47 Schutzbedürftige aus Afghanistan waren in Hannover avisiert, 45 Personen stiegen aus dem Flieger. Der Sonderflug aus Pakistan, mit Zwischenlandung in Istanbul und einem Anschlussflug der Turkish Airlines nach Hannover, landete pünktlich um 14 Uhr. Allerdings ohne ein Ehepaar, das im Flughafen Istanbul-Atatürk wegen dringender Einkäufe in der Edel-Shopping-Meile das Boarding für den sogenannten „Connecting-Flight“ ins Paradies verpasste.
Der gut situierte Reisende kennt ja das Szenario auf internationalen Großflughäfen, wenn er auf dem Weg nach Dubai einen Zwischenstopp in Rom einlegen muss. Dann überbrückt er aus schierer Langeweile die Wartezeit im Duty-Free-Bereich mit Einkäufen bei den Premium-Marken Gucci, Hermes, Chloé, Burberry oder Yves Saint Laurent. Nun ja, der herkömmliche Deutsche mit begrenztem Budget macht große Bögen um die völlig abgefahrenen Protzläden, zumal unsereiner schon in den Cafébars der Abflughalle bei der Investition in einen bescheidenen Espresso im Plastikbecher angesichts des Preises einen Atemschock erleidet.
Das gilt selbstredend nicht für Rettungsflugreisende aus Afghanistan. Ausgestattet mit dem Begrüßungsgeld aus dem bundesdeutschen Sondervermögen schlenderte das schutzsuchende Ehepaar (man könnte natürlich auch "Schatz suchende" Paar sagen) entspannt durch das üppige Warenangebot hundsteurer Wegelagerer. Vermutlich hat das Ehepaar bei der Einkaufsverhandlung und hartnäckigem Feilschen zur Anschaffung einer Uhr der Marke "Breitling Sonderedition" die Abflugzeit aus den Augen verloren. Ich kann ein gewisses Verständnis für das afghanische Familienoberhaupt aufbringen, zumal im Hindukusch nicht hinter jeder Lehmhütte ein Laden von Prada oder Rolex zu finden ist, und andererseits Flug- und Reisekosten von unserer Bundesregierung übernommen wurden.
Allerdings blieb mir bei einer beiläufigen der Meldung der "dpa" beinahe der Keks der Marke De Beukelaer, - mit Schokofüllung - versteht sich -, im Halse stecken. Aus der informativen, aber nicht offiziell kommunizierten Nachricht ging hervor, dass jeder rettungsflugberechtigte Afghane ein "Vorab-Handgeld" in Höhe von 500 Euro in Dschalalabad erhält,- eine freundliche Willkommensgeste unserer Regierung, wie ich meine. Wenn man in Betracht zieht, dass so mancher Rentner in Deutschland Flaschen sammelt, um über die Runden zu kommen und für sein Busticket in die Stadt knackige Preise zahlt, können wir immerhin konstatieren, wie wichtig unserer Regierung doch humanitäre Prioritäten sind. So gesehen erklärt sich für den Leser natürlich auch der afghanische Einkaufsimpuls am Flughafen Atatürk Istanbul, auch wenn der gerettete Ankömmling die Zuwendung aus deutschem Steuergeld für seine ersten, dringenden Bedürfnisse eigentlich erst in der neuen Heimat verwenden sollte.
Aber was, so frage ich meine Leser, kann wichtiger sein, als Shoppen, wenn einerseits der Flieger zum Zufluchtsort durchaus ein wenig länger warten kann, andererseits Zeit für einen echten Afghanen nur ein relativ nebensächlicher Begriff ist. Ich will gerne einräumen, dass ein in höchster Not geretteter Afghane einen alternativen Zugang zu Werten wie Pünktlichkeit, Dankbarkeit oder Zuverlässigkeit hat. Unser zukünftiger Sozialgast hat auch einen anderen Blickwinkel hinsichtlich der Wohltaten, die ihm unsere westliche Gesellschaft bietet. Er hat diesbezüglich eher eine Erwartungshaltung, genauer gesagt ein humanitäres Anrecht. Wir müssen also dankbar sein, dass wir ihn nicht nur kostenlos per Sonderflug nach Deutschland holen, sondern auch dessen zukünftige Wünsche und Anliegen respektieren und unverzüglich erfüllen.
Insofern
ist es natürlich ärgerlich, dass der Pilot der Turkish Airlines nicht länger auf
das Ehepaar warten wollte, auch weil er nicht einschätzen konnte, wann es die Einkaufstour beenden würde. Da mangelte es einfach an Respekt und Verständnis des Flugpersonals. Selbstverständlich reagierte unser
Auswärtiges Amt angemessen und ohne zu zögern. Fieberhaft wurde nach einem passenden Linienflug
für die Zurückgelassenen gesucht - kostenlos -, versteht sich. Deutsche Sicherheitsbehörden bemühten sich "mit allem Nachdruck", so das
offizielle Statement des AM bemüht, das Paar so rasch wie möglich nachzuholen. So,
und ich gehe jetzt kotzen.
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