Kein Mensch kann sich das Ausmaß und die Folgen einer
Politik ausdenken, deren verantwortlich Handelnden jedwede Moral und Ethik um
der persönlichen Vorteile Willen bedenkenlos über Bord werfen. Ob nun der
Vorteil im Anwachsen der politischen Reputation, oder bei der Vermehrung des
Vermögens oder im Machtzuwachs liegt, es hat keine Relevanz, zumal sich die
Akteure längst einer ernsthaften Verpflichtung gegenüber unserer sozialen
Gesellschaft entzogen haben. Sie dealen, entscheiden, agieren und regieren längst
über die Köpfe ihrer Bürger hinweg, als gäbe es kein Morgen. Belange der
eigenen Wähler ersaufen jämmerlich im Sumpf politischer Interessen.
Man mag die Nachricht, die gestern über die Sender
tickerte, als alltäglichen Wahnsinn abtun, wenn in Nordsyrien die Türken mit Leopardpanzern
gegen die Kurden mit Panzer-Abwehrraketen aus deutschen Waffenschmieden vorrücken.
Die amtierende Groko hat jahrelang Ankara und die Peschmerga im Nordirak mit modernsten
Hightech-Waffen beliefert und dank unseres ach so menschenfreundlichen Sigmar
Gabriel dafür gesorgt, den Absatz deutscher Rüstungsunternehmen im letzten Jahr
um 21 Prozent zu steigern. Obwohl man mit Erdogan in Fehde lag, wurden munter
alte Verträge weiter erfüllt und geliefert, dass die Schwarte kracht.
Bis an die Zähne bewaffnet marschiert
dieser Teppichhändler in die Kurdengebiete in Syrien ein und schießt aus allen
Rohren auf jene, die vorher die amerikanische Allianz bei der Vertreibung der
IS unterstützen. Kommentar der Amerikaner? Der Türke soll's mal nicht so
übertreiben. Auch Putin hat seine Soldaten abgezogen. Den geht die Sache seit
neuestem nichts mehr an. Und die Kanzlerin? Sie schweigt. Weshalb fällt mir in
diesem Zusammenhang die Annektierung der Krim und die Aufregung unserer
Kanzlerin ein? Schwamm drüber! Der Einfachheit halber bringe ich es auf einen
Nenner: Selbst die blutrünstigen Hunnen waren im Vergleich zu der heutigen
Politkaste, einschließlich unserer Regierung, harmlose Besucher fremder Länder.
Zur Aufklärung der Sachlage: 2016 wurden 213
Rüstungsexporte im Wert von 83,9 Millionen Euro an die Türkei genehmigt.
Durchschnittlich macht das 18 Genehmigungen im Wert von sieben Millionen Euro
pro Monat. An die Waffenexporte an Saudi Arabien will ich erst gar nicht
denken, die inzwischen Dimensionen erreicht haben, die jedes
Vorstellungsvermögen sprengen. Und da solche Deals weder eine Krankenschwester,
ein Paketzusteller oder eine allein stehende Mutter am Fließband nicht
ansatzweise begreifen und ergo auch nicht interessieren, können diese außer
Rand und Band geratenen Politiker tun und lassen, was sie wollen. Sie bemühen
bei kritischen Nachfragen die gern verwendete Metapher: Politische
Entscheidungen dienen unserem nationalen Interesse, was immer man uns damit
verkaufen will.
Zwischen 2006 und 2011 umfasste der Milliardendeal mit
der massiven Aufrüstung der Türken 354 „Leopardpanzer 2“, die kurz zuvor mehr
als 400 Stück Leopard Typ 1 erhalten hatten. Selbstredend wird in der
Schaltzentrale der SPD vollmundig behauptet, dass die Lieferungen deutscher
Waffensysteme mit „Nutzungsbeschränkungen“ und so genannten „Endverbleibsklauseln“
versehen wären, ist längst widerlegt. Das Verbot des Weiterverkaufs der Waffen
entfiel in der Ägide Gabriels ersatzlos. Die Begriffe Gewissen, Ethos oder
Anständigkeit werden spätestens bei hohen Waffenumsätzen in den Ordner deutscher
Aktendeckeln fein säuberlich abgeheftet.
