Der erbärmliche Umgang unseres Staates
und insbesondere unserer Kanzlerin mit Opfern und Hinterbliebenen des blutigen
Anschlages auf dem Breitscheidplatz in Berlin sucht Seinesgleichen. Der
terroristische Anschlag wird sich in wenigen Tagen jähren. Diesen Tag haben die Opfer
zum Anlass genommen, nun einen offenen Brief an Frau Merkel zu richten. Das
Schreiben, das in vielen Print-und Onlinemedien gestern veröffentlicht wurde,
dürfte bei unserer Kanzlerin dennoch kaum Wirkung zeigen, ist er doch in einer
versachlichten Sprache verfasst, die die wahre Dramatik, das Leid und die
Verzweiflung der Leidtragenden verbirgt.
Dass sich auch nach einem Jahr
hinsichtlich Terrorbekämpfung, Überwachung von Gefährdern oder die Bedrohung
von Islamisten nicht viel getan hat, ist evident. Selbst heute schieben sich
noch Dutzende Ermittlungsbehörden, die mit dem Attentäter Anis Amrin befasst
waren, Versagen, Schlamperei, Untätigkeit und Unvermögen gegenseitig in die
Schuhe. Der Staat trägt wie immer, keine Verantwortung. Doch wer ist in diesem
Falle der Staat?
Es sind Beamte, Bedienstete,
Behördenleiter und Politiker, die stets bei solch tragischen Ereignissen als
erste Repräsentanten vor die Kameras treten und kondolieren, dass die Schwarte
kracht. Es sind jene abgewichsten Staatsvertreter, die sich selbst mit empörten
Betroffenheitsfloskeln in den Mittelpunkt rücken und die Gelegenheit nutzen,
mediengerecht Krokodilstränen zu vergießen. Floskeln und Vokabeln, kleine
Beruhigungspillen, wie finanzielle Hilfe, Überbrückungsgelder für Härtefälle,
unbürokratisch und unkompliziert ausbezahlt, sie perlen wie mundgekaute
Tranquilizer über deren Lippen. Es gilt den öffentlichen Wellenschlag, der zum
bedrohlichen Tsunami werden könnte, im Vorfeld in geordnete Bahnen zu lenken.
Doch bis heute hat die überwiegende
Mehrheit der Hinterbliebenen noch keinen Cent gesehen. Sie kämpfen sich nach
wie vor durch einen unentwirrbaren Dschungel von komplizierten Fragebögen,
Verechnungsvorschriften für Renten, werden mit inakzeptable Antragsstellungen
konfrontiert, mit der Herbeibringung von Rentenansprüchen bombardiert und der
Einforderung von Einkommensnachweisen genötigt. Schmerzensgeld? Wer zu viel
verdient, geht leer aus. Alleinstehende Mütter, deren Ernährer nun fehlt,
wurden mit Minibeträgen abgespeist. Bei mehr als 50% der Betroffenen wurden bis
Ansprüche negativ beschieden. Die anderen kämpfen noch. Eine Kafkaeske der
besonderen Güte, wie sie der Autor von damals nicht bedrückender hätte verfassen
können.
Und über allem steht eine autistische
Kanzlerin, die es mit ihrer bejammernswerten Empathielosigkeit bis heute noch
nicht fertiggebracht hat, den Familien persönlich ihr persönliches Bedauern
auszusprechen. Die Empörung der Opfer ist umso größer, zumal inzwischen
hinreichend geklärt ist, dass das Attentat erst durch massives
Behördenversagen, der Unfähigkeit hoher Beamter, die Verantwortungslosigkeit
einiger Minister und die unfassbarere Schlamperei von Ermittlern möglich
geworden war.
In einer Zeit, in der die Bedrohung
durch Islamisten zugenommen habe, sei versäumt worden, "die Reformierung
der wirren behördlichen Strukturen" voranzutreiben, so die Angehörigen in
ihrem Brief an die Kanzlerin. Doch die rührt sich nicht. Weiter monieren die
Angehörigen, dass sie nach dem Anschlag am 19. Dezember 2016 vom Staat nicht
unterstützt worden seien, obwohl man in Gedenkstunden und Gottesdiensten am
Rande vollmundig erklärt habe, dass die Politik ihnen zur Seite stünde. Kaum
war der gruselige Hype verebbt, verschwanden die vollmundigen Politiker von der
Bildfläche und gingen in den Verteidigungsmodus. Es ist zum Kotzen, wenn man
über die Gefühlsverrohung unserer politischen Gesellschaft nachdenkt, die
nichts weiter tut, als für sich selbst zu sorgen.
Was ist
das für ein Land, indem private Organisationen, ja sogar englische LKW-Fahrer
Geld und Spenden für Schwerstverletzte sammeln, indem Bürgerinitiativen für
Wohnungen sorgen, weil Opfer die Mieten nicht mehr bezahlen können? Wo bleibt
da die Fürsorge einer Kanzlerin, die alle Hebel in Bewegung setzen müsste, um
das Totalversagen eines Staates einigermaßen wiedergutmacht? Fehlanzeige!
Stattdessen werden Hürden von einer seelenlosen Bürokratie errichtet, um
jedwede Forderung abzuwehren oder zu atomisieren.
Liebe Frau Merkel, ich schließe mich
voller Empörung und auch Wut den Opfern des Breitscheidplatzes an, indem ich
mein völliges Unverständnis über Ihr Verhalten ausdrücke. War es nicht möglich,
das Büro in der Staatskanzlei anzuweisen, persönliche Briefe zu verfassen und
sie den Leidtragenden übermitteln zu lassen? Fehlt es Ihnen an Verständnis? An
Mitgefühl? An Teilnahme von Leid schlimmster Schicksale? Ich denke, ein
Staatsführer, der nicht einmal die Minimalanforderung menschlichen Beistandes
erfüllt, der nicht weiß, was er seinen Bürgern in der Not schuldig ist, ist für
ein solches Amt nicht geeignet. Sie sollten Ihren Schreibtisch räumen und
gehen.
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