Angesichts der aktuellen
Nachrichten aus dem Kriegsgebiet in Syrien, muss sich jedem vor Abscheu und
Ekel der Magen umdrehen. Egal ob heuchlerisches Argumentieren über die
Beteiligung der Bundeswehr oder ergreifende Trauerzüge für gefallene
US-Soldaten, das grauenvolle Schauspiel wiederholt sich trotzdem und wieder
einmal diskutiert die Welt über Ursache und Wirkung, derweil sich die sich
gegenseitig bekämpfenden Terrorbanden im Wüstensand über die neusten
Waffenlieferungen aus westlichen Waffenschmieden freuen.
„Wir fühlen uns unseren Lesern und Zuschauern
verpflichtet,“ so klingt es aus Journalistenmündern, so authentisch wie möglich
aus Krisengebieten und über Killer-Operationen berichten. Wieder einmal sitzt
das aufzuklärende Volk gebannt vor heimischen Bildschirmen und erlebt hautnah,
wie Berichterstatter ihre Kriegs-Pflicht erfüllen. Bewaffnet mit Kameras,
Videogerätschaften und hungrigen Objektiven übermitteln sie uns gestochen
scharfe Bilder, unterstützt durch fachkundige Regieanweisungen vor Ort. Wir
dürfen mitfiebern, wie Kinder im Sand verrecken, Frauen in Syrien in Stücke
gerissen werden oder Krankenhäuser in Mosul oder Aleppo filetiert werden.
Immerhin, zum Sonntagsfrühstück gibt es Toast,
Orangenmarmelade und Life-Beschuss in den Frühnachrichten. Grellen
Explosionsblitzen folgen dumpfe Detonationen, während der NTV-Reporter vom
Hoteldach aus die Einschläge kommentiert. Ein Feuersturm fegt über unser
morgendliches Brunch hinweg. Stundenlanges verbissenes Scharmützel und wir
sitzen in der ersten Reihe. Schweinebraten und Knödel werden hastig
aufgetragen, während die hübsche Tageschausprecherin mit sensationsintonierter
Stimme die gelungene Bratensauce mit Blut, Angst und Leid verfeinert. Das
Inferno brennender Ruinen garniert den Endiviensalat.
Der schauerliche Tod als Unterhaltungssendung und
Quotenrenner begleitet uns ins verdiente Wochenende. Mal sehen, wie die Sache
weitergeht. Vielleicht haben wir Glück, und es gibt am Montag die Fortsetzung
mit einer französischen Botschaftssprengung oder einem erfolgsversprechenden
Attentat auf den Papst.
Schwenk zurück auf den syrischen Widerstandskämpfer, der
sich in letzten Krämpfen am Boden windet. Es folgt die Diskussionsrunde mit
Politikern und Friedens-Experten. Ernste, sachkundige Physiognomien erklären,
der Feind sei Dank einer mit hoher Präzision abgeworfenen Splitterbombe in den
Unterleib getroffen und habe geradezu lehrbuchmäßig ins Gras gebissen. Allah al
Akba röchelt der Muselmane, kippt kollateral gemeuchelt aus den Sandalen und
tut den letzten Atemzug. Stündlich neue Schreckensbilder ermöglichen grausiges
Schauern auf dem kuscheligen Sofa. Siegerposen beim Gegner, derweil unsere
Kinder am Marsriegel kauen und das Massensterben wie ein Computerspiel
verfolgen.
Wie war das doch gleich in Libyen und dem Irak? Interviews
vor Ruinenkulissen. Der Fernsehteilnehmer hat Anspruch darauf, das ganze Ausmaß
der Zerstörungskraft einer Rakete zu würdigen, derweil Opa in der Abendzeitung
liest, dass Procter & Gamble den Lieferwettbewerb für die Soldaten über
350.000 Rollen Klopapier gewonnen hat und Pepsi mit einer Schiffsladung
eisgekühlter Getränke die Soldaten sponsert. Medialer Voyeurismus kennt keine
Grenzen.
Es wird abgelichtet, festgehalten und dokumentiert, was das Zeug hält.
Blut, Tränen, Angstschreie, operettenhaft inszeniert, Gefangene, Verwundete und
Fliehende in Großaufnahme, verängstigt, verunsichert und taufrisch auf deutsche
Bildschirme. Leichtfüßig wird die blutige Berichts-Ethik auf die gleiche
schamlose Art überwunden, wie die Russen und Amerikaner Menschenrechte
verletzen. Die besten Einschaltquoten haben Sender, in denen am meisten
gelitten, gestorben und verwüstet wird.
