Pünktlich um 9 Uhr fiel der Startschuss zur
Koalitionsverhandlung. Ganze 4 Monate und zwei Tage nach der Bundestagswahl und
dreieinhalb Monate nach den Ausscheidungsläufen der grünen, schwarzen, und
gelben Sprinter, haben sich nun die Roten und Schwarzen dem Endlauf gestellt.
Noch bevor von den politischen Recken die Startblöcke
eingenommen wurden, mussten die Genossen einen Dämpfer ertragen. Je nach
Umfrageinstitut fiel die SPD in der Wählergunst auf 18 bzw. 19 Prozent zurück.
Übertragen auf das politische Sportereignis bedeutet das Ergebnis, dass die
Sozialdemokraten ihren Startblock zwei Meter weiter nach hinten verlegen
müssen.
Und als wenn das nicht schon genug schlechte
Nachrichten wären, muss der Chef-Athlet Martin Schulz heute Morgen zur Kenntnis
nehmen, dass er bei seinen Fans von ehemals 100 Prozent Anhänger in der
Beliebtheit auf jetzt 36 Prozent abgefallen ist. Es ist vorbei mit Siegposen
und Gewinnerlächeln. Selbst seine Mitkämpferin Frau Nahles sollte ihre Sportschuhe
an den Nagel hängen. Mit einem Beliebtheitswert von gerade mal 16 Prozent würde
man dieses Ergebnis, um in der Sportlersprache zu bleiben, „unter ferner
liefen…“ nennen. Stattdessen hat Sigmar Gabriel gewaltig an Boden gut gemacht.
Knapp 60 Prozent wollen ihm aus dem eigenen Lager zujubeln. Wenn da mal keine
langfristige Strategie dahintersteckt.
Nun darf man gespannt sein, wie sich die Genossen
trotz sichtbarer Ermüdungserscheinungen in den Koaltionsverhandlungen schlagen
werden. Die Verhandlungsmasse bei den Genossen ist hinreichend bekannt. Was von
dem Inhalt des ohnehin dürftig gefüllten Rucksacks nach den Gesprächen
übrigbleibt, wird sich weisen. Die CDU hat längst klargemacht, dass Reizthemen
wie Krankenversicherungen und Familiennachzug überflüssiger Ballast sind und
die SPD gut daran täte, die hinderlichen Gewichte in der Umkleidekabine
abzustellen, zumal es die Chancen bei der Zielerreichung signifikant erhöhe.
Die Gefahr, dass Martin Schulz, der noch vor einem
halben Jahr als Favorit galt, nach dem Rennen auf Antrag des eigenen Lagers
disqualifiziert wird, wäre keine Überraschung. Er ist auf dem Weg zum
Lorbeerkranz für den Sieger zu oft in die falsche Richtung gelaufen. Mal wollte
er Kanzler werden, mal Oppositionsführer. Wenig später ließ Martin Schulz noch
einmal die Muskeln spielen und zeigte sich renitent. Kategorisch schloss er
aus, im Merkelschen Kabinett als Minister anzutreten. Aber man munkelt bereits
hinter der vorgehaltenen Hand, dass er seinen endgültigen Entschluss schon
wieder umgeworfen hat. Jetzt will er doch Minister werden. Man kommt seinen
kategorischen Imperativen nicht mehr hinterher…
Die Leidensfähigkeit seiner roten Mitstreiter wird mit
Martin Schulz und seinen Kurskorrekturen auf eine harte Probe gestellt. Noch
vor wenigen Tagen heizte ihm mitten in den Startvorbereitungen zum Endkampf
Kevin Kühnert, der Jungspund aus der Nachwuchsmannschaft dermaßen ein, dass ihm
die Lust zum Siegen endgültig vergangen ist. Nun ja, ich kanns verstehen. Wer
gibt schon gerne zu, dass ein Jugendlicher zur ernsthaften Konkurrenz
heranwächst. Aber vielleicht hat der „kleine Kevin“ zu früh zu hoch gepokert
und stellt in ein paar Wochen fest, dass er jetzt „alleine zuhause“ ist.
Nun hat sich Sigmar Gabriel erneut in Stellung
gebracht. Er darf bei der Veranstaltung sogar wieder mitmachen. Das kann
spannend werden. Unterstellen wir einmal, dass die GroKo zustande kommt und die
Zuschauer am Rande endlich eine Regierung küren können, was geschieht dann mit
dem einstigen Hoffnungsträger Martin? Schickt man ihn in die Wüste wegen
entgangener Freudentänze? Muss er seine letzten Sportlerjahre unter Inkaufnahme
von Tagesgeldern gar in Belgien verbringen? Oder gibt man ihm das Gnadenbrot in
Berlin?
Nein…, gut ist es nicht um dessen Zukunft bestellt. Immerhin
glauben noch 56 Prozent der SPD-Genossen an das Here und Gute, wenngleich mit
zusammen gebissenen Zähnen. An die Koalition mit der CDU. Diese Sicht nimmt
auch Angela Merkel ein, natürlich nur unter der Voraussetzung, dass sie am Ende
das goldene Lorbeerblatt einer Siegerin entgegennehmen darf. Dann werden die
Fanfahren für den neuen Aufbruch ertönen und die Mauern deutschen Fortschritts
erzittern lassen. Hoffentlich ergeht es uns nicht so wie damals in Jericho.
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