Jahrelang war Winterkorn der Herrscher aller VW-Reusen.
Er strich bis zu 18 Millionen Jahresgehalt ein, regierte wie ein
Alleinherrscher, galt als unantastbar, unfehlbar, unverzichtbar. Selbst die
Politik kuschte, insbesondere Dobrindt und Konsorten.
Bei Angela Merkel ging er ein und aus gab die Richtung vor, wenn es um die Gestaltung unliebsamer Gesetze hinsichtlich fragwürdiger Technik ging. Winterkorn nutzte mit Verve, machtvollem Nachdruck und ohne Rücksicht auf Verwandte alle Privilegien, die ein Mann in seiner Position durchsetzen konnte. Knochenhart und rücksichtslos, wenngleich mit höflichem Umgangston.
Selbst Ferdinand Piech musste im Jahr 2015 wegen
massiven Vertrauensbruch zwischen den beiden dran glauben. Doch wer dem alten
Haudegen Piech ans Bein pinkelt, hat auf Sicht gesehen nichts zu lachen. Zwar
sicherte sich Piech sein Vermögen, hat dem Vernehmen nach gekocht, als er ging.
Dann wurde es ruhig um ihn, ein sicheres Zeichen, dass in Piechs Villa wahrscheinlich
die Telefondrähte glühten. Kurz nach dem spektakulären Ausscheiden von Ferdinand,
dem Unnachgiebigen, begannen in den USA die Ermittlungen in Sachen Diesel und
der massenhafte Betrug flog auf. Ein Schelm, der etwas Böses denkt.
Geständige Zungen ehemaliger Manager, die in den USA
zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, berichteten hinter vorgehaltener
Hand, dass Ferdinand ein paar unschöne Details der amerikanischen Justiz hat
zukommen lassen. Seine exzellenten Kontakte zu hochrangigen Politikern in den
USA sprechen für sich. Ein Telefonat hier, ein Gespräch unter Freunden in einer
Hotellobby dort, und schon beginnt das Räderwerk zu laufen. Jetzt macht die US-Justiz
dem Allmächtigen Martin den Garaus. Sie beantragte Haftbefehl gegen Winterkorn.
Während sich alle Medien mit der Sensationsnachricht geradezu
überschlagen, dass Winterkorn nur noch in Deutschland „urlauben“ darf, weil er
ansonsten Gefahr läuft, am Strand von Waikiki oder auf den Seychellen verhaftet
und ausgeliefert zu werden, ist der Blick auf Ursache und Wirkung weitaus
interessanter. Piech ist ziemlich elegant seinen Todfeind losgeworden. Selbst
seine eigene Familie muss nun bei Ferdinand Abbitte leisten. Ich sehe es kommen,
Piech wird über kurz oder lang wieder die Strippen ziehen.
Für Winterkorn jedoch wird es eng. Deutschlands
Vorzeigemanager wird in die Annalen der Gefängnisgeschichte eingehen. Die
Braunschweiger Staatsanwaltschaft pflegt regen Austausch mit den
Ermittlungsbehörden Detroit. Die amerikanische Staatsanwaltschaft wirft Winterkorn
Verschwörung zur Täuschung der Behörden bei den Diesel-Abgasmanipulationen vor.
Eine Auslieferung muss der 70 Jahre alte Martin zwar nicht fürchten, aber
deshalb wird die Lage für König Winterkorn nicht gerade angenehmer. Denn nun
machen die deutsche Justiz und auch der VW-Konzern ernst. Was bislang als
undenkbar galt, jetzt ist Martin zur heißen Kartoffel mutiert.
Schadensersatzforderungen seitens des Konzerns dürften Winterkorn in den Ruin
treiben und nicht nur das.
Winterkorn drohen in den USA bis zu 25 Jahre Haft. Das
bekommt er in Deutschland günstiger. Dennoch dürfte der Knast unausweichlich
für ihn und seine 30-Millionen-Rente futsch sein. Die amerikanischen Erkenntnisse
sind ungefiltert in die Ermittlungen der Braunschweiger Staatsanwaltschaft eingeflossen.
Die amerikanischen Ermittler gehen davon aus, dass Winterkorn bereits im Mai
2014 über Unregelmäßigkeiten bei Dieselabgaswerten informiert wurde.
Im Juli 2015 sei bei einem Treffen in der Wolfsburger
Konzernzentrale im Beisein von Winterkorn und anderen VW-Managern über mögliche
Konsequenzen beraten und schließlich vorgeschlagen worden, die
Abschalteinrichtung in VW-Modellen nicht offenzulegen. Winterkorn habe diesem
Vorgehen zugestimmt. Wer alles damals am Konferenztisch saß, ist öffentlich
noch nicht bekannt. Mich allerdings würde es nicht wundern, wenn der damalige Ministerpräsident
Niedersachsens und Mitglied des Aufsichtsrates bei VW Stephan Weil ebenfalls
bestens informiert war.
Der Zeitpunkt des Elefantentreffens September 2015 markiert
auch das Datum, zu dem Ferdinand Piech mit Mehrheitsbeschluss und vor allem auf
Betreiben Martin Winterkorns aus dem Konzern gedrängt wurde. Tja, wie sagt der
Volksmund so schön? Wer anderen eine Grube gräbt… Im Fall Winterkorn ist die
Grube, in die er nun fällt, besonders tief. Auch deshalb, weil man dem Manager
nachweisen kann, dass er kurz vor Bekanntwerden der US-Ermittlungen, große
Teile seines Vermögens auf die Immobilienfirmen seiner Frau übertragen hatte.
Nicht nur mein Mitleid, sondern auch das, Hunderttausender
beschissener Dieselfahrer dürfte sich in Grenzen halten. Das Einzige, was
wirklich bedauerlich ist, dass die miesen Kummeleien, Absprachen und gegenseitigen
Ablasshandel zwischen unserem ehemaligen Verkehrsminister und dem ehrenwerten
Herrn Winterkorn keine Folgen haben werden. Selbst der Ex-Ministerpräsident von
Niedersachsen dürfte ungeschoren davonkommen.
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