Eine Ära ist nicht nur in England zu Ende gegangen. Die Queen ist gestorben. Es dürfte nur noch wenige Menschen geben, die eine Zeit ohne das Oberhaupt Britanniens kannten. Eine Monarchie wird sich ab Samstag neu „sortieren“ müssen. Prinz Charles wird der neue König von England und Oberhaupt des Commonwealth.
Was
sich nach der Todesnachricht in den sozialen Netzwerken abspielte, spottet
jeder Beschreibung. Ganz gleich, welche Haltung man zur Königin Elisabeth II
und der englischen Monarchie einnehmen mag, ganz gleich, welche Meinung man zum
Wirken der Regentin, zur ihrer politischen Stellung, zur Geschichte und zu all
den kleinen und großen Skandalen im Dunstkreis des Königshauses vertritt, der
Tod ist das Ende und immer auch Anlass zur Trauer und zur Versöhnung.
"Seid vorsichtig mit dem Pack – mit feiner Seide näht man keinen groben Sack", soweit Goethes Ansichten zum Proletariat. Schopenhauer dagegen vergleicht die menschliche Gesellschaft mit einem Rudel von Stachelschweinen, die sich aneinanderdrängen, weil sie sich gegenseitig wärmen wollen. Dennoch müssen sie Abstand voneinander halten, um sich nicht gegenseitig mit ihren Stacheln zu verletzen. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, ist bei Schopenhauer die menschliche Höflichkeit und ein erträgliches Niveau und gegenseitige Akzeptanz. Dazu gehören selbstredend auch Respekt, Pietät und Demut.
Für einige Facebook-Teilnehmer trifft diese Definition des Vergleichs offenkundig nicht zu. Wenden wir uns also dem Gesellschaftsschwein zu. Jene suhlenden Genossen drängen sich bekanntlich eng zusammen, vorzugsweise im eigenen Dreck. Man braucht weder Philosoph noch Dichter zitieren, will man das Verhalten von Tieren mit dem der Menschen vergleichen. Die deutsche Geschichte ist in dieser Hinsicht erhellend genug. Doch der aktuelle Anlass in Großbritannien straft Schopenhauer Lügen. Die Netzwerkgesellschaft ist weit verrotteter und verwahrloster, als es sich der große Philosoph je hätte träumen lassen.
Ganz gleich, wer vom Leben abtritt, mit Häme oder gar Freude, mit Witzen oder Hasstiraden auf den Tod eines Menschen zu reagieren, ist nicht nur Ausdruck einer jämmerlichen, ja armseligen Gesinnung, sie spiegelt uns auch das Bild einer zutiefst gestörten Gesellschaft. Einige Kommentare zum Tod der Queen sind nur schwer zu ertragen und zumeist von einem Personenkreis verfasst, der selbst oft nicht mehr zu bieten hat, als eine kaum erwähnenswerte Vita.
So tolerierbar es ist, dass einigen die Monarchie oder die Queen egal ist, so hinnehmbar ist es auch, dass der Tod der Monarchin einige nicht berührt. Es ist auch verständlich, dass für viele die Geschichte der englischen Monarchie Anlass für emotionale Ablehnung gibt und insbesondere für die Krieggeneration auch nachvollziehbar ist. Die unangemessenen Reaktionen in den Netzwerken auf das Ableben der englischen Königin dagegen sind intolerabel und zwar in jeder Hinsicht. Rest in Peace kann und darf keine hohle Floskel sein, wenngleich sie manchmal gedanken- und emotionslos gebraucht wird.
Ob nun Twitter, Facebook, Telegram oder andere Netzwerke, sie sind Plattformen, die uns die Möglichkeit geben, sich politisch, gesellschaftlich oder auch persönlich auszutauschen. Leider sind sich auch Tummelplätze für bejammernswerte Profilneurotiker, Spinner und höchst fragwürdige Gestalten, denen Begriffe wie Respekt, Toleranz, Würde, Pietät genauso fremd sind, wie Anstand, Manieren oder einigermaßen erträgliche Umgangsformen. Und gerade jene, die sich mit markigen Sprüchen, Fäkalsemantik und üblem Gossenjargon hervortun, treten mit ihren Postings eindrucksvoll den sichtbaren Beweis eigener, sozialer Inkompetenz an.
