Direkt zum Hauptbereich

Wie man in Sizilien ein Haus kauft oder das Schnäppchen im Süden

Ein ganz und gar lebensentscheidendes Unterfangen soll auch das Letzte für mich sein, das ist mir völlig klar. Umso planvoller, aber auch mit großer Vorfreude gestalteten sich meine Vorbereitungen. Der Kauf eines Hauses in Sizilien und anschließend, wenn alles geklappt hat, Umzug zurück in die Heimat.



Als Italiener reißen alte Beziehungen in die Heimat niemals ab. Sie sind geradezu existentiell was die Seele, das Herz und das allgemeine Wohlbefinden angeht. Abgesehen davon erleichtern sie ein Unterfangen dieser Dimension ungemein, zumal auch „gut Ding“ absolut keine Weile haben will. 

Oft habe ich darüber nachgedacht, was die immerwährende Sehnsucht und das Heimweh eines Auslands-Italieners irgendwann einmal wieder nach Hause treibt. Möglicherweise, weil uns in Deutschland „il vero l’amore con passione, la musica, sole, mare und mangiare in compania“ so sehr fehlen, vielleicht auch weil die Zitronen bei uns blühen, oder weil wir die weltbeste Fußballmannschaft haben, vielleicht aber auch, weil wir auf unsere Vergangenheit so stolz sind und stets unsere Vorfahren in Ehren halten. Ich atme durch, der Hauskauf steht an.

Nun weiß jeder Italiener, bei größeren Investitionen sind Amici die einzig erfolgsversprechende Voraussetzung, wenn man beispielsweise ein funktionsfähiges Auto, einen Fernseher oder einen Telefonanschluss benötigt. Nur beim Kauf eines Hauses wirds ein wenig aufwendiger. Da gilt die Regel: Man muss die richtigen Leute kennen, sonst hat man schlechte Karten. Schon deshalb pflegen wir Italiener Freundschaften ein Leben lang.

Von jemandem, der jemanden kennt wurde mir das ultimative Schnäppchenhaus angeboten. Wie das eben so ist, im Armenhaus Europas, ein Schnäppchen kann viel, genauer gesagt, alles bedeuten. In diesem Fall handelte es sich bei der Okkasion um eine Ruine. Ein Sizilianer würde sie als "noch bewohnbar aber renovierungsbedürftig" bezeichnen. Einem Deutschen käme beim Anblick des Objektes nur die Abrissbirne und ein Radladlader in den Sinn, um später den Schutt wegzuräumen. Danach würde er eine Villa darauf errichten und Fotos an Leute in der Heimat schicken, die er nicht leiden kann. 

Für uns Italiener sind solche Vergleiche natürlich obsolet. Immerhin stand der windschiefe Immobilienschrott auf einem Grundstück mit unverbaubarem Blick auf das „Mare“. Aber die Entscheidung, in Sizilien ein Haus zu kaufen, kommt einer Sisyphos-Aufgabe gleich, bei der sich ein Deutscher aus Recklinghausen, Bochum oder Wanne-Eikel die Frage stellen würde, ob er besser von einer Autobahnbrücke springen oder sich in der Garage seiner Ex-Frau erhängen sollte. Damit alle Romantiker, die Eigentum auf der Insel erwerben wollen, wissen, was auf sie zukommt, hier mein Bericht. 

Alles begann mit einem guten Freund. Er heißt Luigi und er lebt in Palermo. Was er dort genau tut, ist vielfältig und ich erspare mir die Nebensächlichkeit, wie er sein Geld verdient, zumal die Aufzählung hier den Rahmen sprengen würde.

Luigi kennt Salvatore. Der hat einen Kumpel in der Gemeinde und ist bestens über die Immobilien in Castel di Tusa informiert. Und dieser Kumpel, Sandro mit Namen, der hat wiederum eine Tante, die mit Maria verwandt ist. Sie hat vor drei Jahren den Sohn vom Angelo geheiratet. Dazu muss man wissen, dass Angelo der Bruder von Andrea ist und einen Cousin im Nachbarort hat, der dort eine Pizzeria betreibt. Dessen Koch ist der Freund von Pietro und lebt mit der der Nichte des Hausbesitzers zusammen, dessen Haus ich ja kaufen soll.

