Direkt zum Hauptbereich

Schloss Bellevue im Weihnachtsrausch

Unter dem Empfangsmotto „Advent, Advent, kein Lichtlein brennt, hatte Präsident Steinmeier zur Weihnachtsfeier geladen. Also versammelten sich gestern Abend die Leuchten unserer Politik im Amtssitz Schloss Bellevue, um im Rahmen einer Generalprobe den präsidialen Adventskranz zu entzünden.



Vermutlich verband unser so geschätztes Staatsoberhaupt die Vorweihnachtszeit mit der Hoffnung, dass auch den geladenen Gästen ein Licht aufginge. Eine zu optimistische Erwartung, wie ich meine. Nach dem gemeinsamen Absingen von Weihnachtsliedern wollte Onkel Steinmeier zwischen Tannenbaum, Engelshaar und Lametta mit den zerstrittenen Kontrahenten die politischen Geschenkpakete auspacken lassen.

Das schwarz-rot-gestreifte Grokodil auf dem kuschligen Bärenfell vorm Kamin passte nicht so recht zu Dekoration und wurde stillschweigend übersehen. Aber den Wink mit dem winterlich gezuckerten Zaunpfahl schien niemand zu interessieren. Immerhin, für den Schlossherrn Frank-Walter galt es, Angela, Olaf und Horst für eine friedvolle Neuauflage einer großen Weihnachts-Koalition zu erwärmen und bei der Verteilung des Felles für Fairness zu sorgen.

Auf dem Tisch stand ein Körbchen mit süßen Leckereien. Minderheitsplätzchen, Neuwahlkekse mit Zuckerguss, Grokant-Pralinen mit Nougatfüllung und feinstes Koalitionsgebäck. Eingeschlagen in güldenem Papier und roten Schleifchen lagen die politischen Überraschungen unterm Baum. Und als das Silberglöckchen endlich läutete, machten sich die Parteiheroen über die Präsente her. Olaf hatte sein Päckchen als erstes zerfetzt, schleuderte das lästige Papier auf den Boden und schwenkte triumphierend seine Geschenke über dem Kopf. Er hielt einen Gutschein für eine Diäten-Erhöhung, eine Duftkerze für den Klimawandel und einen Satz Handschellen für Steuersünder in Händen. Sogar ein kleines Investitionsprogramm für Wohnungen war dabei.

Horst dagegen zog einen missmutigen Flunsch und zerknüllte wütend die glitzernde Plastikfolie. Angewidert warf er Angelas einzigen Programmpunkt ihrer Politik auf den Tisch. Rautenschweben. Auf der Vorderseite ein Foto. Angela auf dem Kanzlersessel. Drunter stand zu lesen: „…Du wirst es nie, spiel mit deiner Eisenbahn.“ Horst machte Angela eine lange Nase. „dummes Huhn“, brummelte er ihr zu. „Jedes Jahr das gleiche Geschenk.“ Er wandte sich ab und widmete sich sogleich dem nächsten Geschenkpäckchen.

Olafs Geschenk ließ ihn allerdings erstarren. Er hatte einen ganzen Satz Feriengutscheine für Flüchtlinge bekommen. Mit den Worten: „blöder Hund“ entsorgte er Olafs Migranten-Freifahrtscheine nach Oberbayern im Kamin. Nur gut, dass mein Kumpel Söder nicht hier ist, grummelte er ärgerlich und beugte sich hinunter zum nächsten Päckchen. Olafs zweites Geschenk machte ihm dagegen mehr Freude und entlockte ihm sogar ein Lächeln. Ein Rentenreförmchen, ganz nach seinem Geschmack. Er würde in Zukunft noch weniger in die Tasche greifen müssen.

Angies Mundwinkel zuckten verdächtig, als sie das rote Paket begutachtete. Lebenszeit-Rente las sie kaum hörbar. Sie ließ ihren Blick schweifen und schleuderte dem Weihnachtsmann Steinmeier ins Gesicht: „Mit mir nicht!“ Verärgert warf sie einen Blick auf das zweite Präsent. In großen Lettern stand dort zu lesen: Schutz vor Altersarmut! „Der mit seinen Ideen“, raunte sie, stampfte heftig auf, machte eine Raute und zog sich in eine Schmollecke zurück. Angelas Gesichtszüge verrieten, dass sie auf Rache sann. Bald ist Ostern, dachte sie. Dann lege ich denen ein paar faule Eier ins Nest.

Sofort intervenierte Nikolaus mit einer gütigen Ansprache. Drei Stunden dauerte das Beisammensein in der winterlichen Nacht. Während draußen leise der Schnee rieselte, knisterten und prasselten drinnen die Buchenscheite im flackernden Kaminfeuer. Intensiver Tannenduft, der Geruch von Lebkuchen, gebrannten Mandeln und würzigen Leckereien erfüllten das Zimmer, in dem der Präsident seine Besucher erst benebeln und dann gefügig machen wollte. Stille Nacht, heiliger Bimbam.