Die gegenseitige Akzeptanz, die abweichende Meinung, oder eine Lebenseinstellung, die von der eigenen entfernt ist, wird in Netzwerken oft genug mit grenzenlosem Hass, hemmungslosen Beleidigungen, Herabwürdigungen oder unverhohlenen Drohungen kommentiert. Nun ja, aus der Distanz und aus der scheinbar anonymen Deckung heraus, lebt so mancher die innere Hoffnungslosigkeit seines bedauernswerten Daseins aus, da haben Maß und Mitte, Fairness und Anteilnahme wenig Raum. Freude, Stolz und euphorische Lebensmomente auf der einen Seite, treffen ungebremst auf Neid und Missgunst auf der andern. "Wer hat, der hat, und ich habe mehr als du," ein oft anzutreffendes Phänomen der Selbstdarstellung mit Beweisfoto. Zuweilen sogar unterhaltsam.
In erbitterten Netzwerk-Schlachten wird um Anerkennung, Akzeptanz und Zustimmung gekämpft, provoziert und intrigiert – und das auf maximal-neurotischer Ebene, die in manchen Fällen kaum noch steigerungsfähig ist. Nichts erzeugt mehr Ablehnung und nichts macht manche Lebensversager wütender und erzeugt mehr Aggressionen, als die Zurückweisung per Mausklick!
Und wehe, da beschwert sich der Abgewiesene oder schnöde Zurechtgewiesene mit beleidigtem Zungenschlag oder einem nicht hinzunehmenden Gegenangriff. Dann heißt es: »Denn mein ist die Rache«. Man könnte die Neigung einiger Zeitgenossen mit dem Hang zur zwangsgesteuerten Vergeltung auch als deformierte Charaktereigenschaften bezeichnen, die therapeutischer Hilfe bedürften. Ja, ja, das Tor des Forums zügellos ausgelebter Emotionen ist weit geöffnet, der Einlass ist frei!
Zum Glück gibt es auch die andere Seite, jene, auf der sich Menschen treffen und vernünftig austauschen, gegenseitig informieren oder - manchmal schon über Jahre -, Freundschaften pflegen. Zum Glück trifft man im Netz auch auf liebenswerte, hilfsbereite und reflektierte Menschen, die in manchen Fällen zu persönlichen Begegnungen führen und sich zu wundervollen Freundschaften entwickeln, bei denen man Gemeinsamkeiten findet oder neue, aufregende Augenblicke erlebt. Und dafür bin ich dankbar.
God
save the King und danke an meine Freunde, die mir immer wieder Hoffnung geben, dass nicht alles am Ende ist.
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Soso, Pietät, Trauer und Versöhnung...
AntwortenLöschenRespekt, Würde, Anstand...
Wenn all das nach dem Tod eines Menschen gefordert wird, frage ich mich warum das nicht für ALLE Menschen zutrifft.
Die üblichen heuchlerischen Doppelstandarts.
Wenn öffentlich zum Mord an Putin aufgerufen wird (OK, das findet VOR seinem Tod statt aber die Trauer hielte sich nach dem Eintreten wahrscheinlich sehr in Grenzen), dann braucht es keine Moral mehr.
Wenn der Präsident der USA am Bildschirm der Ermordung Bin Ladens beiwohnt ist Pietät fehl am Platz.
Wenn Frau Clinton sich vor Freude kaum halten kann bei ihrem "We came, we saw, he died!" (Zur Ermordung Muammar Gaddhafis).
Anstand und Würde auf der Jagd nach Saddam Hussein?
Nein, man darf auch heute, Jahre nach seiner Hinrichtung noch gerne darüber witzeln wie er wie ein Hund in seinem Loch aufgegriffen wurde.
Nochmal Clinton: War es nicht diese "Lady", die im Falle ihrer Präsidentschaft "den Iran auslöschen" wollte? Ja, sehr Würdevoll...
Aber was soll´s, das sind ja die Schurken, für die gelten die eingangs aufgelisteten Worte nicht.
Heuchler!
Herr Mancini, ich habe Ihren Beitrag nicht zur Gänze gelesen,
Die ersten drei Absätze haben mir gereicht...
Respekt, Würde, Pietät, Anstand, alles Verhaltensweise, die man von niemandem "einfordern" kann, noch nicht einmal von Ihnen. Machen Sie sich nichts draus. Enweder, man weiß etwas damit anzufangen, oder man weiß es eben nicht. Eines ist aber auch klar: Es fällt leichter, Menschen einzuschätzen und ihnen notfalls aus dem Weg zu gehen....
Löschencuore,gentilezza e decenza,grazie!
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