Zugegeben, es ist delikat, über Männerunterwäsche zu schreiben, aber es musste irgendjemand auch einmal dieses Thema aufgreifen. Doch beginnen wir ganz vorn. Spätestens am Ende der Pubertät hat jeder junge Mann seine Garderobe halbwegs beisammen.
Zwischen dem 19.ten und 25.ten Lebensjahr befindet er sich in einer modischen Übergangsphase und orientiert sich – nicht Not gehorchend, sondern an Muttis konservativen Vorgaben - und fügt sich.
Doch was Mütter bei ihren pubertierenden Söhnen schon im Keim ersticken, wohlwissend, was erfahrenen Mädchen gefallen oder gar reizen könnte, setzt sie beim geliebten Sohnemann zur Abschreckung gegen unziemliche Übergriffe neugieriger Girlies gnadenlos um. Es geht um die Verteidigung der Jungfräulichkeit des noch unberührten Sohnes, - sie hat höchste Priorität. Geräumige Unterwäsche aus Baumwolle, pflegeleicht und bügelfrei liegen deshalb bei Müttern hoch im Kurs. Allerdings - die Natur fordert ihren Tribut. Instinktiv weiß der junge Mann: Wer einen Hasen im Bett haben will, muss gut aussehen und hipp sein, sogar unter den knappen Jeans.
Allerdings rechnen noch unerfahrene Männer nicht mit den Tücken des Lebens. Denn schnell wird aus dem Jäger ein Gejagter. Das Häschen verwandelt sich unversehens in eine reinliche und auf Sauberkeit bedachte Ehefrau, wenn sie sich sicher ist, dass sie den richtigen am Haken hat. Dann hat es sich ausgejagt. Ein für alle mal! Und ehe er es sich versieht, sitzt der frisch gebackene Ehemann wieder in der Kleider-Vorschriftsfalle. Schicksal wird zur Normalität und das männliche Interesse an Schick und Pfiff in und über der Hose lässt schlagartig nach. Danach wird nur noch ersetzt, was verschlissen oder vollständig ruiniert ist.
Kommen wir zurück zum weniger erfogreichen Junggesellen, der bislang noch der Negativauslese zum Opfer gefallen ist. Für ihn ist die Anschaffung neuer Kleidungsstücke – anders als bei den Damen – bestenfalls von der Notwendigkeit bestimmt, Zerschlissenes zu ersetzen. Der Männergeschmack für Eleganz, Schick oder Stil für gepflegte Garderobe ist, je weiter man in den Norden der Republik kommt, weitgehend unterentwickelt und findet spätestens ab dem Ruhrgebiet nordwärts ihre geschmacklose Krönung.
Häufig orientieren sich die Kerle zwischen Leberwurst und Tiefkühlkost an LIDL-Wühltischen, um im Vorbeigehen mit dem Samstageinkauf den Bedarf an 6er-Pack Socken und praktischer „Underwaer“ gleich mit zu erledigen. Was also zeichnet den herkömmlichen deutschen Mann aus. Kleidungsstücke müssen nach seiner festen Überzeugung entweder identisch mit den nur widerwillig entsorgten Klamotten sein, oder zumindest dem Original gleichen. Das gilt für Jeans und Hös‘chen ebenso, wie für Oberhemden, Jacken oder Pullover. Was allerdings Männerunterwäsche angeht, - machen wir uns da nichts vor -, herrscht nach Meinung der meisten Frauen unter der Oberbekleidung der Kerle furchterregende Finsternis.
Rosanna, die Schwarzhaarigste aller meiner ehemaligen potentiellen Liebhaberinnen meinte einst: Weibliche Phantasien würden nicht ausreichen, sich die düsteren Entgleisungen unter den Jeans auch nur annähernd vorzustellen. All die Unterhosen-Chauvinisten und die Kerle mit Hang zur Feinripp-Unterhose der Marke Karl-Heinz, hätten ihrer Meinung nach noch nicht begriffen, dass der Anblick appetitlich verpackter Männlichkeit die Frauenherzen höherschlagen ließen. Schließlich würden sie selbst weder Geld, Aufwand und Mühe scheuen, ihn mit Strapsen, Korsagen und Spitzenhöschen zu beglücken, oder ihm mit verheißungsvollen halterlosen, schwarzen Strümpfen und High-Heels einen Augenschmaus zu bieten.
