Je länger man diesen koalitären
Fruchtbarkeitstänzen der Parteien zuschaut, desto unwohler kann einem bei den
Begattungsritualen werden. Da will es jetzt jeder mit jedem treiben - das hat
schon etwas von Swingerclub. Erinnern wir uns an den Wahlausgang – in diesem
Falle die Zweitstimmen. Knapp 73% haben unsere Angela nicht gewählt, was sie
zum Anlass genommen hat, sich zur Wahlsiegerin zu erklären. Mit dieser Haltung
kann man unserer Kanzlerin eine schwerwiegende neurotische
Wahrnehmungsverzerrung bescheinigen. Denn obwohl das Wahlvolk Angelas Politik
nicht will, denkt sie nicht daran, diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen oder
gar zurückzutreten.
Dass die Schwesterpartei CSU bundesweit auf etwa 6 % kommt,
darf man getrost als schmerzhaften Tiefschlag bezeichnen. Mit anderen Worten,
Seehofer war auch nicht potent genug, um Angela zu schwängern. In der Tat, man
braucht schon ein dickes Fell, verdammt viel Überwindung und sehr viel
Gottvertrauen, es erneut in einer Koalition zu versuchen. Denn mit marginalem
Inhalt in der bayerischen Hose taugt man kaum zum attraktiven Partner und trägt
nur unerheblich zu einem vorzeigbaren Ergebnis bei.
Zöge man die beiden Werte zusammen, kommen da nicht mehr
als 33% zusammen. Angela will sich vermutlich noch nicht einmal vorstellen, was
Cem Özdemir zu bieten hat. Lindner wäre zwar eine schnuckelig Alternative, aber
ob er auch hält, was er verspricht? Man weiß es nicht. So gesehen müsste sich
unsere Bundeskanzlerin konsequenterweise ein neues Wahlvolk suchen, bei dem sie
sicher sein könnte, dass ihr, wie zu Zeiten der DDR auch 90% zujubeln müssen.
Das wäre die Einzige Möglichkeit, weiterhin beim Zölibat zu bleiben.
Nun ja, 90% der Wähler wollen auch Lindner nicht. Genauso
viele - nämlich ca. 90% mögen nicht, dass die Grünen etwas bestimmen sollten.
Die Linken will auch keiner. Es gehört schon eine ziemliche Unverfrorenheit dazu,
wenn sich die Parteiführer freudig und mit Siegerposen vors Publikum stellen
und meinten, sie hätten das Recht, sich mit ihrer vom Wähler ungewollten
Programmatik aufzumanteln oder noch schlimmer, wenn sie kein Vertrauen
genießen. In der Konsequenz sollten sie sich viel mehr die Frage stellen: Wen
oder was wollen die Wähler überhaupt, wenn wir es nicht sind? Quintessenz: Es
gibt keine signifikanten Mehrheiten für die derzeit bestehenden Wahlprogramme, keine
überzeugende Zustimmung vom Wähler, denn 30% sind weit von einer Mehrheit
entfernt. Ich befürchte, die restlichen 70 % der Bürger würden heute den ganzen
politischen Laden am liebsten zum Teufel jagen, wenn sie denn könnten.
Der Bürger ahnt, welche arithmetischen Handstände jetzt
unternommen werden, um Ministerpfründe, Versorgungsleistungen und Ämter zu
verteidigen. Notfalls werden sämtliche Pseudo-Überzeugungen, die jede Partei
wie Monstranzen, schon der Gesichtswahrung wegen vor sich hertragen, der Not
gehorchend über Bord geworfen. In Neudeutsch heißen diese
Arbeitsplatz-Verlustängste demokratische Kompromisse. Ein hübscher Name für die
spätere Selbst-Legitimierung, das gleichzeitig als Alibi dient, mit Recht an
den Schalthebeln der Macht zu bleiben. Im Anschluss lässt man sich von eigenen
Parteigenossen beklatschen, weils ja so schön aussieht. Ich wills mal so
sagen...: Das Volk heißt deshalb Volk, weil es so schön volkt...!
Betrachtet man die Wahlergebnisse wie sie
wirklich sind und was die Zahlen ohne interpretatorisches Gesülze tatsächlich aussagen, dann haben die Bürger keiner
einzigen Partei ein echtes Regierungs-Mandat übertragen. Ebenso wenig ist bei
realistischer Betrachtung aus den vorliegenden Wahlergebnissen abzuleiten, dass
die Wähler mit einer Koalition, gleich welcher Couleur, zufrieden sein werden
oder sie gar gewollt hätten. Die Schnittmengen der Übereinstimmungen im Falle
einer Jamaika- Koalition sind so gering, dass in der kommenden
Legislaturperiode kaum mehr als Scheingefechte ausgetragen werden, und
Veränderungen oder gar Verbesserungen sich endlos hinziehen oder gar im Sande
verlaufen.
Tja, genau das hat sich der Wähler gewünscht, könnte man
zynisch anmerken. Aber einem hart gesottenen Politiker geht das am breiten
Gesäß vorbei. Seine Aufgabe besteht jetzt darin, dem wählenden Duckmäuser zu
erklären, dass die blaue Farbe in Wirklichkeit rot ist oder besser ausgedrückt,
ein Wahlergebnis von 32 % ausreicht, als Sieger auf den Regierungssessel zu sitzen.
Bedauerlicherweise, so hört man allenthalben, hat man eben 4 Jahre lang ein
unzufriedenes Volk am Hals. Sei’s drum, was tut man als Politiker nicht alles,
um eigene Bezüge zu erhalten und Versorgungsansprüche zu erhöhen. Merkel
bedient sich beinahe lehrbuchhaft des ersten Satzes in Macchiavellis Lehren.
„Rühme fortwährend deinen Erfolg und erwähne deine Niederlage niemals oder nur
am Rande.“
Merkel wird an ihrer Politik nichts ändern. Sie ist
erfahrungs- und beratungsresistent, sie ist stur, obstinat, selbstgefällig und
führt mit der Attitüde von Allmachtsfantasien ihre Regierungsgeschäfte. Ob nun
Lindner, Schulz oder Göring-Eckardt, sie stören die Kreise der Kanzlerin nur
marginal. Weshalb sollte sie sich auch über kleine Lichter aufregen, wenn man
dem Bürger und den Parteigegnern nach der Wahl klipp und klar erklärt hat, dass
ohne SIE keine Regierung gebildet werden kann. Diese Haltung beinhaltet
zwangsläufig großes, erpresserisches Potential – ganz nach dem Motto: Wenn du
nicht das tust, was ich will, bist du draußen. Man braucht nicht viel Fantasie,
um nicht zu wissen, wie Koalitionsverhandlungen hinter den Kulissen laufen.
Wie sagte sie so schön bei der Pressekonferenz? „Ich wüsste
nicht, was ich hätte anders machen sollen. Dafür gibt es keinen Anlass.“ Ja,
wenn das so ist, dann sollt sich Frau Merkel tatsächlich ein neues Volk suchen,
wenn sie nicht tun will, was der erklärte Wunsch des Wählers ist. Im
Umkehrschluss könnte man auch sagen: Nicht das Volk braucht Politiker, sondern
Politiker brauchen das Volk. Doch anscheinend gibt es zu viele, die diese
Formel nicht begreifen und solche Politiker, die an der Aufgabe scheitern,
einfach wegen Unfähigkeit aufs Altenteil schicken. Ja, ja… Die Regierung machts
dem Bürger nicht leicht, der Bürger der Regierung schon...
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