…eine interessante Betrachtung, die eines analytischen
Blicks hinter die Kulissen bedarf. Die Mitgliedschaft in einer Partei mit ihren
privilegierten Rahmenbedingungen und außerordentlichen Perspektiven bedingen
bei jungen Polit-Aspiranten eine diffuse Motivlage und flexible
Charaktermerkmale. Aber schauen wir uns zunächst die Parteien, ihre Interessen
und Ziele an, die frei von jeder politischen Ausrichtung im Großen und Ganzen
die gleichen sind. Faktisch und real sind sie ausschließlich auf Machterwerb
und Machterhalt ausgerichtet, genau wie deren neuen Parteianhänger aus einer
schlichten Mitgliedschaft eine ihr Leben beherrschende Politikerrolle
anstreben. Immerhin unterstelle ich dem noch unverdorbenen Parteineuling per se
keine niederen Motive, denn er macht sich Hoffnungen, etwas zu verändern.
Das Hineinwachsen in politische Ämter setzt weder besondere
Intelligenz oder Kompetenz noch überragendes Sachwissen oder solide
Berufserfahrung voraus. Die Partei ist vielmehr ein Sammelbecken von Menschen,
für die Stellen, Titel und Karrieren innerhalb einer heterogenen Organisation
reizvoll sind, und die sie im Berufsleben gar nicht oder nur schwer erreichen
könnten. Im Prinzip finden sich „Gesinnungsmitglieder“ zusammen, die in der
Zugehörigkeit einer Gruppe Geborgenheit, Akzeptanz und auch Toleranz erfahren,
ohne gleichzeitig einer Leistungskontrolle unterworfen zu sein. Dort fühlt man
sich vordergründig aufgehoben und verstanden. Die in Parteien vorherrschende,
innere Kumpaneien-Systematik und anbiedernde Netzwerkarbeit tut das ihre.
Hilfst du mir, helfe ich dir, eine gängige Methode, um sich beliebt zu machen
und dabei auf Unterstützung zu hoffen, die man selbst beim anderen natürlich
niemals einlösen wird.
Man muss eine Menge Kreide fressen, bevor Aussicht auf die
Erlangung eines Listenplatzes besteht. Ab dann wird es ernst, denn ab jetzt
zeigen sich Fähigkeiten wie Heimtücke, Hinterhältigkeit und Verschlagenheit als
notwendige Grundlage, um den Parteifreund beim Vorwärtskommen zu hindern und um
sich selbst in Stellung zu bringen. Doch unethische Attribute und
hinterhältiges Mobbing reichen bei weitem nicht, um beim beschwerlichen Sprung
in die Landesliste auch einen der oberen Plätze zu erringen. Den Beweis haben für alle ambitionierten Nachrücker
schon vor Jahren Claudia Roth, Anton Hofreiter oder auch Frau Göring-Eckart
erbracht.
Schon während dieser Zeit werden die Aspiranten fürs
Karriere-Trampolin monatlich mit 200 bis 300 Euro zur Kasse gebeten. Und damit
die Parteien sich mit dieser Zwangsabgabe nicht in den Fallstricken der
Finanzbehörden verheddern, hat das Kind auch einen unverfänglichen Namen:
Aktiver Wahlkampfbeitrag. Da nimmt man auch mal ein gefälschtes Abiturzeugnis,
einen unzulässigen akademischen Grad oder einen getunten Lebenslauf in Kauf.
Eintrittsgelder dagegen sind willkommen. Und wenn so ein schlichter
Polit-Parvenu genügend Kollegen und Parteifreunde vor die Wand hat laufen
lassen, darf er dabei helfen, das Volk zu regieren.
Ganz anders in der normalen Arbeitswelt, in der entwickelte
Fähigkeiten, Leistungsnachweise und Konkurrenz den Alltag bestimmen. Die
politische Gruppe bietet also Schutz und Gegenwehr und damit auch Sicherheit.
Der gemeinsame Feind ist die Welt außerhalb der Gruppe bzw. der gegnerischen
Partei. Den Blick nach oben gerichtet winkt ein korrumpierendes
Versorgungssystem für Spitzenpolitiker und übt naturgemäß eine maximale
Anziehungskraft aus, zumal immer wieder Mitglieder aus eigenen Reihen in den
parteiinternen Hierarchien aufsteigen.