Ich gebe es zu: Wie es scheint, hat es sich unter uns Männern noch nicht herumgesprochen, dass inzwischen dem richtigen Kerl vom knapp geschnittenen Höschen bis zum sinnlichen Luxustanga alles erlaubt ist. Nun ja, jenseits der sechzig kann man auf einen String bequem verzichten, weil sie bei der Damenwelt ohnehin nichts mehr einbringen. Trotzdem, will man den noch knackig im Saft stehenden Frauen um die vierzig Glauben schenken, haben Männer-Dessous inzwischen wieder Kult-Status erreicht. Doch immer öfter driften meine Geschlechtsgenossen ab in die Damenabteilung, um ihrem Dasein mit "La Perla" und "Aphrodite" eine radikale Erneuerung zu verleihen, aber das soll heute nicht mein Thema sein.
Werfen wir dennoch einen Blick hinüber zur weiblichen Konkurrenz. Beispielsweise sind Samt und Seide, Korsett, BH-Träume aus zarter Spitze und Slip für die Frau von Welt weit mehr als nur Bekleidung - sie sind unter anderem wichtige Wohlfühl- und Selbstwert-Attribute. Dessous mutieren zum Inbegriff von Erotik und Verführung und wir lieben – wenn es der Situation angemessen ist -, auch den Hauch des Verruchten. Selbstredend wollen die Damen dem Mann gefallen, ihn mit Raffinesse aus der Reserve locken, sein Interesse wecken und natürlich Begehrlichkeit erzeugen.
Schon die Mädchen im klassischen Griechenland trugen unter ihrem Kleid einen Gürtel um die Hüften, der keinerlei praktischen Nutzen hatte, außer, die Aufmerksamkeit auf ihre verführerische Weiblichkeit zu lenken. Selbst die Frauen in Rom vor mehr als 2000 Jahren trugen bereits Strumpfbänder um ihre Schenkel, obwohl Damenstrümpfe noch nicht erfunden waren. Schritt für Schritt haben sie ihre Angriffswaffen perfektioniert.
Während das moderne Weib mit Dessous ihre erotischen Vorlieben verraten, haben wir Männer in dieser Hinsicht die modischen Errungenschaften des Homo Sapiens aus Neandertal konserviert, obwohl wir täglich lüsterne Blicke auf die Werbeplakate an der Bushaltestelle werfen. Löst das bei uns etwas aus, frage ich? Nein…! Wir verharren zwischen Sehnsucht und Erstarrung und die Modeindustrie vernachlässigt uns sträflich!
Ist es nicht erstaunlich, dass es mehr Männer mit Artikulations- als mit Erektionsproblemen gibt? Weshalb bemühen sich die Modefritzen nicht? Wie gerne würden wir den Mädels die Sache mit peppigem Outfit und dem Inhalt ein wenig schmackhafter machen! Heute sind Vamps, Starlets, Pin-Ups und Models allgegenwärtig. In der Werbung, auf Kalendern, im Kino und im Fernsehen regen sie Männer- an. Da läge es doch nahe, wenn die Modeindustrie auch einmal einen kurzen und kritischen Blick unter unsere Jeans zu werfen.
Nicht die Bohne, sie belassen alles bei dem für die Frauen frustrierenden Zustand. Das verruchte Weib von Welt dagegen lockt mit verstohlenem Rascheln ihrer Nylonstrümpfe, gewähren Einblicke in ihre Dekolletés aus lachsfarbenem Spitzen-Nichts. Der Mann genießt, kann aber in dieser Hinsicht kaum mithalten. Was unser textiles Feingefühl anbetrifft, konnte man den Zeitraum bis kurz vor der Volljährigkeit als eine entfernte Insel ungetrübter Glückseligkeit und naiver Unschuld bezeichnen. Da bestand das Innenleben der Hosen aus Schießer, geräumig und warm, mehr war da nicht.
