Preußische Tugenden, die seit dem Soldatenkönig Friedrich
Wilhelm I propagiert und gefördert wurden, sind jedem Deutschen heute noch
geläufig. Pünktlichkeit, Fleiß, Bescheidenheit, Gerechtigkeit und Ordnung. Es
sind jene gesellschaftlichen Parameter, die seit mehr 300 Jahren unsere
Vorfahren ihren Kindern vermittelten. Was von diesen Tugenden, die als
moralische Grundlage und Verhaltenscodex die Gesellschaft jahrhundertelang
zusammenhielt, übrig geblieben ist, bildet sich heute bestenfalls
noch fragmentarisch ab.
Selbst unser ach so hoch gehaltenes
Rechtssystem ist nur noch ein jämmerlicher Papiertiger, der nicht einmal mehr
diesen Namen verdient. Mir scheint, im Falle Anis Amri spielen kriminelle
Energie, Vorsatz, Job-Rettungsstrategien und grenzenlose Exzentrik anmaßender
Beamten tragende Rollen. Exemplarisch zeigt sich der Vorwurf in den jüngsten
Entwicklungen des islamistischen Massenmörders Anis Amri und das
unbeschreibliche Rechts-Desaster, an dem das LKA, der Verfassungsschutz, die
Kriminalpolizei, der Staatsschutz und last, but not least verantwortliche
Politiker involviert waren.
Wer sich eingehender mit dem Fall befasst,
dem läuft es mittlerweile eiskalt den Rücken herunter. Erneut muss sich
NRW-Untersuchungsausschuss zum Terrorfall Anis Amri mit der Rolle eines
V-Mannes bei dem Anschlag in Berlin befassen. Ein interner Behördenvermerk
deute zwingend darauf hin, dass der V-Mann mit dem Geheimkürzel VP-01 auch den
Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri in seinen Anschlagsplanungen
bestärkt haben könnte. Man beachte das Wörtchen „auch“! Wieso fällt mir in
diesem Zusammenhang die NSU ein?
Bei welchen Attentaten oder Anschlägen
diese ominöse Figur möglichweise noch mitgewirkt hat, bleibt im Dunkel
staatlich verordneter Geheimhaltung. Wie praktisch. Das nordrhein-westfälische
Innenministerium teilte lapidar mit: "Wir prüfen das." Festzustellen
bleibt: Der V-Mann war im Umfeld des islamistischen Predigers Abu Walaa aus
Hildesheim aktiv. Gegen Abu Walaa und vier weitere mutmaßliche Islamisten läuft
derzeit ein Prozess vor dem Oberlandesgericht Celle. Nach Auffassung der
Bundesanwaltschaft ist der Iraker mit dem bürgerlichen Namen Ahmad Abdulaziz
Abdullah die zentrale Führungsfigur der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in
Deutschland.
Während sich nach dem blutigen
Weihnachtsmarkt-Attentat die Politelite noch mit hohlen, standardisierten
Beileidsbekundungen künstlich aufblies und wochenlang Politiker jeder Couleur
wie eine Hammelherde lückenlose Aufklärung ohne Ansehen von Personen im
vielstimmigen Chor hinausblökte, herrscht jetzt das Schweigen der Lämmer.
Wichtigere Themen stehen auf der Agenda. Lange, schwierige Wege nach Jamaika,
da hat man keine Zeit, sich um korrupte LKA-Mitarbeiter, um eine zahnlose
Justiz, um dubiose Verfassungsschützer zu kümmern, die mittlerweile aus
gesellschaftlichem Blickwinkel unser Rechtssystem völlig in Frage stellen.
Wie lautet es in dem internen Bericht des
LKA‘s so blumig? „Nachdem der Tunesier Anis Amri mit einem Lkw auf dem
Breitscheidplatz zwölf Menschen getötet und mehr als 60 verletzt hatte, leitete
die Polizei, wie berichtet, viel zu spät eine Großfahndung nach dem Attentäter
ein. Die bei Terroranschlägen vorgesehene Großfahndung („Maßnahme 300“) wurde
erst nach über drei Stunden gestartet.“
Die Polizei suchte weder die Umgebung des
Breitscheidplatzes ab, noch kontrollierte sie Straßen und Bahnstrecken. Die
Einsatzführung sei ungeübt gewesen, heißt es weiter in dem Bericht. Polizisten
seien nicht alarmiert worden, sondern hätten sich selbst in den Dienst
versetzt, weswegen ihnen Kompetenzüberschreitungen vorgeworfen wurden. Sie
hätten keine Aufträge bekommen, sondern in weiten Teilen intuitiv gehandelt. Es
habe Informationsdefizite bei den Einsatzkräften gegeben. Das ist schon keine
Farce mehr, das ist der Irrsinn in Dosen gepaart mit unfassbarer Inkompetenz...
Aber einmal davon abgesehen: Haben die
BND-Fuzzis oder verdeckten Ermittler sich während der „Sozial-Transaktionen“
von Anis Amri -, gleich gegenüber des Amtes für Sozialwesen -, in der Kneipe
eine kleine Pause gegönnt und ne Currywurst mit Majo gegessen? Oder gehört der
Begriff Überwachung zu dem beliebten „wording“ unserer Politiker und bedeutet
eigentlich wegschauen? Ich will unseren Kriminalisten nicht unterstellen, dass
sie sich bei der Überwachung dämlich anstellen. Vielmehr glaube ich, dass eine
Überwachung erst gar nicht erfolgt ist und Jäger nur irgendetwas behauptet, um
sich selbst und seine monatliche Apanage zu retten. Bis jetzt jedenfalls hat
man die Herrschaften auf den Chefsesseln kaum schmerzhaft zu Verantwortung
gezogen. Es herrscht verbissenes Schweigen.