Heidewitzka, rutscht es mir über die Lippen. Da
stellen sich Genossen der SPD und Christdemokraten aus Berlin oder Bayern vors
Volk und erzählen aus Grimms Märchenkiste, Deutschland würde keine Ausfuhren
von Waffen in „kritische Länder“ genehmigen und das im Bewusstsein, dass wir
weltweit drittgrößter Waffenlieferant sind. Der Umsatzzuwachs von Kriegswaffen
unserer Rüstungsindustrie auf mittlerweile 2,5 Milliarden Dollar pro Jahr ist
unbestrittenermaßen den Lieferungen an unsichere politische Kandidaten zu
verdanken, die über bekannte Umwege in den Genuss deutscher Zerstörungskraft
gelangen. Klar, dass sich auch CDU-Politiker wegducken, wenn es zu unangenehmen
Nachfragen kommt. Beispielsweise die, welcher unserer Politiker nun
Flüchtlingsströme provoziert, initiiert oder gar billigend in Kauf nimmt.
Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher der
Unionsfraktion, warnt vor vorschnellen Urteilen, wenn er mit Erdogans Überfall
in Nordsyrien konfrontiert wird. „Das Vorgehen der Regierung Erdogan geschieht
nicht im NATO-Rahmen, es hat auch keine Legitimation der Vereinten Nationen.“:
„Wir sollten bei Bündnispartnern in der NATO mit solchen Vorwürfen vorsichtig
sein.“ Bei solchen Sätzen fällt einem der Unterkiefer herunter. Dann schiebt er
nach, dieser phantasievolle Herr Hardt: „Rüstungsexporte an die Türkei müssen im
Lichte dieser Erkenntnisse im Einzelfall geprüft werden.“ Aha, denke ich mir. Will
er das bei jeder Leiche, bei jedem Schuss oder bei jedem Meuchelmord persönlich
überprüfen? Oder bittet er Erdogan um Auskunft, weshalb er die Stadt Afrin
überfällt und unter Beschuss nimmt, einer Gegend, in der er nichts zu suchen
hat?
Die deutschen Waffenausfuhren, speziell in die Türkei
stehen – wieder einmal –, im Zentrum der Debatte. Waffenlieferungen an ein
Nato-Mitglied sind „grundsätzlich nicht zu beschränken, es sei denn, dass aus
besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist“,
wie es in den „politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ heißt.
Ah, ja…, ich verstehe. Despoten, Kriegstreiber und
Terrorstaaten dürfen für Milliardensummen mit Vernichtungswaffen sich in der
Zeit eindecken, solange sie den Anschein erwecken, vertrauenswürdig zu sein und
vorgetäuschtes Wohlverhalten an den Tag legen. Von deutscher Seite wird,
solange Kameras und Mikrofone in der Nähe sind, bei solch fragwürdigen
Geschäften, eine selbstkritische Haltung eingenommen und hinterher von
Lobbyisten das Bakschisch entgegengenommen. Money makes the world go arround. Spendenaufrufe
und Bahnhofsklatscher, Bärchenverteiler und humanitäre Willkommenskultur
perfektionieren die gesellschaftliche Perversion. Denn sie werden kommen…, die
Flüchtlinge. Zwangsläufig.
Als Erdogan vor Kurzem einen vorübergehend freundlichen
Versöhnungskurs gegenüber die Kurden einschlug, lieferte Deutschland weiter und
muss nun zuschauen, wie mit diesen Panzern Stellungen der – je nach Sichtweise
– Freiheitskämpfer oder Terroristen angegriffen werden. Nun ja, per Definition
sind Freiheitskämpfer oder Terroristen je nach Land, politischem System oder
nationalem Bedürfnis eine Frage des Blickwinkels. Das können wir Deutsche
täglich auch im Kleinen auf unseren Straßen feststellen. Ja, ja, mit der Moral
unserer Politiker und der Kritik der Bürger ist es nicht weit her. Da muss man
sich nicht wundern, dass das „Große Ganze“ auch auf unsere Straßen abfärbt.
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