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Identitätsverlust der Altparteien und der Versuch einer Trauma-Bewältigung

Beinahe zeitgleich fanden Werkstattgespräch der CDU und die soziale Neuerfindung der SPD statt. Während in den letzten drei Jahren in Deutschland der totalitäre Sozialismus von nahezu allen Parteien dem Geringverdiener übergestülpt wurde, hat am Wochenende mit großem Tamtam die SPD das Rad sozialer Gerechtigkeit neu erfunden.




Beginnen wir mit der SPD und ihren Köpfen. Mit der Attitüde ehrlicher Rückbesinnung auf ihre sozialdemokratischen Wurzeln und deren Bestimmung, entwickelten die Genossen unter Aufwendung ihrer geballten Sorge um den Wähler einen Plan. Vermutlich erwartet das Präsidium, dass ihre verloren gegangene Zielgruppe sich mit euphorischen Lustschreien wieder ihrer Partei zuwendet. Das dürfte allerdings schwierig werden, bei Vielen ist die SPD endgültig durch.

Man kann die rote Renaissance getrost als wirklichkeitsfremde Luftnummer ad acta legen. Ganz nach dem Motto: „…wenn ich König von Deutschland wär“, wollen sie es auch der Union mal richtig zeigen. Neuausrichtung nennt sich der ideologische Linksruck. Bürgergeld statt Hartz IV, Grundrente, Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro, Recht auf Home-Office, Kindergrundsicherung, Überstunden sollen gar ein Leben lang gespeichert werden, ein Milliardenfeuerwerk, bei dem unser Finanzminister Olaf Scholz seiner angekündigten 25 Milliarden Defizit in der Kasse eifrig zustimmt.

Wir wollen Vertrauen zurückgewinnen, das ist das Credo der Genossen. Wie aber soll das gehen, wenn sie es gerade in ihrem Kernklientel verloren hat? Innerlich zerstritten, diverse Wahldesaster, selbstzerfleischende Machtkämpfe, Koalitionsstreit und mit hauptsächlich sich selbst beschäftigt, Zutaten für den Giftcocktail, den sie den Wählern präsentierten, anstatt sich um deren belange zu kümmern.

Jetzt hat die SPD in einer Art Wunschzettel auf ganzen 17 Seiten niedergelegt, wie man Wähler zurückgewinnen will, Märchenbuch eben. Als habe Andrea Nahles geahnt, dass die CDU-Vorsitzende Krampf-Karrenbauer ihre eigenen Parteioberen als frisch gebackene „Sozialdemokraten“ mit in das kenterndes Boot der SPD einladen wollte, zog die rote Traumtänzerin im Vorgriff so richtig vom Leder, als seien die Bürger-Wohltaten bereits knapp vor der Umsetzung. Rosamunde Nahles scheint noch nicht bedacht zu haben, dass für die Realisierung ihrer Konzepte vorher nicht nur die CDU entmachtet werden muss, sondern gleich auch die Arbeitgeber zur Zahlung der höheren Löhne wegen unter Kuratel gestellt werden müssten.

Wie war heute in Spiegel online so schön zu lesen? „Der Bund kalkuliert bis 2020 für die Flüchtlinge mit rund 94 Milliarden Euro Kosten.“ Na Prost Mahlzeit – da darf man gespannt sein, was vom SPD-Konzept noch übrigbleibt. Vermutlich Altpapier zum Anfeuern des Ofens in der Parteizentrale. Vermutlich hat die SPD vergessen, dass sie unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel seit mehr als drei Jahren nach Kräften dabei unterstützt hat, jene humanitären Steuergelder für den guten Zweck auszugeben. Und plötzlich, als sei jäh ein greller Blitz in die Köpfe der Genossen gefahren und habe die dort herrschende Dunkelheit erleuchtet, bemerken die Meinungsbildner der Arbeiterpartei, dass es den ehemaligen SPD-Wählern nicht mehr so gut geht und AfD wählen.

Nun ja, letztlich geht nicht nur um Andreas Stuhl, es geht um das Überleben der Partei. Nicht weniger illuster geht es derzeit auch in der CDU und beim Werkstattgespräch zu. Die Chef-Moderatorin Kramp-Karrenbauerließ es sich nicht nehmen, den Stuhlkreis der Diskutanten mit „Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen“ zu begrüßen, um sie nach der „freud’schen Peinlichkeit“ in die Thematik einzuführen, wie man Angela Merkel gemeinsam wäscht, ohne sie nass zu machen. Auch hier hieß die Losung: Die Diskussion soll vorwärtsgerichtet sein. Aha! So also geht das, wenn man sich lieber nicht umdrehen will, um sich selbst damit zu konfrontieren, welches Desaster die Regierungsverantwortlichen angerichtet haben.

Dummerweise saß in der Runde auch ein Polizist, der über den Abschiebe-Wahnsinn auspackte. Auch einige Praktiker bemerkten ein paar deutliche Worte. Doch niemand traute sich, das Wort „Merkel“ auszusprechen. Keiner der Anwesenden sprach von der Kanzlerin, ganz so, als würde Angela als Fleisch gewordenes Damoklesschwert über den Häuptern der potentiellen Delinquenten schweben.

Bloß keine Abrechnung, nur kein Scherbengericht, um Himmels Willen keine Schuldzuweisungen an unsere Bundesmutti. Die Dramaturgie des schlechten Schauspiels gipfelte dann in der Feststellung der Parteivorsitzenden, dass Deutschland ein starker und wohlhabender Staat in der Mitte Europas sei. Irgendwie stimmt das auch, welcher Staat in Europa kann schon auf die Schnelle knapp 100 Milliarden aufbringen, um 1,6 Millionen Besucher für die nächsten Jahre zu versorgen.

Donnerwetter, kennt Frau Kramp-Karrenbauer die neueste, statistische Auswertung der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht, wonach Deutsche beim Vermögen im europäischen Vergleich inzwischen den letzten Platz belegen? Schwamm drüber. Auch Innenminister Herrmann hatte etwas zu sagen. „Nötig sei ein starker Staat, der die Kontrolle darüber habe, wer ins Land komme. Solange dies auf EU-Ebene nicht gewährleistet werden könne, seien eigene deutsche Grenzkontrollen nötig.“ Welch eine wegweisende Erkenntnis nach drei Jahren! Immerhin hat man ganze 3 Jahre gewartet, bis das Problem groß genug war, um es nun in zwei Tagen ohne die Kanzlerin zu lösen.

Wir Bürger, wir Wähler, wir Unmündigen, wir alle dürfen aufatmen – im Westen nichts Neues, außer der Tatsache, dass wir wie getriebene Schafe politische Muppet-Shows auf höchsten Parteiebenen miterleben dürfen. Der Vorhang schließt sich und alle Fragen offen.


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