Schon am 1. November 2016 wurde offenbar,
dass zwei LKA-Fahnder die Überwachungsprotokolle in Sachen Ansi Amri gefälscht
hatten und die Observierung des brandgefährlichen Islamisten ohne Begründung
eingestellt hatten. Fest steht aber auch, dass der erste Untersuchungsausschuss
des NRW-Landtags zum Fall Amri seine Arbeit wegen der Landtagswahl im Mai
unvollendet einstellen musste.
Nach der Anzeige des Senats gegen das
Landeskriminalamt ermittelt die Staatsanwaltschaft nun gegen zwei Kommissare,
denen die Fälschung zur Last gelegt wird. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen,
droht den Beamten eine Verurteilung wegen Strafvereitelung im Amt und
Urkundenfälschung. Noch unklar ist, ob es Mitwisser gab. Der Innensenator hat
Konsequenzen angekündigt. Damit meint er offenbar zunächst die Ablösung von
LKA-Chef Christian Steiof, die er in einem Kreis von Koalitionspolitikern
ankündigte. Im Interview mit der Berliner Morgenpost spricht Polizeipräsident
Klaus Kandt von "schwerwiegenden Vorwürfen".
Und wer als naiver Bürger glaubt, diese
Vorfälle seien nur blöde Pannen und es könne nicht schlimmer kommen, der sei
eines Besseren belehrt. Denn vor 8 Tagen tauchte plötzlich eine Zeugenaussage
aus der Islamistenszene auf, der bereits im Juli 2016 das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (Bamf) darüber informiert hatte, Amri sei
"islamistisch radikal". Er wäre nach Berlin gezogen und habe dort
"einen neuen Asylantrag mit einer neuen Identität gestellt". Eine
Kopie der Anhörung lieg der "Frontal 21"-Redaktion und dem Spiegel
vor. Das Bamf wolle sich aus datenschutzrechtlichen Gründen zum konkreten Fall
nicht äußern.
Bereits im April wurde der Bericht
erstellt. Doch Innensenator Andreas Geisel (SPD) kannte ihn nicht. Kandt will
ihn erst noch gegenzeichnen, bevor er ihn am Ende Oktober übergibt. Dass es
nicht früher geht, erklärte er am Montag mit der hohen Arbeitsbelastung. „Dass
die Nachbereitungskommission nicht bekannt war, war mir nicht bewusst. Wir
haben ihre Existenz nicht geheim gehalten.“
Ich fasse zusammen: Anis Amri kam trotz
der Tatsache, dass Kriminalpolizei, Verfassungsschutz, Landeskriminalämter und
Staatsschutz diesen Drecksack rund um die Uhr überwachten, anscheinend sehr gut
über die Runden. Man stelle sich vor, der Kerl schlendert am Monatsende in
Dortmund ins Sozialamt als Machmud Gamal und verlässt das Gebäude wieder als
Mohamed Muamar mit 1.000 Euro durch den Hinterausgang. Danach klappert er
weitere 12 Sozialämter in NRW ab und kassiert jedes Mal mit einem neuen Namen
seine Flüchtlings-Stütze. Spätestens bei solchen, auf der Hand liegenden
Vorgängen muss doch irgendeinem dieser überwachenden Beamtenluschen aufgefallen
sein, dass da irgendetwas nicht stimmen kann. Ich frage mich, ob die
Observationsteams wussten, wen sie gerade in die unterschiedlichen Sozialämter
begleitet haben.
Ich gebe zu, ich wäre zu vergesslich, mir
alle diese Namen, Geburtsdaten und -orte zu merken, um mir im Anschluss bei
meinen diversen Sachbearbeitern im Sozialamt die Kohle aushändigen zu lassen.
Wahrscheinlich hatte Amri immer einen Spickzettel dabei, damit er bei der
Auszahlung nicht durcheinander kommt. Die Lachnummer setzt sich monatelang fort
und ist für mein beschränktes Hirn irgendwie unvorstellbar. Es erstaunt immer
wieder, dass der Justiz und den Beamten ausreichend Zeit bleibt, Parksünder
konsequent und gnadenlos zu verfolgen. Nun ja, ich gebe zu, nur die
Schwarzfahrer in der U-Bahn haben's da leichter.
Noch unvorstellbarer ist jedoch, dass
unsere Parteispitzen inclusive Kanzlerin bei Häppchen, Sekt und entspannten
Mienen den freundlichen Reportern berichten, dass es in Sachen
Sondierungsgespräche bunt und in gelockerter Atmosphäre konstruktive Gespräche
gab. Man sehe hoffnungsvoll in die Zukunft, obwohl der versammelte Haufen von
egomanen Flachdenkern und Dumpfgeistern hätte aufs höchste alarmiert sein
müssen. Wie sagte die Kanzlerin stattdessen so prägnant? Sie sei bereit,
kreative Ideen zu entwickeln.
Ich halte solche Sätze psychisch nicht
mehr aus. Man würde jeden Abteilungsleiter eines Unternehmens angesichts solch
dummdreister Plattheiten auf die Straße setzen. Ich möchte gar nicht daran
denken, wie die visionäre Sicherheitspolitik unserer Pappnasen auf
Ministersesseln aussehen und umgesetzt wird. Oh, Herr…, hilf ihnen, denn sie
wissen nicht, was sie tun. Und wenn doch, dann verschont bitte eure Bürger,
geht nach Hause und ergreift ehrenwerte Berufe, denn die Reputation eines
politischen Amtes ist keinen Pfifferling mehr wert..
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
ich freue mich auf jeden Kommentar