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Konsumterror - Der Verbraucher als Geisel des schnöden Mammon

Das Wochenende nahte. Und der heutige Freitag war wieder einer dieser Vormittage, der einem nicht einmal Zeit für eine Cafelatte ließ. Mein wöchentlicher Einkauf lag an und Eile war geboten. Im Geiste ging ich den leeren Kühlschrank durch. »Ausgerechnet …!«, entfuhr es mir ärgerlich, als es an der Tür klingelte.

Der Postbote! Er ist ein reizender Mensch, dieser Angelo Bandini -, ein promovierter Diplom-Physiker, der in Ermangelung einer geeigneten Stelle seit mehreren Jahren Briefe austrägt und mit dem ich stets ein paar freundliche Sätze wechselte. Ich nahm Post und Zeitung entgegen, während wir beiläufig über die Hintergründe der Globalisierung des europäischen Wirtschaftskonsenses in Abhängigkeit weltweiter Ausbeutung unter Berücksichtigung des Russenkrieges diskutierten.

Unser Gespräch an der Haustür schweifte ab und wir griffen das Thema über das quantenphysikalische Phänomen Heisenbergsch’er Unschärferelation auf, analysierten in der Folge kritisch den Skandal im Kleintierzüchterverein von Monte San Angelo und landeten bei den Eheproblemen der Mitglieder des örtlichen Hundevereins. Angeblich soll der zweite Vorstand mit der Ehefrau des Kassenwartes in einem Mailänder Swingerclub gesehen worden sein. Eine vertrauliche Information des Schriftführers, der das Etablissement zwar nur von außen kennt, nichtsdestoweniger aber gut über die dortigen Vorgänge informiert ist.

Bevor sich Angelo endgültig verabschiedete, erörterten wir die anstehende Wahl des Schriftführers unseres Philatelistenvereins. Seit sich jener aber einen Hund angeschafft hatte, sanken dessen Sympathiewerte ähnlich dramatisch, wie Friedrich Merz' Zustimmung bei AfD-Wählern. Es mag auch daran liegen, weil der Rottweiler unseres Schriftführers beim morgendlichen Gassi gehen regelmäßig an die Gartenpforte eines angesehenen Mitgliedes des Gemeinderates pinkelt.

Schnell war eine Stunde vergangen, derweil auf meiner Einkaufsliste lediglich vier Packungen Kartoffelpuffer, drei Gläser Gewürzgurken und 10 Packungen Aufschnitt standen. Mit einem Anflug von Widerwillen riskierte ich einen Blick auf den Poststapel. Außer Rechnungen und einem Schreiben meines Verlegers, der wütend nach den ausstehenden Kapiteln meines neuen Romans fragte, fand ich nichts Aufregendes. Ich machte mich über die Zeitung her!

Heute gab’s ausnahmsweise weder wild um sich schießende Amokläufer noch Botschaftssprengungen, nicht einmal eine Papst-Entführung. Stattdessen erregte eine Notiz im Wirtschaftsteil meine Aufmerksamkeit. Der Pro/Kopf-Verbrauch an 4-lagigem Toilettenpapier sei im letzten Jahr inflationsbedingt um 4,7 % gestiegen! Bisher war ich der Annahme, die Verwendung von Klopapier fände am entgegengesetzten Ende des Körpers statt. So kann man sich täuschen!

In Holland, so konnte ich auf der nächsten Seite lesen, hatte man mittels Genmanipulation eine Tomate gezüchtet, die 6 Wochen lagerfähig sei, ohne dass sie verderbe. Mit anderen Worten, ich musste damit rechnen, dass ich ab nächster Woche Tomaten kaufen könnte, die mindestens 8 Wochen länger nach nichts schmecken als früher. Es war wohl besser, ich würde mich den schreiend bunten Werbebeilagen widmen.

»Hinfahren, Einpacken, Mitnehmen! Besuchen Sie die gut sortierte Lebensmittelabteilung unseres Erlebnisparks«, verkündete das recyclefähige Faltblatt. Leberwurst zum einmaligen Sonderpreis! Außerdem eine Sonderaktion Schmelzkäse. Ich frage mich, wie zur Hölle stelle ich es an, dass mein Bummel durch Wurst- und Käseabteilungen zum Konsum-Event würde! 

Das neu eröffnete Einrichtungshaus im neuen Industriegebiet warb mit ähnlich überschwänglichen Angeboten. »Relaxen Sie in traumhaftem Ambiente! Klappstühle zum Wohlfühlpreis!« Offenkundig haben diese Leute keinen blassen Schimmer, was mich wohlfühlen lässt. Beispielsweise ein Garten Eden mit 15 wohlproportionierten Jungrauen. Das wäre meiner Ansicht nach eine Aktion, die Männerseele maximales Wohlbehagen bereiten könnten. Aber ganz sicher keine Stühle.