Allerdings ist der eigentliche Besitzer letztes Jahr verstorben, was aber weiter nicht tragisch ist. Denn seine Tochter, die schon seit Jahren mit Enrico, dem Schwager von Calogero verheiratet ist, hilft gerne. Ihr Ehemann ist zufällig Bürgermeister und in Personalunion gleichzeitig örtlicher Mafiapate von Castel di Tusa. Er war, wie kann es anders sein, entfernt mit meinem Vater, Gott hab ihn selig, verschwägert. Daher kannte er auch den Mafiacapo Don Cicio im Nachbarort Castelbono. Und da das Grundstück meines zukünftigen Hauses an der Gemarkungsgrenze des Nachbarortes liegt, ist es seit 61 Jahren ein Präzedenzfall hinsichtlich geregelter Besitzverhältnisse. 

Dazu muss man wissen, dass Calogero einen freundschaftlichen Umgang mit dem örtlichen Pfarrer pflegt, was nicht ungewöhnlich, nichtsdestoweniger aber erklärungswürdig ist. Luigi hat mir im Vertrauen erzählt, dass der Pate Don Cicio dem Pfarrer noch mehrere Gefallen schuldet, nicht nur, weil er jede Menge Sünden auf sich geladen hat, sondern weil auch dessen Eltern in dem besagten Haus sehr preiswert gewohnt haben, das ich kaufen will. Insofern ist dieser Umstand sehr günstig, dass sich für mich alles zum Guten entwickeln wird. Der aufmerksame Leser begreift sehr schnell, dass es in Sizilien immer von Vorteil ist, den Pfarrer, den Bürgermeister und den örtlichen Mafia-Paten auf seiner Seite zu haben.

Leider wird es jetzt für einen Nicht-Insider ein wenig unübersichtlich, denn man muss dabei berücksichtigen, dass Nonno Sarini mit dem Nachbarn jahrzehntelang verfeindet war, weil er vor 43 Jahren Angelos Mutter verführte und mit ihr ein uneheliches Kind hatte, das, wie man in Castel di Tusa hinter vorgehaltener Hand erzählt, in Wirklichkeit aber von Massimo stammen soll. Nun ja, Luigi weiß die Einzelheiten nicht mehr so genau, meint aber, dass sie letztendlich bei den Kaufverhandlungen auch nicht mehr ausschlaggebend wären. Wo war ich gleich nochmal stehengeblieben ….?  Ach ja, beim Hauskauf.

Um die komplexen Zusammenhänge besser zu verstehen, muss ich, zumal ich mich nicht verzetteln will, noch einen weiteren, erschwerenden Umstand erklären. Also, der Salvatore hat aufgrund der Umstände auch bei Massimos Frau vorgefühlt, ob das Haus immer noch zu haben ist. Die soll angeblich nur mit den Schultern gezuckt haben, was alles und nichts bedeuten kann. Jedenfalls blieb sie wortkarg und meinte nur, man müsse mit Silvio Pantani sprechen. Daraufhin hat Salvatores Bruder beim Ortspaten von Castelbono bei Pantini vorgesprochen, der damals seinen Leibwächter Rosario beauftragte, die Sache zu regeln, damit die Immobilie in der Verwandtschaft bleibt, weil Pasquale schon immer scharf auf das Haus war. Und weil er überdies auch noch eifersüchtig auf den Nachbarn war und deshalb meinen Vater Roberto – Gott hab ihn selig, nie leiden konnte, hat Pasquale auch das Haus nicht bekommen. Aber jetzt ist ja alles ganz anders. Ich weiß, das klingt alles ein wenig chaotisch, ist aber im Grunde ganz einfach, wenn man sich ein wenig in Sizilien auskennt.

Und wenn man dann noch weiß, dass dieser Rosario vor etwa 8 Jahren dem Massimo die Frau ausgespannt hat, und zwei Jahre später mit Rosanna in den verfeindeten Nachbarort umgezogen ist, werden die Dinge klarer, zumal seinerzeit ein dubioser Mafioso im Auftrag von Salvatores Bruder den Ehebrecher umbringen sollte. Lange Rede, kurzer Sinn, Massimo ist während des Umzugs auf mysteriöse Weise verschwunden, was aber weiter kein Aufsehen erregte, niemanden interessierte und auch die Sache mit meinem Hauskauf nicht unnötig erschweren sollte.

