Anis Amrin ist tot. Eine zweiköpfige Streife der Polizia de
Stato hat den marodierenden Tunesier nach einer Flucht von Berlin über Paris,
Turin nach Mailand an der Piazza I Maggio a Sesto Giovanni, ganz in der Nähe
des Bahnhofes erschossen. Würde ich als Autor ein Buch über die Geschehnisse
rund um diesen Terroristen aus der tunesischen „Oase Tataouine“ schreiben, der
Verlag hätte mir das „Drehbuch des Generalversagens“ der deutschen
Sicherheitsbehörden um die Ohren hauen. Schlimmer noch, ich hätte mich
lächerlich gemacht.
Doch beginnen wir mit dem Ende des blutigen Massenmords in
Berlin. Amrin springt nach der Tat aus dem LKW und verschwindet im nirgendwo.
Verfolgt wird aufgrund eines Hinweises ein Pakistani, der sich durch Berlin
Tiergarten in Richtung Siegessäule absetzt. Doch der hatte mit der Tat nichts
zu tun, wie man nach seiner Festnahme erkennt. Gleich nach seiner Entlassung
aus dem Polizeigewahrsam verschwindet der Mann von der Bildfläche, der
eigentlich in seine Flüchtlingsunterkunft hätte zurückkehren sollen.
Das riecht nach einem gut geplanten Zusammenspiel mehrerer
Fluchthelfer. Denn in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch fahndete die Polizei
mit Hochdruck nach dem Tunesier. Eine Kamera zeichnete Amrin nachts um 3 Uhr
vor einer der bekanntesten Salafisten-Moscheen in Berlin auf, die sich schräg
gegenüber einer Polizeiwache befindet. Man möchte es nicht glauben, dass diese
möglichen Rückzugsorte eines Salafisten nicht sofort überwacht wurden.
Stattdessen versorgt er sich dort mit Geld, begibt sich an den Bahnhof und kann
sich offenkundig dort eine Fahrkarte nach Paris kaufen. Und nach einem solchen
Gemetzel Berlin ist das möglich?
Anis Amrin, ein Kerl mit einer Vorgeschichte, die jedem
Bürger den Atem raubt. Er flieht aus Tunesien, weil man ihn schwerem Diebstahl
und Raub vorwarf, als Flüchtling getarnt nach Italien. Dort saß er 4 Jahre im
italienischen Hochsicherheitsgefängnis Ucciardone in Palermo wegen
Brandstiftung, staatsgefährdender Revolte und Mordversuch ein. Gleich nach
seiner Entlassung im Januar 2012 ließ sich als Migrant ohne Pass oder Papiere
an der deutschen Grenze registrieren – und kein Schwein merkt etwas.
Doch, und das war den europäischen Sicherheitsbehörden
bereits bekannt, reiste er schon mit mindestens vier Identitäten durch die
Lande und war als islamistischer brandgefährlicher Gefährder eingestuft. Ab
jetzt wird es hanebüchen. Im April dieses Jahres hat er Asyl in Deutschland
beantragt. Schon Anfang 2016 war gegen ihn wegen Verstoßes gegen das
Betäubungsmittelgesetz, Einbruch und Diebstahl ermittelt worden. Im Sommer fiel
er dann wegen einer gefährlichen Körperverletzung auf. Amri soll sich im
Umkreis des Salafisten-Predigers Abu Walaa bewegt haben, der im Herbst
festgenommen wurde.
Die Polizei hatte Amri im Visier, weil er Kämpfer für den
IS rekrutiert haben soll – und auf der Suche nach Waffen war. Dabei geriet er
an einen V-Mann der Polizei. Zeitweise hat Amri bei einem mutmaßlichen
Dschihadisten in Dortmund gewohnt. Er wurde in der Bundeshauptstadt von März
bis September dieses Jahres observiert. Bei den Ermittlungen sei es um
Informationen gegangen, wonach der Tunesier einen Einbruch plante, um Geld für
den Kauf automatischer Waffen zu beschaffen. Und dennoch ließ man ihn auf
freiem Fuß?
Je mehr Details über seinen Fall und seinen Aufenthalt in
Deutschland bekannt werden, desto absurder erscheint es, dass ein Mensch mit
solch einer Vorgeschichte sich überhaupt so lange hier aufhalten konnte. Amri
saß bereits in einem deutschen Abschiebegefängnis, bevor er im Sommer 2016, auf
Antrag der Ausländerbehörde im nordrhein-westfälischen Kleve, nach nur einem
Tag wieder freigelassen wurde. Er durchquerte munter Deutschland, von Kleve,
nach Dortmund, Berlin und Friedrichshafen, wo man ihn polizeilich aufgriff.
Weil die Überprüfung seiner Daten ergab, dass die Abschiebeverfügung
polizeilich vermerkt war, nahmen ihn die Beamten fest.
Weil aber die Festnahme an einem Sonntag stattfand, ordnete
der Bereitschaftsrichter die Unterbringung von Amri in Abschiebehaft bis zum
nächsten Werktag an. Daraufhin kam er am 30. Juli in die Justizvollzugsanstalt
Ravensburg. Deren Leiter Thomas Mönig bestätigt, dass eine Person namens Anis
Amri an diesem Tag in sein Gefängnis eingeliefert wurde. Aber der blieb dort
nur einen Tag; über das weitere Verbleiben des Häftlings könne er keine Angaben
machen, sagt Mönig. Ja Himmel hilf, sind wir hier in einem satirischen Theater?
In Deutschland ist es Alltag, dass die Polizei wegen 12
Gramm Gras die Polizei -weil "Gefahr in Verzug" -, deine Wohnung
stürmt, aber wegen 12 getöteten Menschen erst mal ein Durchsuchungsbefehl
ausgestellt werden muss. Deutschland ist es wohl auch Alltag, wenn dieser
Durchsuchungsbefehl aufgrund von Schreibfehlern ungültig ist. Und wie es
scheint, stellt es für unsere Sicherheitsorgane auch kein Problem dar, wenn man
mit Haftbefehl und vier Identitäten durch die Bundesländer schwadroniert. Es
ist verhältnismäßig leicht, als Verbrecher auf freiem Fuß zu bleiben, aber
verhältnismäßig schwierig, einen Politiker aus dem Amt zu jagen. Schade!
Nun ja – die Geschichte dürfte in Mailand sein vorläufiges
Ende gefunden haben, denn dort fackelten die Italiener nicht lange. Kaum betrat
dieser Massenmörder italienischen Boden, - man hatte ihn ja bereits in Turin
auf dem Radarschirm -, schon war er erledigt. Danke an meine Landsleute.
Hierzulande dagegen werden sich nicht nur die Sicherheitsbehörden unangenehme
Fragen stellen lassen müssen. Auch die verantwortlichen Politiker werden
unruhigen Weihnachtstagen entgegensehen.
Doch möchte ich nicht versäumen, die Bundespressekonferenz
von heute zu kommentieren. Dort stellen sich nahezu 15 Nasen den dringenden
Fragen unserer Medien. Selten habe ich eine derartige Ansammlung extrem
dilettantische Polit-Statisten erlebt, die auf nahezu alle Fragen mit
„Nichtwissen“ oder „Nichtwissen wollen“ reagierten. Sie sind das direkte Abbild
unserer regierenden Politklasse, die mit „Klasse“ im Sinne von fähig nichts, aber auch gar nichts gemein haben.
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