Die himmlischen Referenten des Schlosses, mit geometrisch exakt geteilten Scheiteln, Hosen mit Bügelfalten, so scharf wie Rasierklingen, akkurat gebundenen Windsor Knoten, standen im Hintergrund und warteten. Es war ihnen anzusehen, dass sie endlich Feierabend haben wollten. Erst als man ihnen eine große Kanne mit zimtigen Glühwein verabreichte, schienen sie ein wenig gelöster zu werden. Sie wussten: Deutschland stand gerade auf dem Spiel und nicht nur das.

Tausende von Rentnern, Obdachlose und Abgehängte drückten sich am Glas der Schlossfenster sehnsüchtig die Nasen platt. Wie gerne hätten sie auch ein paar Weihnachtsgaben. Aber ab 2 Promille war auch für die gelackten Staatssekretäre das ungute Gefühl himmelschreiender Ungerechtigkeit  glückseliger zu ertragen.

Was soll ich sagen, Horst, Angela und Olaf verabschiedeten sich artig vom strengen Nikolaus, bedankten sich für die stimmungsvolle Weihnachtsfeier und versprachen, sich weiterhin anständig zu benehmen und sich in Zukunft noch intensiver auf ihre programmatische Selbsterleuchtung zu konzentrieren. Ein Licht war ihnen zwar immer noch nicht aufgegangen, aber es war ihnen anzusehen, dass sie sich spätestens am nächsten Tag die Weihnachtsgeschenke gegenseitig um die Ohren hauen würden.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Mein heutiges Schreiben an die Firma Rossmann

  Sehr geehrte Damen und Herren, Mit einiger Verwunderung habe ich Ihren Austritt aus dem Verband der Familienunternehmer zu Kenntnis genommen. Anlass für Sie ist, wie ich aus den Medien entnehme, die Einladung des Mittelstandsverbandes einiger AfD-Politiker. Ich stelle fest, dass ich somit als Kunde mit aus Ihrer Sicht wohl falschen politischen Präferenzen in Zukunft auch nicht mehr willkommen bin. Ich erlaube mir Ihnen daher mitzuteilen, dass ich Ihrer Logik folgend, Rossmann-Filialen fortan meiden werde und als potenziell „problematischer“ Bürger auf künftige Einkäufe in Ihrem Hause verzichte, auch deshalb, um Sie und ihr Kassenpersonal nicht in peinliche Erklärungsnöte zu bringen.   Überdies möchte ich auch vermeiden, dass meine Umsätze in Ihrem Haus, – die womöglich als politisch belastet gelten, weder Sie noch Ihre Hausbank in Verlegenheit bringen. Ich vermute, es handelt sich, was die politische Geisteshaltung angeht, um die Deutsche Bank. Da ich auch zukünftige g...

Der alternative Blick auf Präsident Steinmeier oder …

... wenn man einem Kleinbürger Verantwortung und Macht gibt. Machen wir es kurz: Steinmeiers Rede anlässlich des geschichts- und schicksalsträchtigen 9. November der Deutschen, an welchem 1938 die Reichs-Pogromnacht und der Mauerfall 1989 erinnern, konnte spaltender, staatsfeindlicher und undemokratischer nicht sein. Steinmeier hat abermals bewiesen, dass er besser der „Aktendeckel“ Gerhard Schröders geblieben wäre – wie ihn einst der Bundeskanzler nannte. Die zutiefst empörende Rede des Staatsoberhauptes Deutschlands, mit der unser Bundespräsident nahezu die Hälfte der deutschen Wähler zu Nazis und Rechtsradikalen erklärt hat, ist inzwischen von hinreichend vielen Stimmen aufs Schärfste kritisiert worden, weswegen ich mir an dieser Stelle eine weitere Analyse der Rede erspare. Vielmehr möchte ich dem Leser mit meinen „scharfen Blick“ die Persönlichkeit des präsidialen Biedermanns erklären. Nur so viel: Frank-Walters Brand- und Kampfrede war nicht mehr und nicht weniger als ein Vern...

Jetzt wird es richtig kriminell – Löschung von Behördendaten im Falle einer AFD-Regierung

Sebastian Fiedler, der SPD-Innenexperte, hat damit gedroht, im Falle einer AFD-Regierung in Sachsen-Anhalt, bei seinen Polizeibehörden und dem Verfassungsschutz zum „Schutz“ der Demokratie die kompletten Datenbestände zu löschen. "Wenn Sachsen-Anhalt zum Feindesland wird, muss das Bundesland nach seinen Vorstellungen gerettet werden." Bei einem Interview des Magazins „FOCUS“ formulierte er ein Vorhaben, das den Generalstaatsanwalt umgehend dazu veranlassen müsste, denn Mann in Sicherheitsgewahrsam zu nehmen. „Als Beamter bin ich auf das Grundgesetz verpflichtet. Und dann soll ich Extremisten die sensibelsten Daten überlassen? Da drücke ich lieber auf die Löschtaste.“ Dabei warnte er eindringlich vor den Folgen einer möglichen AfD-Regierungsübernahme in Sachsen-Anhalt. Was muss sich in krankhaft ideologisierten SPD-Hirnen abspielen, wenn einer ihrer Politiker damit schwanger geht, den gesamten Sicherheitsapparat arbeitsunfähig machen zu wollen, der sich wesentlich auf siche...