Deutscher Fortschritt, insbesondere der Politische, hat
einen Namen. Bereits die Idee, den
G 20-Gipfel in der Innenstadt von Hamburg abzuhalten (wer zur Hölle ist überhaupt darauf gekommen?), beweist eine einzigartige, intellektuelle Glanzleistung, wie wir sie ausschließlich bei unseren politischen
Eliten vorfinden. Unter geradezu wegweisenden Anforderungen wie beispielsweise maximaler
Behinderung der Bürger, hat man Monate lang recherchiert, in welcher deutschen Stadt mit den gewalttätigsten Turbulenzen und der erbittertsten
Gegnerschaft zu rechnen ist.
Unter der Prämisse, in welcher deutschen Stadt
voraussichtlich die meisten Autos angezündet und Schaufenster eingeschlagen
werden, wo die meisten Kanaldeckel zugeschweist und die höchste Anzahl von
Anwohnern während des Gipfels in ihre Wohnungen eingesperrt werden können, ist
die Wahl auf das Gelände rund um die Hamburger Messe gefallen. Vorteil: In
unmittelbarer Nähe die berüchtigten Stadtviertel um die Sternschanze, St. Georg
und St. Pauli. Die Herren Regenten haben nicht weit ins Rotlichtviertel. Ob man
allerdings die Bordells hinsichtlich eines geeigneten „wordings“ vorübergehend
als „exklusive Begegnungsstätten“ umwidmet, wird unter höchster Geheimhaltung noch
im Hinterzimmern des Regierungsprechers ventiliert. Schon bei den ersten
Überlegungen wollte man gewährleisten, mit maximal monetären Einsatz und
lückenlosem Kontrollaufwand für optimale Sicherheitsvorkehrungen zu glänzen.
Drei Quadratkilometer Stadtgebiet werden eigens für Regierungspotentaten
von 20 Staaten mitsamt deren Entourage teil. Hinzu gesellen sich neun Vertreter
der erfolgreichsten Ausbeuter auf unserem Globus, wie der IWF, die OECD, WTO
und andere. Für Frau Merkel ist es eine der seltenen Gelegenheiten, Trump,
Erdogan und einigen Luxus-Kameltreibern aus Arabien vorzuführen, wie 15.000
Polizisten und 2.000 deutsche Sicherheitskräfte in wenigen Tagen imstande sind,
50 Millionen Euro alleine in Hamburg zu verpulvern. Das ist natürlich die
offizielle Schätzung. Inoffiziell kursieren Zahlen, die das Doppelte
überschreiten. Offen gestanden, ich bin erleichtert, ich habe schon befürchtet,
das Ganze würde billiger.
Wie man aus gut informierten Kreisen hört, reist der saudische
König mitsamt seinem Thron an, der in einer eigens umgebauten Luxus-Suite
aufgebaut wird. Vermutlich müssen Donald Trump und Angela Merkel bei der
Audienz im Fairmont Hotel Hamburg mit Salman ibn Abd al-Aziz die Liefertermine
für nukleare Raketenwerfer, Leopard Panzer und Marschflugkörper abstimmen.
Möglicherweise erwägt man auch eine Life-Demonstration im angrenzenden
Schanzenviertel mit einem gezielten Dauerfeuer aus der
Krauss-Maffei-Produktion. Die Häuser dort sollten ohnehin schon seit Jahren von
den militanten Störern geräumt werden. Immerhin bringt der omanische Prinz 12
seiner Lieblingskamele mit zum Gipfel, sicher ein völkerverbindendes Zeichen
friedfertiger Absichten. Ob Frau Merkel auch ihren Ehemann mitbringt und wo sie
grasen, steht noch nicht fest.
Natürlich hätte man ein solches Treffen auch auf Helgoland
oder in der Lüneburger Heide anberaumen können. Dort aber wäre man das Risiko
eingegangen, nur Zwei- bis Dreitausend
Demonstranten erwarten zu dürfen. Kein Vergleich zu Hamburg, das mit etwa 50
Tausend Demonstranten rechnet. Dieser Blamage wollten sich unsere Politelite
nicht aussetzen. Schließlich gilt es zu beweisen, dass man in Deutschland durchaus
imstande ist, die Türkei und Erdogan hinsichtlich schwer bewaffneter Ordnungskräfte
zu übertreffen. Dennoch besteht ein gewisses Risiko eines Fehlschlages, vor
allem deshalb, weil Frau Claudia Roth in die Planungen involviert sein soll. Das
wiederum halte ich für ein böses Gerücht.
Glücklicherweise springen die Linken in die Bresche. Gerade
noch rechtzeitig hat an den beiden Gipfeltagen ein Linksbündnis zu einem
„Dreiklang von Gegengipfel, Aktionen zivilen Ungehorsams und einer
Großdemonstration“ aufgerufen. Dabei werden mindestens 100.000 Teilnehmer
erwartet. So hofft zum Beispiel das Bundesamt für Verfassungsschutz nach internen
Informationen, dass die Hansestadt vor und während der Tagung zu einer Art
extremistischem „Tummelplatz“ wird. Haben wir doch ein Glück. Wir sind wieder
wer… Wir werden es der Welt schon zeigen.
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