Jedenfalls wurden die Holzsitze im praktischen 6er-Set für nur 49,99 Euro offeriert! Erstand man einen Doppelpack, gab es 2 Stück umsonst. Ein Woll-Discounter warb auf der nächsten Seite mit sensationellen Preisen. Räumungsverkauf! Hochgerechnet sparte ich nicht weniger als 32 Euro und 28 Cent bei Mitnahme von 172 Kilo reiner Schurwolle. Nichts brauchte ich angesichts schwindelerregender Nachlässe dringender als Strickwolle! Und da ich gerade beim Rechnen war, erwog ich, mir einen Jahresvorrat an Käse zuzulegen, dann hätten sich die Fahrtkosten amortisiert. Entschied ich mich darüber hinaus für 6 Einheiten Klappstühle, hätte ich 107 Euro und 39 Cent gar nicht ausgegeben, Bonuspunkte noch nicht eingerechnet.

Als ich auf die »DU-BIST-DOCH-BLÖD-Reklame« stieß, schoss nicht nur mein Blutdruck nach oben, auch mein Jagdfieber wurde aktiviert. »Hammerpreise«, las ich! »Wir verschleudern Computer!« Obgleich ich vorhatte, noch einige Jahre mit dem alten auszukommen, sah ich mich eines massiven Angriffs auf meine Verbraucherseele ausgesetzt. Und so ist es weiter nicht verwunderlich, wenn meine Gedanken von der preiswerten Leberwurst zum Petium-6-Prozessor mit integrierter CCG-Technologie, WIN-DVD, polyphoner VGA-Auflösung mit 386-fachem Zoom und 12 Millionen Farben zurückkehrten. Zwar weiß niemand ganz genau, weshalb man dieses Zeug in einem Computer braucht, aber darauf kann man schließlich keine Rücksicht nehmen, vor allem, wenn man sparen will.

Mitten in meinen Gedanken unterbrach mich ein menschliches Rühren. Weder Wasser noch revoltierenden Därmen kann man dauerhaften Widerstand entgegensetzen. Immerhin gab mir das dringliche Bedürfnis Gelegenheit, über stilistische Feinheiten des noch zu fertigenden Einkaufszettels nachzudenken. Ich wills an dieser Stelle mal so sagen: Stille Örtchen wirken auf mich zumeist inspirierend und ich habe dort oft grandiose Einfälle. Nur dieses Mal wollte mir die preiswerte Wurst nicht aus dem Kopf, weiß der Himmel, warum. Es galt, Prioritäten zu setzen. Wurst zu Jubelkonditionen oder polyphone VGA-Auflösung. Angesichts der Tatsache, dass mein Verleger gerade einen unverschämt kleinen Vorschuss für mein nächstes Werk überwiesen hatte, entschied ich mich noch während des Spülvorgangs für den ultimativen Spar-Einkauf.

Auf zur Schnäppchenjagd! Entschlossen stopfte ich die Reklamezettel in die Tasche, setzte mich ins Auto und fuhr meinem orgiastischen Einkaufsvergnügen entgegen. Kurz vor Sonnenuntergang kehrte ich mit sensationellen Einkaufserfolgen zurück. Stolz betrachtete ich meine praktischen Errungenschaften, die ich auf der Veranda dekorativ um den alten Gartentisch aufgestellt hatte. Stühle - klappbar und Wetter resistent.

Meine Haustür wurde aufgestoßen. Geräuschvoll, - wenn ich das hinzufügen darf. Rosanna, die schwarzhaarigste all meiner potenziellen Lebensgefährtinnen platzte herein und schleifte keuchend mehrere Kartons in den Flur.

»Hallo! Guten Abend, Schatz«, flötete ich unter Verwendung des überall gebräuchlichen Kosenamen, zumal man sich im Zeitalter von sozialen Netzwerken nicht alle Namen merken kann. »Du hast ja heute richtig zugeschlagen!«
Sie nickte und schnappte nach Luft.

         »Was ist in den Kartons drin?«, fragte ich mit unterdrücktem Interesse und deutete auf den Stapel.

         »Klappstühle! Sonderangebot! Ich konnte nicht widerstehen. Deine alten Dinger sind schon so was von schäbig...!«

»Tatsächlich?«, murmelte ich kaum hörbar.

»Gehst du zum Auto und holst die Restlichen? Es gab sie in drei Farben, ich habe braun genommen. Das ist neutraler.«

»Toll«, erwiderte ich knapp.
»Ich dachte, ich mach' dir eine Freude?«
»Wie viele?«
»Wie viele was?«
»Stühle!«
»Acht!«

»Dann haben wir ja jede Menge Geld gespart!«, presste ich über die Lippen. »Jetzt haben wir 72 Stück. Wenn wir ein wenig zusammenrücken, kann das ganze Dorf bei uns eine Party feiern.«

                                       

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