Erst wenn wir Frauen in unser Leben treten lassen und „SIE“ uns zu einer Beziehung bewegt hat, erfährt unser Leben nach einer relativ kurzen Schonfrist dramatische Einschnitte. Denn kaum hat sich der Zustand heftiger Verliebtheit gelegt und der Alltag Raum gegriffen, gehen die Frauen ans Eingemachte, genauer gesagt ans Wäschefach des Partners. Gegenwehr zwecklos! Was sie dort vorfinden, treibt jeder Frau die Tränen in die Augen.
Nur mit Abscheu fischen sie zwei Dutzend welke Beutelslips aus den Schubkästen, die seiner Zeit noch Mutti für den Sohn gekauft hatte. Dreierpack, weiß, hellblaue Paspel. Von Kreationen aus himmlisch zarten Geweben, die heimlichen Frauenträume beflügeln könnten, ist weit und breit nichts zu bemerken. Ab sofort bestimmen sie über das künftige Outfit männlicher Reizwäsche! Die erfahrene Frau weiß natürlich, dass der Griff ins männliche Wäschefach eine sensible Angelegenheit ist. In gewisser Weise kommt er einer Entmannung des Partners hinsichtlich deren Selbstbestimmung gleich.
Aber da wir diese Art von Bevormundung schon von Mama gewöhnt waren, sollten wir uns deshalb keine tiefgreifenden Gedanken machen. Es ist wahr, achtzig Prozent aller Männerunterhosen werden von Frauen gekauft, wobei sie nach fünfzehn Jahren Zusammenleben feinfühlig unterscheiden. Wenn der Kerl in das Stadium sexueller Müdigkeit eingetreten ist, was in der Regel mit latenter Modeverweigerung einhergeht, sollte er sich nicht wundern, dass Verkäuferinnen mit angeborenem Röntgenblick die bei Klamotteneinkäufen des Ehegatten die unvermeidlich anwesende Ehefrau fragt: »Möchten Sie etwas Besonderes, oder soll es etwas für ihren Mann sein?«
Die Wäscheindustrie kennt das Kaufverhalten der männlichen Spezies sehr genau. Umso unerklärlicher ist auf der anderen Seite der lähmende Stillstand auf dem Unterwäschemarkt der Männer. Der Modeindustrie fällt kaum mehr ein, als dem Mann geräumige Boxershorts mit Entchen- oder lustigen Elefantenmotiven anzubieten.
Dabei ist es aus Frauensicht mit längjähriger Ehe-Erfahrung völlig einerlei, ob sie für den erotischen Langweiler zuhause aufregende Six-Pack-Bodys oder lederne Beutelhalter anschaffen soll oder nicht, besonders wenn auf dem Sofa zu
Hause ein Bier affiner "One-Pack-Body" sitzt. Der Ehegatte kriegt Doppelripp - basta! Kochfest, versteht sich! Modell Walter oder Karl-Heinz - mit Eingriff rechts, bügelfrei. Farbe egal,
Hauptsache weiß und pflegeleicht!
Das latente Desinteresse des herkömmlichen Mannes an fetzigen Männer-Dessous hängt auch mit dem verklemmten Einkaufsverhalten der Damen ab. Sie bedienen sich lieber frei von Scham und Peinlichkeit an den turmhoch aufgehäuften Wäschestapeln praktischer und geräumiger Schießer-Feinripp-Hosen, wie seinerzeit Mutti. Natürlich träumt sie von dem knackigen Adonis mit stahlhartem Blick, maskulin-muskulöser Figur im stramm sitzenden String.
Doch schnell kommt im Einkaufsgedränge der Shopping-Malls die Erinnerung zurück. Wozu für den Kerl mit teigweicher Wampe ein knackig-poppiges Höschen anschaffen, wenn er spätestens ab 19 Uhr zuhause wie festgenagelt auf dem Sofa das Fernsehen anglotzt und ohnehin nicht aussieht, wie der zweite von rechts bei den Chippendales. Da kaufen sie sich doch lieber ein paar neue Schuhe!
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