Viele in der Stadt Tusa vermuten, dass Massimo in einer abgelegenen Zisterne liegt und winken gelangweit ab, zumal schon lange Gras über sie Sache gewachsen ist. Deshalb konnte Pasquale auch gestern mit Luigi relativ entspannt über das Haus sprechen und ist mit ihm nach einem Espresso in der Bar „Bel Soggiorno“ zum Rathaus von Castel di Tusa gegangen, wo ja auch die Maria arbeitet. Die beiden kennen sich schon seit Kindesbeinen und sie hilft gerne, besonders, wenn es um Grundstücke und schwierige Besitzverhältnisse geht.

Maria putzt dort seit ewigen Zeiten die Büros im Rathaus und hat deshalb auch einen positiven Einfluss auf den Bürgermeister, zumal sie extrem gut gebaut ist, geradezu grandiose Brüste hat und wie man hört, dem Bürgermeister ab und zu gewogen sein soll. Abgesehen davon kann man natürlich den Ortsvorsteher schlecht übergehen, zumal er wiederum auf den Ortspaten der Nachgemeinde angewiesen ist. Und da auf dessen Gemarkung mein zukünftiges Haus steht, ist die Sache sensibel. Schon deshalb muss man ihn natürlich in solch grundsätzliche Fragen einbeziehen.

Insbesondere dann, wenn es um die Frage geht, wie man das mit dem Haus ohne Aufsehen zu erregen am besten regelt, das ich kaufen will. Weil aber die Nachbarin, mit der er damals in der Schule in die gleiche Klasse gegangen ist, seinen Rat schätzt, bestehen wegen des guten Verhältnisses zu ihr gute Chancen. Aber Genaueres weiß Luigi auch nicht. Denn irgendjemand, den wir beide nicht kennen, dafür aber die Nachbarin, war dem Bürgermeister auch noch einen Gefallen schuldig. Jetzt habe ich irgendwie den Faden verloren. Immerhin, ich habe jetzt endlich das Haus. 

Um es auf den Punkt zu bringen, die Bude ist eine echte Schrottimmobilie. Allerdings ist die Lage grandios. Zum Glück ist es in Sizilien heiß und ich kann im Meer baden, denn hier gibt es ausreichend Wasser, sogar aus der Wand meines neuen Hauses, obwohl dort definitiv kein Wasseranschluss vorhanden ist. Ich habe das selbst nachgeprüft. Das soll mich jetzt nicht weiter beunruhigen, zumal die Zikaden auf dem Grundstück einen Höllenlärm machen und meine Augen im Hochgefühl des Anblicks verträumt über die Bucht von Messina wandern. 

Nach der Besichtigung will ich die Tür zum Haus abschließen. Sie ist dabei aus der Verankerung gefallen. Aber was solls. Es gibt hier ohnehin nix zu holen. Außerdem sind Südländer durchweg ehrliche Leute. Ich habe bereits den Handwerker bestellt. Er kommt vielleicht morgen, wahrscheinlicher aber ist, dass erst ein paar Wochen verstreichen, bevor er übermorgen kurz vorbeischaut. Wenn ich Glück habe.

Ich werfe noch einmal einen Blick auf die baufällige Bruchbude. Es gibt dort keinen Strom, keine Sickergrube und seit meinem Versuch, das Haus abzuschließen, auch keine Tür mehr. Zum Ausgleich liegt im Wohnzimmer weißer Carrara-Fußboden mit luftdurchlässigen Rissen und freier Sicht zum Untergeschoß. Ich blicke durchs Fenster in den Garten. Immerhin gibt es hinterm Haus neue Wäscheleinen und drei verrostete Gartenstühle. Mein Blick fällt aufs windschiefe Dach. Sofort schießt mir eine alte sizilianische Binsenweisheit durch den Kopf: Das Dach ist dicht, aber nur, wenn es nicht regnet.

