen im Süden Deutschlands sind jedenfalls schon schwer in Mitleidenschaft gezogen. Eine kleine christliche, aber bislang zähe, bayerische Kampftruppe war bislang zumindest in semantischer Hinsicht ein gnadenloser Garant für heimatverbundene Wählerverteidigung. Noch bis vor einigen Tagen galt: Es werden keine Gefangenen gemacht.
Wider Erwarten scheint man sich im Führerkommando der Heeresleitung für eine leichte Kurskorrektur entschieden zu haben. Auch hier kann man sich vorstellen, das eine oder andere Bier mit dem Feind zu trinken. Freilich nur, um die Lage zu sondieren.
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