Nur wer raffiniert genug ist, und nur, wer mit größter
Scheinheiligkeit den Mitbewerber in den eigenen Reihen an die Wand laufen
lässt, wird es weit bringen, das begreift selbst der unterirdischste Geist
innerhalb der Partei sehr schnell. Auch beim schlichtesten Gemüt werden
hinterfotzige Diffamierungen und intrigante Heuchelei zur zweiten Natur und er
begreift, dass damit die Wege nach oben frei werden, solange man sich den
kollektiven Parteiinteressen unterordnet. Moderne Parteien ähneln also
Franchise-Unternehmen, in denen die entsprechende Programmatik übernommen wird,
weil sie notwendigerweise vorgegeben ist. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob
sie mit den eigenen Überzeugungen tatsächlich übereinstimmt. Parteiintern nennt
man solche unsicheren Partei-Kandidaten linke oder rechte Flügel. Hört sich gut
an und entschuldigt gleichzeitig Widersprüche. Trotzdem, kostenlos ist das
alles nicht.
Übersetzt heißt das: Hat man sich im Spiel
innerparteilicher Täuschungsmanöver und des gegenseitigen Ausbremsens bewiesen
und mit seinem „diplomatischen“ Geschick das Sprungbrett in eine gesicherte
Rentenzukunft erreicht, wird’s teuer. Dann heißt es, das Sparkonto plündern
oder im Zweifelsfall die liquide Verwandtschaft anzupumpen. Um für den Landtag
aufgestellt zu werden, werden zwischen 3.000 und 5.000 Euro fällig,
gleichgültig welche Partei. Ein Grüner könnte sofort zu den Schwarzen wechseln,
die Bedingungen sind die gleichen und er müsste sich kaum umstellen.
Dabei spielt es keine Rolle, ob das angestrebte
Ziel in den Landtag gewählt zu werden, auch erwünschten Erfolg hat. Selbst wenn
doch, gibt es zwischen einem Karriereschritt in den Landtag und dem Teppichhandel in Izmir kaum einen Unterschied und mit dem
Deal unter guten Freunden sehr verwandt. Denn mit dem Mandat sind mit einem
gewissen Automatismus lukrative Aufsichtsratsmandate verbunden, deren Einkünfte
mit mindestens 10% an die Partei dauerhaft zurückgeführt werden müssen. Jeder,
der sich für eine Mitgliedschaft in einer Partei interessiert, weiß das.
Insofern spielt es auch keine Rolle, wie hoch der Grad eigener Verblödung ist
oder welche innere gesellschaftliche oder parteipolitische Haltung man
einnimmt. Im Zweifelsfall keine.
Jetzt, da einer der wichtigen Schritte getan ist, will der
ehrgeizige Pateizögling auf dem halben Weg zur Glückseligkeit nicht einfach
seine Bemühungen einstellen. Verständlicherweise. Die Verlockung hat einen
Namen. MDB! Mitglied des Bundestages. Auch diese Mitgliedschaft muss man
erwerben. Möglicherweise kann der Aspirant, - ob Genosse oder Christ - sofern
er denn auf der Leiter der Listenplätze die Letzte Sprosse erklommen hat, auf
die reiche Erbtante zurückgreifen.
Ab 15.000 Euro Wahlkampfbeitrag kommt er in den Genuss, in
Zukunft mit den großen Hunden pinkeln gehen zu dürfen, auch wenn er das Bein
noch nicht so hochheben kann wie ein etablierter Leitwolf. Der nämlich hat
bereits seine Lobbyisten, die ihm den Betrag ersetzen. Dem politischen Newcomer
dagegen winken mit einer solchen Eintrittskarte stämmige Eichen – genannt
Diäten und Rentenansprüche. Massive Aufsichtsratspfosten am Wegesrand nicht
mitgerechnet. Deutsche Gerichte haben diese Art von Deals zwar längst verboten.
Nutzt aber nichts, denn wer nicht zahlt, wird auch nicht aufgestellt.
Der Run auf Rente und Versorgung hat begonnen. 7.500 Euro
monatliche Zuwendungen winken für Büro für Arbeitsaufwendungen. Dieser Betrag
wird als Basis für zukünftige Rentenansprüche einbezogen und sorgt somit für
eine sorglose Zukunftsperspektive, egal wie schlicht der neue Politik-Dödel
gestrickt ist. Kein deutscher Unternehmer könnte seine Bürokosten für seine
Geschäftstätigkeit in die Rentenberechnung einbeziehen. Nun ja, ich kann‘s ja
verstehen, ich würde die Investition in meinen Schreibtisch auch gerne
verrentet sehen. Was tut man nicht alles für ein Wassergrundstück in bester
Lage und eine sichere Zukunft. So dumm kann niemand sein, allerlei
Unwägbarkeiten im Zuge seiner Karriere in Kauf zu nehmen, auch wenn es mit
eigener politischer Überzeugung nichts mehr zu tun hat.
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