Ein Philister ist ein Mensch ohne geistige Bedürfnisse,
so beschreibt Arthur Schopenhauer in einem Essay einen unliebsamen Zeitgenossen,
der gesellschaftliche Werte wie Wahrheit, Zuverlässigkeit und Arbeitswille
nicht schätzt oder verachtet, und dabei unkritisch standardisierte
Vorstellungen übernimmt und anwendet. Aus diesem Kontext heraus stand mir
unmittelbar das Bild von Martin Schulz vor Augen, der gerade drauf und dran
ist, wegen seines plötzlichen Richtungswechsels aus der Kurve zu fliegen.
In psychologischer Hinsicht ist er ein interessantes
Kerlchen, dieser Bücherschulze. Es liegt mir fern, seine haarsträubenden
Kampfreden mit einem Goethe-Zitat aus Mephistopheles zu belegen, aber mich
juckt es gewaltig in den Fingern. Ich schlage im Lexikon den Begriff
Opportunist nach. Dort finde ich die Definition: Ein Geist, der stets bejaht.
Könnte hinkommen, denke ich mir. Aber dann verfolge ich die neuesten
Nachrichten und verwerfe den Gedanken. Es ist alles noch viel schlimmer.
Man fasst es nicht. Die Buchstütze drohte gestern mit dem
Rücktritt, weil er den Rückhalt innerhalb seiner Partei vermisse. Und das,
obwohl nur zwei Stunden vorher Malu Dreyer felsenfest behauptete, dass sie voll
hinter Martin stünde. Stegner steht daneben und grinst wölfisch. Parteifreunde
eben…! Aber man kann die Drohung des Buchhändlers auch sinnbildlich
interpretieren. Vermutlich hofft er, dass mit seiner Führungsverweigerung
gleich die ganze Buchreihe ihren Halt verliert. Ich glaube das jedenfalls
nicht. Wer in der SPD will schon umfallen?
Kaum habe ich meine Überlegungen über Martins weitere
verschlungenen Karriere-Pfade beendet, lese ich heute in der Frankfurter
Rundschau: Martin Schulz hängt an seinem alten Job als EU-Kommissionspräsident.
Jean-Claude Junker stünde dabei hinter ihm und verknüpft diesen Perspektive mit
seinem eigenen Job. Schulz soll wieder mal Präsident werden. Alle Wetter…! Wer
erpresst eigentlich wen und mit was und mit welchem Ziel? "Ich erwarte von
Herrn Schulz, dass er sich erklärt", ob er erneut als Präsident des
Europaparlaments antrete, sagte der österreichische EVP-Politiker Othmar Karas
dem "Spiegel".
So schnell kann kein Schwein denken, wie sich Wirbel-Martin
um die eigene Achse dreht und nach neuen, lukrativen Einkommensquellen sucht.
Dabei hörte man in der Partei-Zentrale der SPD gestern noch, dass der
Parteivorsitzende seinem jetzigen Job einen Wechsel ins Auswärtige Amt vorzöge.
Ja, da wird der Hund in der Pfanne verrückt. Die letzten 4 Wochen waren
wirklich eine Zumutung. Martin, der Oppositionelle, Martin der Orientierer, der
Sanierer, der Vordenker, der Macher. Jetzt mutiert er zum Sondierer, zum
Ventilierer und tendiert zur neuen Offenheit, - will ergebnisoffene Gespräche
mit dem Todfeind führen und seine Partei in die maximale Unglaubwürdigkeit führen.
Immerhin will ihn Steinmeier bei seinem Weg ins Obskure unterstützen. Mein Herz
macht das bald nicht mehr mit.
Die roten Genossen sind das, was sie schon immer waren. Ein
desolater Haufen, deren Verlässlichkeit geringer ist als meine Chance, morgen
im Lotto zu gewinnen. Und was will dieser Schulz wirklich? Groko? Brüssel?
Berlin? Würselen? Ich wills mal so sagen: Nichts ist im Umgang mit einem
Menschen frustrierender, wenn man ihn nicht einschätzen kann, wenn man nicht
weiß, mit wem man es eigentlich zu tun hat. Das zwingt dazu, ständig auf der
Lauer zu liegen, weil ja irgendetwas Unangenehmes passieren könnte. Kein
Wähler, kein Bürger, kein Volk will einen Politiker, bei dem man mit dem
Schlimmsten rechnen muss, es sei denn, er wollte wieder in einem Buchladen
arbeiten und die Regale abstauben.
Wieder fällt mir Schopenhauer ein, der es so formulierte:
„Denn alles Streben entspringt aus einem Mangel.“ Auch hier gebe ich ihm Recht,
besonders wenn ich an diesem Martin denke. Denn wenn es an Hirn, Loyalität,
Rückgrat und Zuverlässigkeit gleichzeitig mangelt, dann ist für die SPD ohnehin
Hopfen und Malz verloren. Wieder schlage ich im Duden nach. Stichwort:
Pharisäer. Dort steht zu lesen: Als Pharisäer bezeichnet man im übertragenen
Sinne einen heuchlerischen, selbstgerechten Menschen mit Doppelmoral. Ja, denke
ich mir, das trifft genau auf diesen Schulz zu. Ich halte ihn einfach nicht
mehr aus.
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