…ich wills mal so sagen: Wenn der gefährlichste Drogenboss
aller Zeiten Joaquín „El Chapo“ Guzmán sich von seiner Zelle durch einen 1,5
Kilometer langen Tunnel aus einem Hochsicherheitsgefängnis wühlt, dann amüsiert
ein solch unglaublicher Gefängnisausbruch halb Europa. Die spektakuläre Flucht
durch den mit Frischluft und elektrischem Licht versorgte Stollen in die
Freiheit, sorgte bei den Journalisten besonders hierzulande für vergnügliche
Schenkelklatscher und hämische Schadenfreude. Nun ja, so dachten auch viele
Bürger. Die Mexikaner halt… die merken nicht einmal, wenn tonnenweise
Abraumerde im Gefängnishof aufgetürmt werden.
Jetzt allerdings haben deutsche Ausbrecher
in Plötzensee den Mexikanern einmal gezeigt, wo der Hammer hängt. Sie haben dem
Drogenbaron Guzman bewiesen, dass man ihn hinsichtlich Effizienz, Schnelligkeit
und handwerklicher Gründlichkeit um Längen schlagen kann, wenn man es richtig
anstellt. Es wurde ja auch allmählich Zeit, dass Deutschland endlich den Titel
„Ausbruchkönig“ wieder nach Hause holte. Mit schwerem Gerät und handwerklicher
Kompetenz gingen die hoch qualifizierten Fachleute für Einbruch, Raub und
Diebstahl zur Sache. Vier Männer flexten sich durch 25 Zentimeter armierten
Stahlbeton, um dann mit Vorschlaghammer und Bormeißel den schmalen Durchbruch
auf bequeme Körpermaße zu erweitern.
Nun stellt sich jedem Heimwerker, der in seiner
Neubauwohnung einmal Vorhangschienen an der Decke befestigt hat, die Frage: Wie
zur Hölle kriege ich mit meiner nagelneuen Hilti ein Dübelloch zustande, ohne
dass ich mir dabei das Genick breche. Beinahe jeder herkömmliche Mieter kennt
das nervende Problem, wenn beispielsweise in einer Wohnung fünf Stockwerke
tiefer ein rabiater Handwerker eine Wand versetzt. Er regelt seinen Fernseher
vergeblich auf Maximalstärke, schaltet nach 5 Minuten entnervt ab und verlässt "fluchtartig" das Haus. Alsbald umgibt ihn himmlische Ruhe, wenn man vom normalen
Verkehrslärm absieht, und er atmet erleichtert auf.
Auf welche Weise die vergleichsweise leistungsstarke Flex,
Vorschlaghammer und Hochleistungsmeißel in den Zellentrakt gelangten, kann man
sich unter den Schließern und dem Wachpersonal freilich nicht erklären. Schon
das 8 Meter lange Abrollkabel zur Steckdose ist von der Größe her auffallend genug.
Ich will ja nicht katholischer sein als der Papst, aber dass man in einer
Gefängniszelle sogar Gerätschaften bedienen kann, für die man Starkstrom
benötigt, grenzt aus meiner Sicht an eine geradezu beispielhafte humanistische
Gefangenenbetreuung. Vermutlich haben sich die schweren Jungs das Profiwerkzeug
online bei Obi bestellt und sich die Ware als Weihnachtspaket frei Haus
zustellen lassen.
Die Justizverwaltung in Berlin räumte bei einer
Pressekonferenz zähneknirschend ein, dass da was schiefgelaufen ist und
verweist in Sachen Fahndung an die Polizei. Dort gibt man sich bedeckt und
bestätigt lediglich, dass die meisten Schließer zwar nicht immer richtig zählen
können aber man ohne Ansehen der Person fahndet. Der Bürger allerdings wundert
sich und fragt, wie es möglich sein kann, dass kein Schwein merkt, dass in
einer Gefängniszelle umfangreiche Bauarbeiten für die Neugestaltung der Fenster
stattfinden. Bei diesem Lärmpegel dürften selbst die Zellennachbarn ihr eigenes
Wort nicht mehr verstanden haben. Allerdings scheint sich beim
Wachpersonal keiner beschwert zu haben.
Beim regelmäßigen Zählappell der Häftlinge in der
Justizvollzugsanstalt Plötzensee, - wen wunderts -, ist nicht einmal
aufgefallen, dass ein paar ihrer Kunden fehlen. Wenn man noch in Betracht
zieht, dass die Ganoven bei ihrer Schwerstarbeit gefilmt wurden, könnte man
glatt auf den Gedanken kommen, dass man in der Justiz einige Lehrfilme zur
gründlicheren Ausbildung des Wachpersonals benötigt. Insofern haben solche
Ereignisse ja auch etwas Gutes. Glücklicherweise handelte es sich bei den
Geflüchteten nicht um Gewaltverbrecher, sondern lediglich um ein paar Leute,
die nach langen Jahren der Abstinenz das Neujahrsfest alternativ feiern
wollten.
Selbstredend will man bei den Behörden keine Verantwortung
übernehmen. Weshalb auch, zumal es nur einem halben Dutzend Gefangenen gelungen
ist, dem Hochsicherheitsgefängnis den Rücken zu kehren. Schließlich hätten es
auch leicht mehr sein können. Wie sagte Justizsenator so griffig? Die
Persönlichkeitsrechte der Flüchtlinge gingen vor. Aber ich will ja nicht
ungerecht sein. Immerhin entschloss sich ein Ausbrecher, in die Justizanstalt
wieder zurückzukehren. Allerdings wundert es mich, dass man den Kerl ohne
Personalausweis oder Sondergenehmigung wieder reingelassen hat.
Man kann es drehen und wenden wie man will, mir war bislang
trotzdem nicht bekannt, welch fürsorgliches Verständnis bei den Behörden für
Verbrecher aufgebracht wird. Ach nein, stimmt ja gar nicht, damals auf der
Domplatte in Köln legten die Sicherheitsorgane bei der Verfolgung von
Straftaten auch jede Menge Fingerspitzengefühl an Tag.
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