Man könnte die Frage stellen: Was hat die Ukraine, was die anderen Länder nicht haben. Klingt zynisch, aber angesichts des gesellschaftlichen „Stelldichein“ im Kriegsgebiet könnte man den Verdacht haben, Wolodymyr Selenskji wirft zwischen Ruinen und Trümmern eine Charity-Party.
Normalerweise finden sich ja bei solchen Wohltätigkeitsveranstaltungen das „Who is Who“ der überflüssigsten, nichtsdestoweniger aber sehr reichen Zeitgenossen ein, um sich gegenseitig mit Scheckbuch, Glitzer und Tamtam Konkurrenz zu machen. Ganz gleich, ob es um verhungernde Kinder in der Sahelzone, schnöde verlassene Ehefrauen im Tibet oder um Opfer eines Lawinenabgangs am Hindukusch geht, stets werden bei Champagner, Kaviarhäppchen und Blitzlichtgewitter der anwesenden Presse mit erklecklichen Sümmchen für gute Zwecke auf sich aufmerksam gemacht.
Jetzt scheint die Ukraine „the place to be" zu sein, an dem man sich unbedingt sehen lassen muss, um dazu zugehören. Für die Politik ist Kiew längst ein "must" und übt inzwischen eine ähnlich hohe Anziehungskraft aus wie der Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Der EU-Ratspräsident Charles Michel, die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, Außenministerin Annalena Baerbock, Bundeskanzler Olaf Scholz, Staatspräsident Emanuel Macron, sie sind nicht die Einzigen, die sich dem Thrill von Mörserbeschuss und Raketenangriffen zusammen mit sensationshungrigen Kameralinsen hingeben.
Sogar Friedrich Merz war schon da, nun will auch die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Jeder, der seine politische Wichtigkeit unter Beweis stellen will, muss mindestens einmal zwischen ausgebrannten Panzern und zerschossenen Wohnhäusern gestanden haben. Optimieren kann man das Szenario nur noch, wenn man ein paar Worte mit eilig herbeigeschaften alten Opfermütterchen wechselt. Es ist ein menschelndes Kommen und Gehen, da wird einem ob der Prominenz ganz schwindelig.
Neuerdings haben auch Filmgrößen und Top-Künstler die Ukraine für sich entdeckt. Die Schauspielerin und Hollywood-Größe Angela Jolie machte den Anfang und sich am Bahnhof in Lwiw sehen lassen, um ukrainische Flüchtlinge zu besuchen. Nun ja, "Besuch bei Flüchtlingen" ist vielleicht die falsche Wortwahl. Sie wurde in einem Café in Lwiw gefilmt. Ich fürchte, Helene Fischer und Frau Furtwängler werden sich demnächst aus Charkiw oder Bucha melden, um ihrer Bestürzung in den neuen Rollen als Botschafterinnen des Friedens ein gesellschaftliches Gewicht zu verleihen. Kriegsvoyeurismus oder -Tourismus -, andere Termini fallen mir dazu nicht ein.
Denn mehr als 150 Journalisten berichteten mit großem, medialen Aufwand über das gelungene, humanitäre Engagement der US-Amerikanerin. Von Flüchtlingen allerdings keine Spur. Macht aber nichts. T-Online meldete stattdessen: "Die 46-Jährige winkt in die Kamera und scheint einer Person ein Autogramm zu geben. Sie trägt ein komplett in grau gehaltenes Outfit aus Oversize-Wollpullover und weiter Stoffhose. Die Haare hat sie hochgesteckt, über ihrer Schulter hängt ein Rucksack." Genauso stellt man sich einen Solidaritätsbesuch mit Signalwirkung vor. Man sollte einen Pendelverkehr für Tour- und Ausflugsbusse einrichten, um den Andrang politischer Profilneurotiker und in Vergessenheit geratener Schauspieler zu organisieren. Das gäbe den bombigen Ereignissen in der Ukraine den richtigen Pfiff.
Man
darf gespannt sein, wann auch Campino, Tokio Hotel oder Justin Bieber Mit
Stahlhelm und Splitterweste ein paar Benefit-Konzerte in Odessa geben werden. Immerhin
scheint die Ukraine mit dem Leid, der Zerstörung und ihren zerbombten Städten in
letzter Zeit eine hohe Attraktivität für nichtssagende Kunstschaffende zu haben, die
derzeit ohne Engagements sind und eine gute Chance sehen, ihren
Bekanntheitsgrad wieder wenig aufzupolieren. Die Agenturen jener vom Publikum
vernachlässigten Berufsgruppen arbeiten fieberhaft an tränenrührenden
Konzepten, mit denen sich ihre Klientel vor einem russischen Bombenkrater adäquat
präsentieren können.
Nur Frank-Walter – unser Bundespräsident, den hat man ausgeladen. Fast könnte man meinen, er sei ein C-Promi. Dem ist natürlich nicht so, um das einmal klar zu sagen. Immerhin Hat CDU-Merz ein gutes Wort für ihn eingelegt. Der Grund der vorherige Ausladung dürfte die Tatsache sein, dass er nur warme Worte spenden wollte. Ein bisschen wenig, meinte Wolodymyr. Ich wills mal so sagen: Im Gegensatz zu einem Promi-Event mit angeschlossenem Spendenmarathon, bei dem, wie wir festgestellt haben, der gute Zweck im Vordergrund steht, werden in der Ukraine nun Besucher empfangen, die nicht ihr eigenes, sondern das Geld anderer Leute zur Verfügung stellen. Man nennt es zuweilen auch Steuergeld.
Jedenfalls lässt dieser Wolodymyr keine Marketing-Maßnahme aus, um die Spendenmotivation seiner Besucher zu einem Erfolg werden zu lassen. Genauer gesagt, er lässt niemanden ins Land, der nicht mindestens ein paar Panzer, Granatwerfer oder Panzerfäuste mitbringt. Jedoch auch dann nur unter der Bedingung, dass vorher eine nennenswerte Geldsumme an die Ukrainische Staatsbank angewiesen wurde.
Dass sich letzte Woche nicht nur Papst Franziskus kritisch zum Geschehen und zu den Ursachen des Krieges in der Ukraine geäußert hat, und allen westlichen Mächten, insbesondere der USA und der Nato latente Kriegstreiberei unterstellt, passt so gar nicht ins Charity-Weltbild unserer Regierungs-Samariter. Auch deshalb hüllen sich die deutschen Medien, wie auch unsere reisefreudigen Politiker, in ignorantes Schweigen.
Der
offene Brief durchaus renommierter, deutscher Stimmen, auf Waffengeschenke an
die Ukraine zu verzichten, wirft einen kleinen Schatten auf die Bühne profilgeiler
Exhibitionisten. Immerhin. Unterschrieben haben neben Alice Schwarzer unter
anderem Herta Müller, Deniz Yücel, Maxim Biller, Michel Friedman, Daniel
Kehlmann, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Igor Levit, Eva Menasse und
Marina Weißband. Sogar Springer-Chef Mathias Döpfner hat unterzeichnet. Doch solche Störer haben bei unseren Politeliten und Presseschmierfinken keine Relevanz. Denn alternative Meinungen in unserem Land sind nicht mehr gefragt.
Es ist übel, sowas zum Frühstück reinhauen zu müssen. Man muss es ja eigentlich nicht. Aber an Langeweile sterben wir schneller ;-)
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