Wem nützen solche Bilder? Haben sie noch etwas mit
Aufklärung zu tun? Sollen sie gar der Abschreckung dienen? Soldaten, den
Joystick in der Hand, löschen mit chirurgischer Präzision Leben aus und legen
ganze Stadtteile in Schutt und Asche. Gameboy für Erwachsene. Gleich darauf
unterbricht uns der Pausenfüller. Werbung für unverwüstliche Fönwellen,
Feuchtigkeitscremes und Schoko-Sahne-Pralinen. Dann folgen Statements der
Redaktionen, bevor wieder zum Schlachtfeld umgeschaltet wird. Fehlt nur, dass
einer der Weizenbierhersteller den Abschuss des syrischen Massenmörders Assat
mit dem Slogan ankündigt: „Diese Sendung wurde ihnen präsentiert von der
Schöfferhofer Weizen. Es hat so schön geprickelt...!“ oder „Gleich haben Sie
wieder bessere Sicht – mit Warsteiner!“
Niemand will Krieg, hört man allenthalben, und wenn er
schon nicht zu vermeiden ist, dann soll er möglichst schnell beendet werden.
Vernichtet wird im Namen der Menschlichkeit. Lippenbekenntnisse? Einhellige
Meinung? Nein, es ist zum Kotzen, wenn man die unblutigen Wortgefechte zwischen
Russland und den USA verfolgt, in denen jeder dem anderen die Welt erklärt.
Gegenseitige Schuldzuweisungen haben Hochkonjunktur und treiben uns gefährlich
nah an einen dritten Weltkrieg heran. Und alle sehen zu. Kampfhandlungen werden
mit Begriffen wie: Präzise Operation, defensiver Erstschlag, chirurgischer
Eingriff oder störungsarmer Geländegewinn verharmlost. Mir stockt der Atem bei
solchen Wortschöpfungen. Und im Falle Syrien? Mir scheint, da sieht man lieber
dem Meuchelmord Tausender von Syrern zu, als die eigene Wirtschafts- und
Politinteressen zu gefährden. Allen voran die USA.
Aber egal, wie sich alles weiterentwickeln wird,
Fernsehanstalten sind längst zu Selbstzweckeinrichtungen mutiert und richten
ihre Aufmerksamkeit mit erbarmungsloser Penetranz auf das Kriegsgeschehen,
wohl wissend, dass auf beiden Seiten der Kriegsgegner gelogen wird. Schließlich
will der Zuschauer zu Hause unterhalten werden. Und stets schwingt die Frage
der Fernsehmacher über den Köpfen der Redakteure: Sind unsere Berichte spannend
genug und lassen sie sich noch steigern? Sicher! Wenn die Fernsehanstalten
wüssten, an welcher Stelle des Mittelmeers gerade zweihundert Flüchtlinge
absaufen, ließe sich das Gemetzel in Syrien und anderswo mit verzweifelten
Hilferufen auf dem Wasser anreichern.
Außer den Präsidenten der USA, Russland, Frankreich,
England, der Börsen, der Großkonzerne, der Waffenindustrie und den
Fernsehgesellschaften hat niemand Interesse an Kriegen. Verpackt in
alternativloses Vokabular dürfte der nächste Einmarsch nicht mehr lange auf
sich warten lassen. Vielleicht in Südkorea. Wie sonst wäre zu erklären, dass
rund um die Uhr über nichts Anderes als über Syrien berichtet wird. Helden sind
entweder gesund oder tot. The show must go on. Der Krieg als politische
Börsennotierung. Auf Deutschlands Mattscheiben findet Zynismus in Reinkultur
statt und die Sender brauchen Sensationen. Was ist schon ein Unwetterschaden im
Vergleich zu einer mörderischen Schlacht vor den Toren Aleppos?
Dem Humanisten dreht sich der Magen um, nicht nur wegen der
abscheulichen Bilder, zerfetzter Leiber, erschossener Frauen, nicht nur wegen
des unsäglichen Leides. Die Scheinheiligkeit der Reportagen, medienwirksam
verarbeitet und aufgemotzt, übertrifft jeden Horrorfilm, - und das im Namen staatlich gelenkter, journalistischer Pflichterfüllung. Mir graut vor der Kaltschnäuzigkeit der
Kriegsparteien und den Medienmachen ebenso wie vor der Gedankenlosigkeit
angeblich zivilisierter TV-Konsumenten.
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