Macht alles nichts, denke ich. Mit guten Verbindungen, vielen Amicis und einem paar Tausend Euro Schmiergeld werde ich das Kind schon schaukeln. Ich habe jetzt ein Haus am Meer und bin stolz wie ein Spanier. Wie heißt es in meinem Vertrag: Gekauft wie gesehen. Das ist natürlich manchmal von Nachteil, zumal ich noch nicht genau weiß, mit wem ich eigentlich den Kaufvertrag abgeschlossen habe. Aber in Sizilien spielt das keine wirklich wichtige Rolle. Was zählt ist der Besitz und der gute Wille.

 

Kommentare

  1. Kann das sein, dass man da denkt, mit diesem italienischen Tedesco kann man es machen?

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

ich freue mich auf jeden Kommentar

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Duell – Höcke auf der medialen Schlachtbank

Wenn bis jetzt den weniger politisch interessierten TV-Konsumenten noch nicht klar war, mit welchen pervertierten Formaten unliebsame Persönlichkeiten auf die Schlachtbank geführt werden, um sie mit Hilfe halbgarer Haltungsmoderatoren zu filetieren, durfte gestern um 20 Uhr 15 sein „deja vue“ erlebt haben. Das Ziel seines politischen Gegenspielers Mario Voigt, den Vorsitzenden des Thüringer Landtages Björn Höcke noch rechtzeitig vor den Landtagswahlen vollkommen zu diskreditieren, scheiterte kläglich. Schließlich schwebt das "35 Prozent-Damoklesschwert" der AfD wie die Hiob'sche Heimsuchung über den Köpfen der Medienmacher und der Altparteien.  Da vermochten auch die beiden auf Krawall gebürsteten konformistischen TV-Ideologen Tatjana Ohm und Jan Philipp Burgard dem Ganzen nicht einmal ansatzweise ein angemessenes Niveau verleihen. Faire und unparteiische Moderation sieht anders aus. Ohm und Burgard legten sich mit ambitioniertem Engagement ins Zeug, dem nichtssagenen B

Wenn Tatbeteiligte die Haupttäter reinwaschen

Der erste Lockdown in der Corona-Pandemie jährt sich zum vierten Mal. Nachdem sich die Schlinge um die Hälse der politischen „Impf-Orgiasten“, Lockdown-Fetischisten, Maskenprofiteure und Weltuntergangsprediger Tag für Tag enger zuzieht, sucht Olaf Scholz nun Hilfe bei seinen Komplizen. Der Bundeskanzler hat einen neuen Expertenrat Gesundheit und Resilienz einberufen. Ethikrat-Chefin Alena Buyx soll die sich anbahnende Apokalypse mit ihren „Mannen“ aufhalten, oder zumindest in Bahnen lenken, um den allzu forschen politischen Predigern des Impfheils das „Volkstribunal“ zu ersparen. Die Stimmen in Regierungskreisen und auch in der Opposition werden immer mehr, immer lauter und immer eindringlicher, den vorsätzlich inszenierten pandemischen Supergau aufzuarbeiten. Dass unsere Regierung bereits vorbaut, ist unübersehbar. Sie greift angesichts der kaum noch zu verschleiernden Katastrophenmeldungen zur „Ultima Ratio“. Wer, wenn nicht die höchste und über jeden Zweifel erhabene Instanz de

Baerbocks Tagesthemen-Interviews in Zukunft nur noch mit Untertitel?

Nein, wir haben keine Außenministerin, Deutschland hat einen kosmetisch optimierten Bundessprachfehler. Wenn Annalena nicht nur zum TV-affinen Publikum spricht, sondern auch qualifizierten Pressevertretern Fragen kompetent und fachkundig beantwortet, können selbst hartgesottene Zuschauer intellektuell kaum noch folgen. In ihrem gestrigen „Tagesthemen“-Interview sorgte unsere Sprach-Influencerin in den Netzwerken für maximale Irritationen. Da jagte eine unverständliche Wortschöpfung die nächste, gefolgt von aufsehenerregenden Neologismen, eingebettet in verquaste Sätze, deren Sinn sich allenfalls eingeweihten Linguistikern oder erfahrenen Logipäden erschloss.  So mancher politikbeflissene Zuschauer auf dem heimischen Sofa musste nach der Sendung ratlos zurückbleiben, betrat Annalena doch beherzt und entschlossen linguistisches Neuland. Selbst in den sozialen Netzwerken herrschte in weiten Teilen Verwirrung, die sich in Tausenden Kommentaren bei "X", "Facebook" und